GVA-Jahresmitgliederversammlung und Kongress 2016: Automobilwirtschaft vor Herausforderungen, freier Kfz-Ersatzteilmarkt wirtschaftlich auf Kurs
(Ratingen/Hannover) - Am 8. November 2016 fand die diesjährige Jahresmitgliederversammlung des Gesamtverband Autoteile-Handel e.V. (GVA) statt. Der Einladung nach Hannover waren mehr als 250 Spitzenvertreter aus Kfz-Teilehandel und Kfz-Teileindustrie gefolgt. Im Rahmen der Veranstaltung tauschten sich die Branchenvertreter über aktuelle Themen der Automobilwirtschaft aus und diskutierten wettbewerbspolitische Herausforderungen an die Unternehmen im Kfz-Ersatzeil- und Servicemarkt. Der GVA und seine Mitgliedsunternehmen sehen sich gut aufgestellt. Kfz-Teilehandel und Kfz-Teileindustrie wissen aber auch, dass sie in ihren Anstrengungen etwa in Zeiten der fortschreitenden Digitalisierung der Wirtschaft nicht nachlassen dürfen, um auch zukünftig erfolgreich am Markt bestehen zu können.
Branchenkonjunktur: Unternehmen des freien Kfz-Ersatzteilmarktes auf Kurs
Die GVA-Mitglieder sind mit dem wirtschaftlichen Verlauf des Jahres 2016 bislang insgesamt zufrieden. Das zeigte sich nicht nur in Gesprächen und Wortbeiträgen in Hannover, sondern auch in den Ergebnissen einer GVA-Mitgliederbefragung nach dem dritten Quartal. So konnten 76,6 Prozent der Unternehmen aus Kfz-Teilehandel und Kfz-Teileindustrie steigende Umsätze verbuchen, fast jeder dritte Betrieb konnte gar deutliche Zuwächse von mehr als fünf Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum melden. 81,8 Prozent der GVA-Industriemitglieder konstatierten ein Umsatzplus, bei den GVA-Handelsmitgliedern waren es immerhin noch 72 Prozent. Rund 13 Prozent der Befragten berichteten von gleichbleibenden Umsätzen. Die Umsatzerwartungen für das Gesamtjahr 2016 gestalten sich erfreulich: So rechnen 72 Prozent der Kfz-Teilehändler sowie 86,4 Prozent der Kfz-Teilehersteller mit Zuwächsen (gesamt: 78,7 Prozent). Damit trauen die GVA-Mitgliedsunternehmen der Branche einmal mehr eine bessere wirtschaftliche Performance als der Gesamtwirtschaft in Deutschland zu. Nur 44,7 Prozent der Befragten beurteilten das gesamtwirtschaftliche Klima in den ersten drei Quartalen des Jahres positiv. Noch einmal gut zwei Prozentpunkte weniger erwarten eine gute Lage der allgemeinen Konjunktur in Deutschland im vierten Quartal 2016. GVA-Präsident Hartmut Röhl erläutert: "Die Geschäfte verlaufen ordentlich aber der wirkliche Schwung fehlt in diesem Jahr im Kfz-Ersatzteilmarkt. Bislang lagen wir nach dem September unter dem Strich rund 2,2 Prozent über dem Vorjahr und sind guter Dinge, dass der Trend hält. Statistisch zugutekommt den Unternehmen in 2016, dass das Jahr vergleichsweise viele Arbeitstage hat." Die Rahmenbedingungen stimmen: So erwartet das Kfz-Gewerbe - die Kfz-Servicebetriebe bilden die größte Kundengruppe für Produkte und Dienstleistungen der GVA-Handelsmitglieder - ein positives viertes Quartal 2016. 40Prozent der Servicebetriebe rechnen mit einer besseren und 56,6 Prozent mit einer saisonüblichen Pkw-Werksstattauslastung gegenüber dem dritten Quartal, das bereits recht erfreulich verlaufen war.
Langfristige Prognosen sind aufgrund der aktuellen wirtschaftlichen und politischen Großwetterlage derzeit aber schwierig, führt GVA-Präsident Hartmut Röhl aus: "Auf internationaler Ebene gibt es neben verschiedenen Krisenherden der Welt auch Entwicklungen, die langfristige Auswirkungen auf die Wirtschaft insgesamt haben. So wird etwa spannend zu sehen sein, wie die neue US-Administration agiert und welche Schwerpunkte nach den US-Präsidentschaftswahlen gesetzt werden. Europa wird bezüglich des Freihandelsabkommens TTIP Handlungsfähigkeit beweisen müssen. Hier geht es um wesentliche weltwirtschaftliche Weichenstellungen für die kommenden Jahrzehnte und dabei vor allem um die Frage, ob Europa seine ökonomische Stellung in der Welt halten kann. Leider diskutiert man im Moment dabei aber eher Nebenaspekte und verliert das Wesentliche aus dem Fokus: Die Frage etwa, wer zukünftig z.B. die Standards bezüglich Technologie, Umwelt oder Sicherheit in der Welt setzt. Auch müssen bestehende Handelshemmnisse dringend überprüft werden. Wenn Europa das nicht schafft, könnten uns die weiterhin aufstrebenden asiatischen Wirtschaftsmächte bald abhängen."
