Handelskammer setzt Leitlinien für eine autoärmere Innenstadt
(Bremen) - Die Handelskammer Bremen - IHK für Bremen und Bremerhaven hat ein Positionspapier zur Entwicklung der Bremer Innenstadt und den Herausforderungen zukünftiger Mobilität erarbeitet. Diskutiert und beschlossen wurde das Papier vom Plenum der Handelskammer sowie zuvor in den Ausschüssen für Stadtentwicklung und städtischen Verkehr sowie Einzelhandel und verbraucherorientierte Dienstleistungen. Während die Bremer Innenstadtwirtschaft selbst bereits seit längerem fordert, den motorisierten Individualverkehr im Kernbereich der Altstadt zwischen Wall und Martinistraße zu Gunsten neuer Rundläufe und höherer Aufenthaltsqualität fußgängerfreundlicher zu organisieren, betrachtet sie das Politikziel einer "autofreien" Innenstadt kritisch und lehnt insbesondere die vom Senat für eine zweite Phase angedeutete großräumige Ausdehnung von Fahrverbotszonen ab. Eine solche Verkehrspolitik scheint kaum vereinbar mit dem viel bedeutenderen Ziel eines attraktiven, lebendigen und gut erreichbaren Oberzentrums zu sein.
In dem zehn Punkte umfassenden Positionspapier fordert die Handelskammer den Senat und die Bürgerschaft auf, die geeigneten Rahmenbedingungen zu schaffen, um Bremen als attraktives und lebendiges Oberzentrum zu positionieren, das mit allen Verkehrsmitteln - sei es per Pkw, ÖPNV, Reisebus, Fahrrad, E-Scooter oder zu Fuß - gut erreichbar ist. Qualität, Taktung und Tarifstrukturen des ÖPNV, gerade auch im Hinblick auf die Anbindung der Umlandregionen, müssen verbessert werden.
Die Präses der Handelskammer Bremen, Janina Marahrens-Hashagen, sagte bei der Vorstellung des Positionspapiers: "Bevor der motorisierte Individualverkehr mit ordnungspolitischen Mitteln nachhaltig reduziert wird, müssen zunächst alternative Mobilitäts-, Routen- und Stellplatzangebote geschaffen und notwendige Begleitinvestitionen in die öffentlichen Räume gesichert werden. Für die Erreichbarkeit der Bremer Innenstadt müssen Politik und Verwaltung zusammen mit den Akteuren der Wirtschaft in einem konsensualen Prozess zeitnah ein stimmiges Gesamtmobilitätskonzept entwickeln, das in die Zukunft weist und all die Menschen mitnimmt, die in der Innenstadt wohnen, arbeiten, einkaufen oder zu Besuch sind." Es dürfe Kunden aus entfernteren Stadtteilen sowie dem näheren oder ferneren Umland nicht verprellen, sondern müsse Gründe und Mobilitätsangebote liefern, Bremens Zentrum aufzusuchen. Präses Marahrens-Hashagen weiter: "Hierzu gehört die klare Botschaft, dass ausdrücklich auch jene Besucher willkommen sind, die - aus welchen Gründen auch immer - nicht auf ihr Auto verzichten wollen oder können oder für die es keine wirklich gute alternative Verkehrsmittelwahl gibt."
Joachim Linnemann, Vizepräses und Vorsitzender des Ausschusses für Stadtentwicklung und städtischen Verkehr der Handelskammer, betonte: "Die Diskussion über das Heraushalten motorisierter Verkehre lenkt von den eigentlichen Herausforderungen ab. Ziel muss sein, über eine Erhöhung der Aufenthaltsqualität, über einen attraktiven Geschäftsbesatz und ein neues Storytelling mehr Leben, mehr Besucher, mehr Umsatz und mehr Wertschöpfung in die Bremer City zu bringen." Die bereits beschlossenen Projekte aus dem Verkehrsentwicklungsplan und dem Innenstadtkonzept müssten endlich umgesetzt werden. "Dazu gehören", so Linnemann, "beispielsweise die Ausdehnung fußgängerfreundlicher Bereiche in der Carl-Ronning-Straße, der Balgebrückstraße und im Schüsselkorb sowie Maßnahmen für ein leichteres Queren der Martinistraße." Handelskammer und Innenstadtwirtschaft seien bereit, sich konstruktiv an den Arbeitsprozessen für eine Fortschreibung des Innenstadtkonzeptes und ein neues Gesamtmobilitätskonzept zu beteiligen.
