Große Hoffnung auf Alzheimer-Medikament zerschlagen / Ergebnisse aus Tierversuchen nicht in Patienten bestätigt (#aducanumab, #alzheimer)
(Köln) - Aducanumab ist seit vielen Jahren ein Prestige-Produkt der Firma Biogen und galt als großer Hoffnungsträger für die Behandlung der Alzheimer-Erkrankung. Nach Jahren der Lobpreisungen wurden nun zwei globale Phase 3-Studien an Patienten abgebrochen - aufgrund mangelnder Erfolgsaussichten. Das Medikament reiht sich nun in die lange Liste der Alzheimer-Medikamente ein, die in Tierversuchen große Hoffnungen geweckt haben, bei Patienten hingegen wirkungslos verblieben. Ein häufiges Phänomen, das der Verein Ärzte gegen Tierversuche seit Jahren kritisiert.
Die Fa. Biogen mit dem Hersteller Eisai sind nicht die einzigen, die die vorgeschriebenen klinischen Studien am Menschen abgebrochen haben. Etliche weitere Pharmakonzerne wie AstraZeneca, Pfizer oder Merck haben im vergangenen Jahr Forschungsprojekte zu Alzheimer- und Demenz-Medikamenten abgebrochen, da die Wirksamkeit beim Menschen ausblieb.
"Dieser Forschungszweig ist ein gutes Beispiel dafür, dass Ergebnisse aus Tierversuchen nicht auf den Menschen übertragbar sind. Schaut man sich die "Tiermodelle" für derartige Erkrankungen an, ist das nicht verwunderlich", kritisiert Dr. rer. nat. Tamara Zietek, Wissenschaftlerin bei Ärzte gegen Tierversuche. Üblicherweise werden transgene, d.h. genmanipulierte Mäuse verwendet, die im Alter Ablagerungen im Gehirn ausbilden und deren Gedächtnisleistung vermindert ist. Um das Gedächtnis zu überprüfen, lässt man eine Maus in einem Wasserbassin schwimmen, bis sie eine Plattform, die sich knapp unter Wasseroberfläche befindet, gefunden hat. Der Test wird mehrfach wiederholt, bis die Maus sich die Position der Plattform gemerkt hat. Die transgenen Mäuse suchen länger, was als schlechte Gedächtnisleistung gewertet wird.
Es gibt mehrere Theorien zum Verlauf der Alzheimer-Erkrankung und zu möglichen Angriffspunkten für Therapien. Die Wirkung von Aducanumab basiert auf der sogenannten Beta-Amyloid-Theorie zum Ausbruch der Alzheimer-Erkrankung. Demnach sollen sich körpereigene Beta-Amyloid-Proteine zu den für Alzheimer typischen Plaques im Gehirn zusammenlagern und die Symptome so hervorrufen. Eine Reihe von Antikörper-basierten Wirkstoffen zielen darauf ab, diese Proteine im Körper frühzeitig abzufangen und die Krankheit auf diese Weise zu stoppen oder einen Ausbruch zu verhindern. Bei Mäusen hatte dies funktioniert, Aducanumab entfernte die Beta-Amyloide aus dem Gehirn. Eine Wirksamkeit beim Menschen bleibt jedoch aus. Kritiker der Amyloid-Theorie fühlen sich nun ein weiteres Mal bestätigt, dass dieser Weg der falsche Ansatz ist. Bereits 2016 gab es zu diesem Ansatz einen ähnlichen Wirkstoff (Solanezumab) des Pharmakonzerns Eli Lilly, der keine Wirksamkeit am Menschen aufwies und aufgegeben wurde. Dennoch wurde Aducanumab weiterhin als Hoffnungsträger verkauft.
Es sei sehr wahrscheinlich, dass ein solcher Wirkstoff einfach in einem sehr frühen Stadium der Alzheimer-Erkrankung verabreicht werden müsse, am besten noch bevor sich die ersten Symptome zeigten, hieß es beispielsweise von Seiten der Befürworter der Beta-Amyloid-Theorie. Biogen zögerte nicht, eine Erfolgsmeldung nach der anderen zu veröffentlichen. Auf einer Konferenz wurden die vorläufigen Ergebnisse präsentiert und die Firma sprach sogar davon, die klinische Phase 2 aufgrund der vermeintlich vielversprechenden Resultate zu überspringen. "Das war unverantwortlich und aufgrund der schwachen Datenlage viel zu übereilt", sagt Dr. Tamara Zietek. "Die Erfolgsversprechen basierten auf Tierversuchen und sehr kleinen Menschenkohorten." Auch die Verabreichung von Aducanumab in einem frühen Alzheimer-Stadium führte letztendlich nicht zum gewünschten Erfolg.
"Die Forschung zur Therapie dieser Erkrankungen ist wichtig. Man muss endlich humanbasierte Modelle für die Medikamentenentwicklung heranziehen, um die wahren Ursachen beim Menschen aufzuklären und erfolgreiche Therapien zu entwickeln. Gehirn-Organoide, die aus Zellen von Patienten gezüchtet werden, sind hierfür beispielsweise ein vielversprechender Ansatz, der unbedingt gefördert werden muss." Das würde zum einen den Tieren dienen, die in Versuchen unnötig gelitten haben und zum anderen den Patienten, denen nach dem Schüren falscher Hoffnungen nur eine weitere Enttäuschung bleibt.
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