Wettbewerbspolitik: Freier Markt stemmt sich gegen Monopolisierungsversuche
Digitalisierung stellt Unternehmen der Branche vor Herausforderungen
Die Digitalisierung der Automobilwirtschaft führt im Kfz-Aftermarket zu tiefgreifenden Veränderungen und stellt sowohl die Industrie, den Handel als auch den Servicebereich vor vielfältige Herausforderungen. Zum einen vollzieht sich der digitale Wandel u.a. im Tagesgeschäft des Kfz-Teilegroßhandels, wo die Unternehmen leistungsstarke Onlinebestellsysteme für ihre gewerblichen Kunden etwa aus dem Werkstattbereich etabliert haben. "Die Branche ist hier gut gerüstet.", schätzt GVA-Präsident Hartmut Röhl ein. Darüber hinaus richten sich aber immer mehr reine Online-Anbieter im Kfz-Ersatzteilmarkt mit ihren Webshops gezielt an Endverbraucher. Eine Entwicklung, die der GVA mit gewisser Sorge betrachtet, wie Präsident Hartmut Röhl erläutert: "Der Autofahrer übernimmt in diesem Fall die Fehlerdiagnose, die Identifikation des benötigten Ersatzteils sowie die Auswahl des Herstellers und Anbieters in Eigenregie - vom Einbau erst gar nicht zu sprechen. Daraus können für den Laien und letztlich auch für die Verkehrssicherheit Risiken erwachsen. Wir empfehlen dem Autofahrer daher, benötigte Ersatzteile in der Werkstatt seines Vertrauens zu kaufen und dort auch verbauen zu lassen."
Neben den notwendigen wirtschaftlichen und betrieblichen Anpassungen der Branche infolge der Digitalisierung sind es aber vor allem deren wettbewerbspolitischen Aspekte, die den GVA beschäftigen. GVA-Präsident Hartmut Röhl führt aus: "Das Wettbewerbsumfeld ändert sich nicht nur durch den Eintritt innovationsstarker Unternehmen etwa aus dem Kommunikations- und IT-Bereich in unsere Branche, auch zwischen freiem Markt und Fahrzeugherstellern nimmt die Spannung nochmals zu. So wächst die Gefahr, dass die Fahrzeughersteller die neuen Möglichkeiten des Digitalzeitalters als einen weiteren Hebel nutzen, um fairen Wettbewerb im Kfz-Ersatzteil- und Servicemarkt auszuschalten." In zwei Bereichen hat der GVA aktuell besondere Gefahren in Folge der Digitalisierung identifiziert: in der Telematik und bei elektronischen Barrieren beim Einbau von Ersatzteilen des freien Marktes.
Bereits heute nutzen viele Autokonzerne Anwendungen im Bereich Fahrzeugvernetzung zur gezielten Steuerung der Autofahrer in das an sie gebundene Ersatzteil- und Servicenetz. Die OEM erhalten von modernen Fahrzeugen in Echtzeit Informationen über den "Gesundheitszustands" des Automobils und können dem Fahrer oder dem Halter darauf basierend gezielt Angebote für anstehende Wartungen oder notwendige Reparaturen unterbreiten. Mit der EU-weiten verpflichtenden Einführung des automatisierten, elektronischen Notrufs eCall in neu typgeprüfte Fahrzeuge ab April 2018 wird die für vernetzungsbasierte Anwendungen notwendige technische Infrastruktur in allen Neufahrzeugen an Bord sein und deren Marktdurchdringung in der weiteren Folge rasant anwachsen. Bisher bieten die Fahrzeughersteller geschlossene (proprietäre) Lösungen an, Anwendungen des freien Marktes sind davon i.d.R. ausgeschlossen. GVA-Präsident Hartmut Röhl weist auf die Anstrengungen des GVA bei diesem Thema hin: "Wir setzen uns in Berlin und Brüssel dafür ein, dass die für die Vernetzung relevanten Schnittstellen im Fahrzeug frei zugänglich, interoperabel, sicher und standardisiert gestaltet werden, damit unabhängige Entwickler und Hersteller eigene innovative Produkte anbieten können. Nur so behält der Autofahrer im Digitalzeitalter die Wahlmöglichkeit, wo und mit welchen Teilen er sein Fahrzeug reparieren lässt."
