Pressemitteilung | Verband der Automobilindustrie e.V. (VDA)

Gottschalk fordert bessere Rahmenbedingungen für mittelständische Zulieferer

(Frankfurt a.M. / Offenbach) - „Die mittelständischen Unternehmen der Automobilindustrie benötigen dringend verbesserte wirtschaftliche Rahmenbedingungen, sonst gerät dieser starke Motor des Wachstums ins Stottern", betonte Prof. Dr. Bernd Gottschalk, Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), auf dem z. VDA-Mittelstandstag am 15. Mai 2002 in Offenbach vor zahlreichen Unternehmern.

Prof. Gottschalk wies auf zusätzliche Belastungen hin, die der automobile Mittelstand zu tragen habe: die Neuordnung des europaweiten Automobilhandels im Rahmen der GVO, die Auswirkungen der geplanten Lkw-Maut gerade für das Speditionsgewerbe sowie neue Finanzierungsfragen durch Basel II. Die politischen Rahmenbedingungen hätten sich vor allem für den Mittelstand in den vergangenen Jahren verschlechtert: Diese Belastungen gefährden das Umsatzwachstum und lösen keine positiven Beschäftigungsimpulse aus°, unterstrich der VDA-Präsident. Die jüngsten Neuregelungen beim Betriebsverfassungsgesetz, die Gesetze zur Arbeitszeitregelung und zu Zeitarbeitsverträgen sowie die Steuergesetzgebung hätten darüber hinaus den mittelständischen Unternehmen das Leben zusätzlich erschwert.

Gleichzeitig werde für den Mittelstand der Zugang zu Bankkrediten erschwert und verteuert. „Gerade den innovationsstarken Zulieferunternehmen dürfen bei der Finanzierung keine weiteren Knüppel zwischen die Beine geworfen werden'', sagte der VDA-Präsident. Die Finanzierung durch den Kapitalmarkt sei den meisten Zulieferern verschlossen. Bei der Kreditvergabe müssten sich Zulieferer, die übrigens mehr als 80 Prozent aller VDA-Mitgliedsfirmen stellen, mit deutlich schlechteren Zinskonditionen begnügen als ein Fahrzeughersteller, der für die Banken eine „erste Adresse“ darstelle. Weitere Kostensenkungsspielräume gebe es kaum, da die Zulieferer in den vergangenen Jahren ihre Rationalisierungsmöglichkeiten stark genutzt hätten: „Unsere Zulieferer sind rank und schlank, da lässt sich nichts mehr abspecken."

Die Übernahme zusätzlicher Aufgaben stellt die Zulieferer vor einen erhöhten Kapitalbedarf: Höhere Entwicklungsleistungen müssen erbracht, zusätzliche Investitionen für die Verbreiterung der Produktpalette getätigt werden. Der Anteil der Zulieferindustrie an den Entwicklungskosten für das Automobil wird von heute 33 Prozent auf mehr als 50 Prozent im Jahr 2010 steigen. Der Anteil der Entwicklungskosten am Umsatz liegt bereits heute bei den Zulieferern höher als bei den OEM: Während die Automobilhersteller durchschnittlich 5 Prozent des Umsatzes für die Entwicklungsaufgaben ausgeben, sind es bei Herstellern von komplexen Zuliefererzeugnissen zwischen 6,5 und 8 Prozent. Auch die Investitionsquote, die bei Automobilherstellern jährlich zwischen 5 und 6 Prozent schwankt, wird von der Teileindustrie übertroffen. Gerade bei den mittelständischen Zulieferern liegt sie mit bis zu 10 Prozent besonders hoch.

Prof. Gottschalk betonte, dass gerade der Zulieferbereich im vergangenen Jahr einen überdurchschnittlichen Beitrag zu Wachstum und Beschäftigung geleistet habe. So konnten die Hersteller von Kfz-Teilen und -Zubehör ihren Umsatz um 11,2 Prozent auf 56,8 Mrd. Eure erhöhen, während die Automobilhersteller selbst ihren Umsatz um 5,6 Prozent auf 138,5 Mrd. Eure steigerten. Die Anzahl der Beschäftigten stieg bei den Zulieferern um 3,6 Prozent

auf 309.037 Mitarbeiter, während die Beschäftigung bei den Automobilherstellern um 2,4 Prozent auf 420.922 Mitarbeiter zulegte. Damit sind mehr als 40 Prozent aller 760.000 Mitarbeiter der Automobilindustrie in Zulieferunternehmen beschäftigt.

