Grüne Fabrik schließt Spagat zwischen Ökologie und Ökonomie
(Frankfurt am Main) - Wie führende Hersteller von Fertigungstechnik heute den Spagat zwischen Ökologie und Ökonomie bewältigen, zeigt die METAV vom 11. bis 15. März 2014 in Düsseldorf. Doch wie sieht es in der Zukunft aus? Was gibt es voraussichtlich auf der METAV 2020 zu sehen? Die Formel für die grüne Fabrik von morgen heißt EMC²-Factory: In dem EU-Forschungsprojekt entwickeln europäische Firmen und Forscher Konzepte für Fabriken, die besonders energieintensive Produktionsprozesse der Automobil-, Luftfahrt- und Eisenbahnindustrie verbessern sollen. Aus dem Blickwinkel des Automatisierungsspezialisten Festo berichtet Dr. Nico Pastewski, Innovations- und Technologie-Manager des Esslinger Unternehmens, im Interview über erste Ideen und die Rolle der Werkzeugmaschinen.
Herr Dr. Pastewski, warum nimmt Ihr Unternehmen an dem Projekt EMC2-Factory teil, was erwarten Sie von dem Projekt?
Dr. Pastewski: Als Automatisierungsspezialist ist es unser zentrales Ziel, die Produktionseffizienz zu steigern, sowohl zum Nutzen unserer Kunden als auch in der eigenen Produktion. Energieeffizienz und der schonende Umgang mit Ressourcen gehören zum Unternehmensleitbild. Wir sind überzeugt, dass die künftige Wettbewerbsfähigkeit des Industriestandorts Europa die konsequent nachhaltige Ausrichtung erfordert und wir in Europa auch eine Vorreiterrolle haben. Im Forschungsprojekt EMC2-Factory arbeiten wir seit Herbst 2011 gemeinsam mit 16 weiteren Partnern an Lösungen für die grüne Fabrik. Festo nimmt daran teil, weil die Anforderungen an die nachhaltige Produktion der Zukunft ein Zusammenspiel von allen Beteiligten erfordert und hier Maßstäbe, Tools und Standards für die Zukunft entwickelt werden. In einem Forschungsprojekt dieser Art kommen Projektpartner aus Forschung und Industrie zusammen. Die ganzheitliche Betrachtung und das gemeinsame Erarbeiten eines neuen Ansatzes sind für alle Beteiligten sehr wertvoll.
Was steuert Ihr Unternehmen bei?
Dr. Pastewski: Festo ist in acht von zehn Arbeitspaketen aktiv beteiligt. Im Arbeitspaket mit dem Titel "Production control system re-engineering with focus on energy efficiency" sind wir als Koordinator tätig. Wir beteiligen uns mit unserer Expertise im Bereich der Fabrik- und Prozessautomatisierung, mit technologieunabhängiger Kompetenz in pneumatischer und elektrischer Antriebstechnik sowie mit einer starken Forschungskompetenz im Unternehmen. Im Arbeitspaket WP4 geht es darum, konkrete Lösungen für die energieeffizienzorientierte Optimierung von Produktionssteuerungssystemen zu erarbeiten. Dabei betrachten wir als Projektteam alle Produktionsebenen vom übergeordneten Manufacturing Execution System (MES) über die Anlagen bis hinunter auf Komponentenebene. Die einzelnen Lösungen werden sowohl für die Planung einer neuen Fabrik ("greenfield") als auch für die Optimierung einer bestehenden Fabrik in Betrieb ("brownfield") entwickelt.
Festo bringt sich vor allem mit Ansätzen auf Komponentenebene ein: Dazu zählen entscheidungsunterstützende Softwaretools für die Wahl geeigneter Antriebstechnologien sowie effizienzsteigernde pneumatische und elektrische Antriebssteuerungen. Hinzu kommen Monitoringlösungen für Maschinen, die bei Nichtbedarf die Druckluftversorgung unterbrechen, um so signifikant Druckluft und damit Energie zu sparen - ähnlich dem Start-Stop-Betrieb in modernen Pkws.
Was hat der Kunde davon?
