Großer Lauschangriff verletzt die Menschenwürde
(BERLIN) - Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 03. März verstößt die Abhörungspraxis des Großen Lauschangriffs in wesentlichen Teilen gegen das Grundgesetz. Der Deutsche Anwaltverein (DAV) begrüßt grundsätzlich diese Entscheidung. Bestätige sie doch, dass es einen unantastbaren Kernbereich privater Lebensführung geben müsse. Noch eindeutiger sei jedoch das Minderheitenvotum zweier Verfassungsrichterinnen gewesen, die staatliche Eingriffe in die private Intimsphäre völlig abgelehnt haben. Immerhin habe aber der Senat die Umsetzung der Regelung in der Strafprozessordnung zum großen Teil für verfassungswidrig erklärt und strenge Vorgaben für die Anwendung des Großen Lauschangriffs formuliert. Wenn diese Vorgaben von der Politik und den Strafverfolgungsbehörden umgesetzt werden, wird es nach Ansicht des DAV nur noch ganz vereinzelt zur Anwendung des Großen Lauschangriffs kommen.
"Es stellt sich also die Frage, ob die Grundgesetzänderung des Jahres 1998 nicht rückgängig gemacht werden sollte", so der Präsident des DAV, Rechtsanwalt Hartmut Kilger. Dem Einzelnen müsse die Möglichkeit zur Entfaltung der Persönlichkeit im Kernbereich privater Lebensgestaltung möglich sein. Für die Bürger sei von großer Bedeutung, dass das Gespräch des Mandanten mit seinem Strafverteidiger uneingeschränkt geschützt sei. Das "staatsfreie" Gespräch mit Personen höchstpersönlichen Vertrauens gehöre zum unabdingbaren Kernbestand der verfassungsrechtlich verbrieften Menschenwürde.
Nach dem Urteil verletzt die bisher praktizierte akustische Überwachung von Wohnungen die Menschenwürde und muss daher erheblich eingeschränkt werden. Die Überwachung in Wohnungen ist sofort abzubrechen, wenn in der Wohnung Gespräche mit engen Angehörigen geführt werden und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass diese Tatbeteiligte sind. Der Gesetzgeber ist nach Ansicht des DAV gefordert, diese Grundsätze sicherzustellen.
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