Pressemitteilung | Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW)

Hartz-Kommission: Zwei Schritte zurück

(Köln) - Von den Vorschlägen der Hartz-Kommission, die Mitte Juni der Öffentlichkeit präsentiert wurden, ist im politischen Meinungsbildungsprozess wenig übrig geblieben. In wichtigen Punkten haben Hartz & Co. ihre Vorstellungen revidiert. So wurden die ursprünglich geplanten Eingriffe ins Arbeitslosengeld wieder verworfen. Substanzielle Verbesserungen gibt es allein bei der „Ich-AG“.


Als im Juni vorläufige Ergebnisse der Kommission zur Reform der Arbeitsvermittlung bekannt wurden, galt dies als geschickter Schachzug des Kanzlers im Wahlkampf. Für die Arbeit der Reformer war das Manöver aber kontraproduktiv. Denn die politische Diskussion verwässert die Ideen immer mehr:

- Lohnersatzleistungen. Am eiligsten musste die Hartz-Kommission bei Arbeitslosengeld und -hilfe zurückrudern. Der erste Berichtsentwurf sah noch vor, die Bezugsdauer des Arbeitslosengelds auf einheitlich 12 Monate zu verkürzen. Gewerkschaftsnahe Kreise lehnten Leistungskürzungen jedoch kategorisch ab – die Einschnitte waren damit in der zweiten Fassung schon vom Tisch. In der dritten Fassung vom 23. Juli ereilte dieses Schicksal auch die Befristung der Arbeitslosenhilfe – sie soll wieder unbegrenzt gezahlt werden.

Faktisch ist man damit beim Status quo ante angelangt. Das Transfersystem soll überhaupt nicht verändert werden, lediglich die Namen einzelner Leistungen sind – pure Kosmetik – neu: das heutige Arbeitslosengeld (ALG) heißt ALG I, die Arbeitslosenhilfe ALG II. Dabei werden Studien ignoriert, wonach gerade eine lange Bezugsdauer von Transfers die Arbeitslosigkeit erhöht.

- Ich-AG. Hier wurde zum Positiven „nachgelegt“. Die Verdienstgrenze, die ein Ich-Unternehmer maximal erreichen darf, wurde von 15.000 auf 25.000 Euro angehoben. Ab 501 bis 1.000 Euro Bruttoeinkommen sollen die Beitragssätze zur Sozialversicherung reduziert werden. Zudem ist ein befristeter Zuschuss für ehemals Arbeitslose von 50 Prozent des Arbeitslosengeldes zuzüglich der bis dahin vom Arbeitsamt gezahlten Sozialversicherungsbeiträge geplant.

Wenig durchdacht ist indes das Zusammenspiel mit der Sozialhilfe. In der Beispielrechnung der Hartz-Kommission erreicht ein Ich-Unternehmer mit 15.000 Euro Jahreseinnahmen ein verfügbares Einkommen von monatlich 1.377 Euro (wegen der Zuschüsse). Für manche Haushalte liegt dieser Betrag aber unter dem, was sie mit Hilfe von Sozialtransfers erzielen können: Ein Verheirateter mit zwei Kindern und einem 500-Euro-Teilzeitjob plus ergänzender Sozialhilfe hat netto monatlich 1.623 Euro in der Tasche.

- Ältere Arbeitslose. Statt den Barwert des Arbeitslosengeldes für die Zeit bis zur Frührente auszuzahlen, soll es nun eine monatliche Zahlung inklusive der Sozialversicherungsbeiträge geben. Fraglich ist dabei, wie dann die Absicherung der Betreffenden z.B. in der Krankenversicherung aussehen soll. Unverändert bleibt die Möglichkeit, dass Arbeitslose ab 55 Jahren aus der Vermittlung ausscheiden können. Zur Zeit geht das mit 58 Jahren. Großzügige und teure Frühverrentungsprogramme haben aber schon in der Vergangenheit die Arbeitsmarktlage Älterer erschwert. Notwendig ist ein Abbau der Senioritäts-Privilegien im Kündigungsschutz, im Lohnsystem und im Transfersystem – doch daran traut sich die Kommission offenbar nicht heran.

- Organisationsreform. Auch hier gibt es nur Stückwerk: Statt Arbeitslosen- und Sozialhilfe leistungsrechtlich zusammenzufassen, wandert lediglich die Zuständigkeit für sozialpolitische Aufgaben in die Job-Center, beispielsweise die Organisation der Kinderbetreuung. Dies widerspricht der Maßgabe, dass sich die Bundesanstalt für Arbeit auf ihre Kernaufgaben (Arbeitsvermittlung, Leistungsauszahlung, Arbeitsmarktpolitik) konzentrieren soll.


- Zumutbarkeit. Hier bleibt die Kommission ihren ursprünglichen Vorstellungen treu und hat diese nur konkretisiert. Ledige Arbeitslose sowie Verheiratete, die länger als 6 Monate ohne Beschäftigung sind, müssen künftig auch ein Job-Angebot fern der Heimat annehmen. Zudem sollen Job-Suchende beweisen müssen, dass ein Stellenangebot nicht zumutbar ist – bislang liegt die Beweislast bei den Arbeitsämtern. Im Vergleich mit der gegenwärtigen Rechtslage sind damit gleichwohl nur wenige zusätzliche Pflichten vorgesehen.

Etwas ganz Neues hat sich der Kommissionsvorsitzende Peter Hartz nun für Ostdeutschland ausgedacht – eine steuerlich begünstigte Anleihe, um Jobs zu schaffen. Mit dem Geld sollen Unternehmen und Existenzgründer, die Arbeitslose einstellen, unterstützt werden. Ob das der Weisheit letzter Schluss ist, bleibt fraglich – denn schon jetzt gibt es reichlich Fördermittel für den Osten.

Quelle und Kontaktadresse:
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