Dr. Pastewski: Mit unserem bereits bestehenden ganzheitlichen Ansatz sparen wir beim Kunden Energie ein: Als Lösungsanbieter für die Automatisierungstechnik haben wir besonders im Blick, wie sich die Energie in den Maschinen beim Kunden effizient einsetzen lässt. Wir beraten Kunden bei der optimalen energetischen Auslegung ihrer Maschinen. Das geschieht technologieübergreifend mit einem ganzheitlichen, vierteiligen Ansatz: Wie kann die Maschine oder die Automatisierungslösung intelligent und energieeffizient ausgelegt werden? Welche energiesparenden Produkte und Lösungen gibt es? Wie können mit den Dienstleistungen des "Festo Energy Saving Service" bestehende Maschinen optimiert werden? Wie lässt sich durch Beratung, Training der Mitarbeiter und grundlegende Planung der Produktionsprozesse Energie einsparen?
Welche Rolle spielen aus Ihrer Sicht Werkzeugmaschinen in der grünen Fabrik der Zukunft, was kann Ihr Unternehmen dazu beisteuern?
Dr. Pastewski: Der Energie- und Ressourcenverbrauch von Fabriken ist durch viele Einzelverbraucher bestimmt. Werkzeugmaschinen haben einen wesentlichen Anteil am Aufwand zur Herstellung eines Produktes - also in einer sehr frühen Phase des industriellen Wertschöpfungsprozesses. Bei Werkzeugmaschinen gilt das gleiche wie bei anderen Anlagen auch: Die jeweilige Anwendung entscheidet über die Energieeffizienz einer Anlage und ob das beste Lösungskonzept auf pneumatischen oder elektrischen Antrieben basiert oder beides kombiniert. Die Anwender erschließen das größte Energiesparpotenzial, wenn sie die optimale Technologie wählen und die Antriebskomponenten richtig auslegen.
Darüber hinaus verbessern sich die Antriebslösungen selbst immer mehr, so dass sie künftig immer weniger Energie benötigen. Bedarfsgerechte Steuerungskonzepte oder auch das intelligente Zusammenspiel von Komponenten helfen künftig noch stärker, Verluste wie Leckage zu senken oder Bremsenergie zu nutzen. Zudem werden Monitoring und Diagnosefunktionen die Antriebssysteme besser überwachen können, um so letztendlich auch Einsparungen zu erzielen.
Bitte etwas Science-Fiction: Wie könnte die EMC2-Factory aussehen?
Dr. Pastewski: Die Projektvision lautet, dass bis zum Jahr 2020 die Fabriken in Europa in der Lage sein werden, den Energie- und Ressourcenverbrauch sowie die Emissionen um mehr als 30 Prozent pro produzierter Einheit im Vergleich zum Niveau von 1990 zu reduzieren. Im Moment entwickeln wir viele Einzellösungen und Ansätze für eine energieeffiziente Produktion. Die nächste Stufe ist der gleiche Schlüssel wie für die Produktion der Zukunft allgemein. Es geht darum, die Einzellösungen mehr und mehr mit Informations- und Kommunikationstechnologie in Systemlösungen zu integrieren: Stichwort Transparenz, Verfügbarkeit der Verbrauchsdaten in Echtzeit und dezentrale Intelligenz. Dabei sollte die Komplexität weitestgehend im Hintergrund bleiben, damit die Systeme gleichzeitig für den Bediener noch intuitiv verständlich und beherrschbar bleiben.
Auch in der Bionik und unseren Future Concepts beschäftigt sich Festo mit den zukünftigen Produktionswelten. Bionische Modelle demonstrieren Lösungsansätze für wichtige Themen wie Funktionsintegration, Miniaturisierung, flexible und adaptive Anlagen oder die intuitive Bedienbarkeit von Maschinen.
Herr Dr. Pastewski, wir danken für das Gespräch.
Das Interview führte, Nikolaus Fecht, Fachjournalist aus Gelsenkirchen
Zur Person
Dr. Nico Pastewski studierte Technischer Umweltschutz an der TU Berlin und beschäftigte sich im Anschluss als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Seoul National University und bei der Europäischen Kommission mit der Umsetzung von Eco-Innovationen. Von 2006 bis 2010 arbeitete er als Projektkoordinator im Themenfeld Ressourceneffizienz in der Abteilung Innovations- und Technologiemanagement am Stuttgarter Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) und promovierte an der Universität Stuttgart. Seit 2011 ist Nico Pastewski als Innovationsmanager bei der Festo AG & Co. KG, Esslingen, im Themenfeld Energieeffizienz beschäftigt.