Arndt G. Kirchhoff, Vorsitzender des VDA-Mittelstandskreises und Geschäftsführender Gesellschafter der Kirchhoff Automotive GmbH & Co KG, Attendom, sagte, dass die künftigen Veränderungen im Markt durchaus Chancen für flexible mittelständische Zulieferunternehmen böten: "Die Geschwindigkeit in den Prozessen wird ebenso zunehmen wie die Modellvielfalt." Um im Wettbewerb besser abzuschneiden, bieten die Hersteller ihren Kunden ein zunehmend breiteres Modellprogramm an („Nischenpolitik"). Dies führe zu einem erheblichen Finanzierungsbedarf bei der Entwicklung und Fertigung. Die Hersteller reagierten mit einer Verringerung der Fertigungstiefe. Auf die Zulieferer kommen somit zusätzliche Aufgaben zu. Durch weiteres Outsourcing der Hersteller wachse weltweit der Beschaffungsmarkt deutlich schneller als der Automobilmarkt.

Kirchhoff ist der Auffassung, dass die steigende Produktvielfalt bei den Herstellern künftig das sogenannte „Modulauto" erfordere, nachdem die Möglichkeiten der Plattformstrategie weitgehend ausgeschöpft seien. Aufgrund der steigenden Produktvielfalt habe sich die Zahl der Fahrzeug-Segmente von neun im Jahr 1985 auf 30 im Jahr 2000 erhöht. Das „Modular Car Concept“ umfasse in seiner einfachsten Form das Heck-, Front- und Dach-Modul sowie die Fahrgast-Zelle. Um diese neuen Herausforderungen erfolgreich bewältigen zu können, müssten sich Zulieferer verschiedener Technologien in Netzwerken und Kooperationen zusammenschließen. Überdies sei eine neue Fabrikorganisation insbesondere in Zuliefererparks notwendig, um eine Modulmontage vor den Werkstoren zu ermöglichen. Mit dieser Fabrikorganisation könnten die Teilevielfalt in der Endmontage reduziert und die Durchlaufzeiten verkürzt werden.

Rolf Zimmermann, Vorsitzender des Vorstandes der Ford-Werke AG, Köln, erläuterte den Konsolidierungsprozess bei den Automobilherstellern: „Während es im Jahr 1990 noch mehr als 20 OEM weltweit gab, hat sich diese Zahl bis heute auf rund 15 reduziert. Im Jahr 2010 werden nach unserer Einschätzung nur noch sechs bis neun Automobilkonzerne weltweit operieren." Dabei sei die globale Ausrichtung der Hersteller deutlich zu erkennen. Die zunehmende Komplexität des Automobils führe zu höheren Kosten, die Jedoch aufgrund des harten internationalen Wettbewerbs nicht über die Preise an die Kunden weitergegeben werden könnten. Daher ergreifen die OEM verschiedene Maßnahmen, um den Kostenanstieg auszugleichen; Outsourcing und Reduzierung der Fixkosten, Optimierung der Zulieferkette, Plattform- und Gleichteilestrategie sowie eine flexible Fertigung gehören dazu. In der Wirkung würde damit ein Großteil der Kostenlast auf die Zulieferunternehmen verlagert. Diese zunehmende Komplexität erfordere auf Zulieferseite eine jeweilige Konsolidierung auf allen Stufen der Wertschöpfungskette bis hin zu sogenannten "Mega-Suppliern", Die Herausforderungen für den Mittelstand würden dadurch ebenfalls zunehmen- „Wenn wir die Veränderung des Käuferverhaltens am Beispiel der Mikro-Segmentierung im Ford-Konzern untersuchen - also die Variationsmöglichkeiten bei den Marken, Produkten, den Karosserien, Modellen und der Ausstattung -,dann ergeben sich allein für den Ford Focus Turnier Futura rund eine Million Optionen." In der Konsequenz führe dies zur Gleichteile- und Plattformstrategie, um kleinere Serien kostendeckend fertigen zu können. "Das Outsourcing wird weitergehen, wovon auch der Mittelstand profitieren wird", zeigte sich der Ford Vorstandsvorsitzende überzeugt. Flexibilität, Innovationsbestreben und Kundenorientierung gehören schon heute zu den Trümpfen des Mittelstandes - unerlässliche Erfolgsfaktoren für die Zukunft werden darüber hinaus gemeinsame Einkaufs- und Logistikketten sowie standardisierte Computersysteme sein."

Quelle und Kontaktadresse:
Verband der Automobilindustrie e.V. (VDA) Westendstr. 61 60325 Frankfurt Telefon: 069/975070 Telefax: 069/97507261

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