Die Privatwirtschaft bringt sich in den laufenden Veränderungsprozess der Innerstadt stark ein. Sie trägt einen Großteil der Investitionen in die Umgestaltung der Bremer Innenstadt. Das Gesamtvolumen aller privaten Immobilienprojekte liegt bei weit über einer Milliarde Euro. Es gilt jetzt, sowohl den im Raum stehenden privaten Bauvorhaben entschlossen den Weg zu bereiten, als auch durch öffentliche Begleitinvestitionen das städtebauliche Gesamtgefüge der Bremer Innenstadt zu stärken. Hierfür sind ausreichende Etatposten bereits in den beiden kommenden Haushaltsjahren zu sichern.
Stefan Brockmann, Vorsitzender des Ausschusses für Einzelhandel und verbraucherorientierte Dienstleistungen der Handelskammer, betonte: "35 Prozent der Besucher der Bremer Innenstadt kommen aus dem Umland. Diese Gruppe ist größtenteils auf den Pkw angewiesen und wägt bei der Erreichbarkeit, den Parkmöglichkeiten und Parkgebühren genau ab. Auf diese Besuchergruppe kann der bremische Einzelhandel nicht verzichten. Die Parkhäuser Katharinenklosterhof und Am Dom dürfen nicht vorschnell aufgegeben werden, periphere Parkhäuser müssen besser angeschlossen werden und mit einem leistungsfähigen Park & Ride Stellplatznetz ergänzt werden." Der Begriff "autofrei" führe bereits heute zu Missverständnissen und sollte nicht verwendet werden, so Brockmann: "Kein Verkehrsteilnehmer soll sich ausgeschlossen fühlen. Es bedarf einer alternativen, positiven Begrifflichkeit und eines positiv besetzten Ziels für die Bremer Innenstadt."
Das Positionspapier der Handelskammer nimmt sich die "Stadt im menschlichen Maßstab" zum Vorbild, die fußgängerfreundlich und autoärmer, aber gleichzeitig gut erreichbar ist und bei ihren Besucherinnen und Besuchern mit hoher Verweilqualität punktet.
Der Hauptgeschäftsführer der Handelskammer, Dr. Matthias Fonger, sagte: "Zu den wesentlichen Rahmenbedingungen für die erfolgreiche Implementierung einer autoärmeren Innenstadt gehört die Vollendung des Ringschlusses der A 281, ein ambitionierter Ausbau des innenstadtorientierten ÖPNV-Angebotes mit Trassen- und Liniennetzausbau, mehr und moderneren Fahrzeugen, mit dem Bau weiterer Regio-S-Bahn-Haltepunkte, mit höherer Taktung und attraktiveren Tarifen. Ebenso gehört dazu die Realisierung der immobilienwirtschaftlichen Pläne rund um das Parkhaus-Mitte sowie die Sicherung beträchtlicher bremischer Haushaltsmittel für die unerlässlichen Begleitinvestitionen in öffentliche Räume und öffentliche Nutzungen." Angesichts dieser Aufgabenbreite, so Dr. Fonger, sollte die Entwicklung der Innenstadt unbedingt zur politischen Chefsache gemacht werden. Der Hauptgeschäftsführer betonte: "Im Mittelpunkt allen Handelns und politischen Gestaltungswillens müssen die Steigerung der Aufenthaltsqualität und die Sicherstellung einer guten Erreichbarkeit der Innenstadt stehen."
Quelle und Kontaktadresse:
Handelskammer Bremen - IHK für Bremen und Bremerhaven
Dr. Stefan Offenhäuser, Leiter, Public Relations
Am Markt 13, 28195 Bremen
Telefon: (0421) 36370, Fax: (0421) 3637299
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