Mittlerweile müssen darüber hinaus viele Ersatzteile beim Einbau in den Steuergeräten der Fahrzeuge oder in elektronischen Systemen der Fahrzeughersteller angemeldet werden. Fahrzeughersteller bauen dabei zunehmend elektronische Barrieren auf, zum Beispiel, wenn Teile aus dem freien Ersatzteilmarkt zwar verbaut aber nicht korrekt angemeldet werden können. Hartmut Röhl weist auf potentielle Folgen hin: "Zum einen wird so Wettbewerb ausgebremst und zum anderen ist zu befürchten, dass möglicherweise Risiken im Straßenverkehr erwachsen können."
Neugestaltung der Typgenehmigung darf Zugang zu technischen Informationen nicht gefährden!
In Brüssel treibt die EU-Kommission aktuell die Revision der Typgenehmigungs-Rahmenrichtlinie voran. Diese soll durch eine Verordnung ersetzt werden, um eine unmittelbare, harmonisierte Anwendung und Durchsetzung in allen Mitgliedsstaaten sicherzustellen. Es ist geplant, die Anforderungen an die Bereitstellung von Reparatur- und Wartungsinformationen aus den Euro 5/6-Verordnungen (für Pkw) und Euro VI-Verordnungen (für Nkw) in eine neue Typgenehmigungs-Rahmenverordnung zu übernehmen. Vom Grundsatz her begrüßenswert, sagt GVA-Präsident Hartmut Röhl, verbindet dies allerdings mit einem großen Aber: "Im vorliegenden Entwurf wurde vom Gesetzgeber versäumt, für fairen Wettbewerb im Kfz-Aftermarket essentielle, bestehende Regelungen zu übertragen. So wurden etwa die zentralen Ergebnisse des RICARDO-Berichts zur Evaluierung der Euro 5/6-Verordnungen nicht berücksichtigt." Der Bericht hatte teils gravierende Defizite bei der Umsetzung der Rechte des freien Marktes aufgedeckt. Die EU-Kommission will die neue Verordnung aufgrund des Drucks in Folge des VW-Abgasskandals gerne so bald wie möglich verabschieden. "Eile darf aber nicht dazu führen, dass derart wichtige Regeln für unsere Branche nachlässig oder unzureichend formuliert werden.", wendet Hartmut Röhl ein. Und der GVA-Präsident weiter: "Ansätze, dem technischen Fortschritt angepasste Bestimmungen zum Zugang der unabhängigen Marktteilnehmer zu den Reparatur- und Wartungsinformationen (RMI) der Fahrzeughersteller etappenweise aufzunehmen, sind nicht zielführend. Der Regelungsbedarf besteht bereits jetzt und die Anforderungen sind unter anderem aus dem RICARDO-Bericht bekannt." Röhl reagiert damit auf Gedankenspiele der EU-Kommission, das Thema RMI umfassend im Zusammenhang mit einer geplanten Studie zur Telematik anzugehen. Da diese Studie voraussichtlich erst 2017 vorliegen wird, ist eine auf deren Ergebnissen basierende Überprüfung der Gesetzgebung nicht vor 2018 zu erwarten. Die Revision der Typgenehmigungs-Rahmenrichtlinie könnte damit die Nachjustierung der Euro 5/6-Verordnung "überholen". "Die Unternehmen des mittelständisch geprägten freien Kfz-Teile- und Servicemarktes könnten sich in dieser Frage keine Hängepartie leisten. Dafür geht es um zu viel.", so GVA-Präsident Hartmut Röhl.
Liberalisierung des Marktes für sichtbare Kfz-Ersatzteile
Gewisse Fortschritte in jüngster Zeit kann der GVA bezüglich der Liberalisierung des Marktes für sichtbare Kfz-Ersatzteile wie Motorhauben, Kotflügel, Außenspiegel, Scheiben, Scheinwerfer und Rückleuchten melden. So hat die EU-Kommission im Sommer eine juristische Studie veröffentlicht, die (ebenso wie eine ökonomische Analyse im vergangenen Jahr) bilanziert, dass die Einführung der vom GVA und weiteren Vertretern des freien Marktes sowie der Verbraucher geforderten Reparaturklausel wünschenswert und notwendig ist. GVA-Präsident Hartmut Röhl: "Es gibt wohl kaum ein Thema, das wissenschaftlich in allen Aspekten derartig intensiv durchleuchtet wurde wie der Markt für sichtbare Kfz-Ersatzteile. Der Tenor ist stets eindeutig gewesen: Die Reparaturklausel muss kommen! Wir begrüßen, dass die EU-Kommission sich weiterhin in der Sache engagiert und setzen uns dafür ein, dass sich auch die deutsche Bundesregierung endlich dazu durchringt, das bestehende und für die Autofahrer in Deutschland unverschämt teure Monopol der Fahrzeughersteller zu durchbrechen."