EMC²-Factory
Neun englische Worte beschreiben ein sehr ehrgeiziges europäisches Forschungsprogramm: Es geht um "eco manufactured transportation means from clean and competitive factory", kurz EMC²-Factory. 17 Partner aus neun europäischen Ländern (Projektteilnehmer unter anderem: Cecimo, Comau, Festo, Fiat, Siemens sowie die Technischen Universitäten in Darmstadt und Braunschweig) entwickeln in diesem EU-Projekt Konzepte für Fabriken, die zugleich ökonomisch und ökologisch sind. Dabei geht es in erster Linie um das Verbessern von energieintensiven Herstellverfahren der Automobil-, Bahn- und Luftfahrtindustrie.
Weitere Informationen: www.emc2-factory.eu
Hintergrund
Blue Competenc - Engineering a better world
Nachhaltigkeit ist auf der METAV 2014 in Düsseldorf ein großes Thema. Unter dem Label Blue Competence zeigen 27 Unternehmen und zwei Industrieverbände aus Europa den Anwendern aus der Industrie, wie sie hier Potenzial heben können. Mit dabei sind: Arku, Cecimo (Belgien), Cometel (Spanien), Desch, DMG Mori, Gmtk (Spanien), Heller, Hermle, Hydac, Ibarmia (Spanien), IK4-Ideko, (Spanien), Index, Juaristi (Spanien), Kapp, KMT (Schweden), Nicolás Correa (Spanien), Profiroll Schneeberger, Schütte, Schwäbische Werkzeugmaschinen, Shuton (Spanien), Siemens, Soraluce (Spanien), Stama, Starrag-Heckert, Traub, Reichenbach, Union Chemnitz, VDW, Waldrich Coburg.
Die Unternehmen stellen eine breite Palette an Lösungen vor, die zu einer energieautarken, emissionsneutralen und ergonomischen Produktionstechnik führen. Neben vielen gut illustrierten Best Pracitces können sich die Besucher auch auf Exponate freuen. An Maschinen unter Span können die umgesetzten Maßnahmen nicht nur betrachtet sondern erlebt werden.
Der VDMA (Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau) hat 2011 die Nachhaltigkeitsinitiative des Maschinenbaus Blue Competence Engineering a better World gestartet. Bisher sind 38 Organisationen und über 370 Partnerunternehmen beteiligt. Dadurch entsteht eine Plattform für die Vernetzung nachhaltiger Produktion und Technologien. Jedes Partner-Unternehmen belegt seinen Nachhaltigkeitsbeitrag anhand von Fakten und individuellen Erfolgsgeschichten
METAV 2014 in Düsseldorf
Die nächste METAV findet vom 11. bis 15. März 2014 in Düsseldorf statt. Sie hat sich in den geraden Jahren als wichtiges Technologiefenster der gesamten Fertigungstechnik für Hersteller und Kunden aus Europa fest etabliert. Die METAV zeigt das komplette Spektrum der Fertigungstechnik. Schwerpunkte sind Werkzeugmaschinen, Fertigungssysteme, Präzisionswerk zeuge, automatisierter Materialfluss, Computertechnologie, Industrieelektronik und Zubehör. Zur Besucherzielgruppe der METAV gehören alle Industriezweige, die Metall bearbeiten, insbesondere der Maschinen- und Anlagenbau, die Automobil- und Zulieferindustrie, Luft- und Raumfahrt, Elektroindustrie, Energie- und Medizintechnik sowie Metallbearbeitung und Handwerk. Zur letzten METAV 2012 präsentierten rund 700 Aussteller aus 26 Ländern ihre Produkte, Fertigungslösungen und Dienstleistungen. Sie zogen rd. 40 700 Fachleute aus über 30 Ländern an.
Neu auf der METAV 2014: In Kooperation mit der Messe Erfurt präsentiert der METAV-Veranstalter VDW erstmals das Thema generative Fertigung in der Medizintechnik im Rahmen der Sonderschau Metal meets Medical.
Quelle und Kontaktadresse:
Verein Deutscher Werkzeugmaschinenfabriken e.V. (VDW)
Sylke Becker, Leiterin, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Corneliusstr. 4, 60325 Frankfurt am Main
Telefon: (069) 7560810, Fax: (069) 75608111