Greenpeace fordert Importverbot für "schmutzigen" Strom
(Hamburg) - Mehrere osteuropäische Staaten wollen in Zukunft große Mengen Strom aus Atom- und Kohlekraftwerken nach Westeuropa exportieren. Zu diesem Ergebnis kommt ein Studie des unabhängigen Londoner Osteuropa-Experten Antony Froggatt, die Greenpeace heute veröffentlicht. Demnach arbeiten Länder wie Russland, Tschechien, Litauen und die Ukraine bereits an konkreten Projekten, um künftig Strom in großem Stil nach Westeuropa zu exportieren. Viele Kraftwerke in osteuropäischen Ländern sind nach dem wirtschaftlichen Zusammenbruch nicht mehr ausgelastet und verfügen somit über einen großen Stromüberschuss. Allein im letzten Jahr haben der Studie zu Folge Tschechien, Ungarn und Polen sieben mal soviel Strom an die Mitgliedsstaaten der EU verkauft wie 1996.
Auch der russische Netzbetreiber UES plant eine Reihe ehrgeiziger Exportprojekte. Eines der am weitesten entwickelten Vorhaben ist der Bau einer Stromleitung von der Region Smolensk in Russland über Polen und Litauen nach Deutschland. Das Kabel ist für 4.000 Megawatt ausgelegt. Dies entspricht der Leistung von vier großen Atomreaktoren. Deutschland würde damit an einige der gefährlichsten Atomkraftwerke der Welt angeschlossen, die RBMK-Reaktoren (Tschernobyl-Typ) in Smolensk (Russland) und Ignalina (Litauen).
"Die EU muss den Import von Strom aus unsicheren Atom- und maroden Kohlekraftwerken verbieten," erklärt Veit Bürger, Energieexperte bei Greenpeace. "Viele osteuropäische Atomreaktoren sind tickende Zeitbomben. Ohne Importverbot droht eine Überflutung des europäischen Marktes mit schmutzigem Strom."
Bereits in den nächsten Monaten soll mit dem tschechischen Atomkraftwerk Temelin ein weiter Risikoreaktor in Betrieb gehen. Bürger: "Die nicht abreißende Pannenserie zeigt in erschreckender Regelmäßigkeit, welche Gefahren von einem Reaktor wie Temelin ausgehen." In Tschechien wird auch ohne Temelin schon mehr Strom erzeugt als benötigt wird. Für die Temelin-Betreiberfirma CEZ sind Stromlieferungen ins Ausland daher besonders wichtig, um ihren Strom überhaupt loszuwerden. Einige Länder haben bereits reagiert, um Importe von "schmutzigem" Strom aus Drittstaaten zu unterbinden. In Österreich ist der Import von Strom, der aus Kraftwerken kommt, die keine westlichen Sicherheits- und Umweltstandards erfüllen, seit Juli 2000 verboten. Greenpeace fordert diesen Schritt auch von der Bundesregierung.
Inzwischen hat auch jeder Stromkunde Einfluss auf den Strommix seines Stromversorgers. In Bayern und Österreich etwa drohten mehrere hundert Kommunen dem Stromkonzern Eon - potenzieller Kunde des Stroms aus Temelin - mit der Kündigung der Stromverträge. Daraufhin gab Eon bekannt, seine Stromimporte aus Tschechien stoppen zu wollen.
Außer dem Importverbot für "schmutzigen Strom" fordert Greenpeace eine Kennzeichnungspflicht für Strom, wie sie in Österreich bereits geplant ist. Stromhändler müssen die Verbraucher darüber informieren, ob ihr Strom aus Atomkraftwerken, fossilen Kraftwerken oder Erneuerbaren Energiequellen stammt.
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