Weiterhin gezielte Verunsicherung der Verbraucher bei Garantie und Gewährleistung
Der GVA musste in diesem Jahr einmal mehr gegen Fahrzeughersteller und auch Autohäuser vorgehen, die in ihrer Kommunikation Autofahrer mit rechtswidrigen Aussagen über den drohenden Verlust von Garantie- oder Gewährleistungsansprüchen bei Inanspruchnahme von Services oder bei der Verwendung von Teilen des freien Marktes in die Irre führten. GVA-Präsident Hartmut Röhl: "Leider haben wir diesbezüglich eine regelrechte Renaissance erleben müssen. Nachdem sich die Lage in den vergangenen Jahren etwas beruhigt hatte und wir davon ausgingen, dass die Hersteller und die gebundenen Servicebetriebe endlich gelernt haben, dass man die Ängste der Autofahrer nicht rechtswidrig schüren darf, mussten wir zuletzt wieder verstärkt aktiv werden. Teilweise stießen wir dabei auf Wiederholungstäter, deren Agieren geradezu als dreist bezeichnet werden muss."
GVA-Kongress setzt Schwerpunkt auf das Thema Fahrzeugvernetzung
Am zweiten Veranstaltungstag, dem 9. November 2016, schloss sich der GVA-Kongress an. Im Fokus der Redebeiträge renommierter Referenten standen verschiedene Aftermarket relevante Aspekte der Fahrzeugvernetzung.
Den Auftakt machte FIGIEFA-Generalsekretärin Sylvia Gotzen, die in ihrem Vortrag gute Gründe anführte, weshalb es europäischer Regeln rund um das vernetzte Auto bedarf. So muss etwa sichergestellt werden, dass die Fahrzeughersteller die neuen technischen Möglichkeiten nicht zur Monopolisierung des Kfz-Aftermarket einsetzen können. Hier ist der Gesetzgeber gefragt, und die Interessenvertretungen des freien Kfz-Teilehandels, etwa mit der FIGIEFA in Brüssel oder auf nationaler Ebene mit dem GVA, sind ebenfalls engagiert.
Durch die Fahrzeugvernetzung haben die Hersteller erstmals direkten, permanenten Zugang zum Fahrzeug und zum Autofahrer. Wie der Kampf um diese begehrte Schnittstelle zum Kunden geführt wird und welche Auswirkungen das auf den Kfz-Ersatzteil- und Servicemarkt heute und in der Zukunft haben wird, erläuterte Philipp Grosse Kleimann (Roland Berger GmbH) in seinem Beitrag.
Wesentliche technische Entwicklungen rund ums Automobil werden von Zulieferern geleistet. Dr. Uwe Thomas von der Robert Bosch GmbH, einem der weltweit führenden Anbieter im Bereich Telematik, referierte auf dem GVA-Kongress über die tiefgreifenden Veränderungen im Kfz-Aftermarket durch fahrzeugintegrierte Telematiksysteme.
Alexander Haid von CARUSO stellte in Hannover eine mögliche Datenplattform für die Branche vor, die von seinem Unternehmen entwickelt wird. Die Plattform soll allen interessierten Akteuren offenstehen und ein standardisiertes technisches "Ökosystem" für Anwendungen rund um die Fahrzeugvernetzung schaffen. GVA-Präsident Hartmut Röhl betonte in seinem anschließenden Fazit, dass eine geeignete Lösung aus Sicht des freien Marktes nur auf einer offenen, interoperablen Telematikplattform basieren kann, die allen Akteuren gleichermaßen Zugriff auf die Daten im Fahrzeug ermöglicht und das genau in dem Umfang, den der Autofahrer festlegt. Die unabhängigen Marktteilnehmer sollten den in der eCall-Verordnung definierten Rahmen vollumfänglich nutzen. Nur so würde verhindert, dass die Autofahrer zu Gefangenen der Fahrzeughersteller werden.
Quelle und Kontaktadresse:
Gesamtverband Autoteile-Handel e.V.
Pressestelle
Gothaer Str. 17, 40880 Ratingen
Telefon: (02102) 77077-0, Fax: (02102) 77077-17
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