Gnisa: "Vertreter der Exekutive haben sich indiskutabel verhalten!" / Der Fall Wetzlar hat das Vertrauen in den Rechtsstaat empfindlich gestört
(Berlin) - Der Deutsche Richterbund hat scharfe Kritik am Verhalten der Stadt Wetzlar geübt, die sich einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes widersetzt hat. "Die Vertreter der Exekutive rund um Oberbürgermeister, Landrat und Regierungspräsidium haben sich indiskutabel verhalten", sagte der Vorsitzende des Deutschen Richterbundes, Jens Gnisa, am Montag in Berlin. "Wenn dieses Verhalten Schule macht, dann wird unserer Rechtsordnung eine tragende Säule entzogen: die Akzeptanz von Gerichtsentscheidungen. Im rechtsstaatlichen System gilt die Herrschaft des Rechts. Über die Auslegung des Rechts haben letztverbindlich die Gerichte zu entscheiden. Wer dies nicht akzeptiert, verstößt gegen die Grundlagen unseres Staatswesens und setzt eine gefährliche Entwicklung in Gang."
Gnisa betonte: "Wer diese Leitplanken des Zusammenspiels von Judikative und Exekutive durchbricht - möge die Absicht dahinter noch so verständlich sein -, der ersetzt das Recht durch Willkür. Dieses Handeln ist keine Zivilcourage, sondern eine bewusste Schädigung von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie." Die Stadt Wetzlar ist als vollziehende Gewalt an Recht und Gesetz gebunden. Im demokratischen Rechtsstaat obliegt die verbindliche Auslegung von Recht und Gesetz den unabhängigen Gerichten. Sowohl die Gesetzesbindung der Verwaltung wie auch die Gewaltenteilung sind tragende Grundprinzipien der rechtsstaatlichen Grundordnung, die auf keinen Fall - und seien die Zwecke politisch auch noch so verständlich - missachtet werden dürfen, um das Vertrauen in das Funktionieren des Rechtsstaates nicht zu beschädigen.
Die Stadt Wetzlar hatte über alle Instanzen hinweg über die Vermietung der Stadthalle an die NPD gestritten. Schließlich entschied das Bundesverfassungs-gericht, die Halle sei zu vermieten. Wetzlar befolgte den Beschluss des höchsten deutschen Gerichts nicht. Der Landrat des Lahn-Dill-Kreises äußerte sich Medienberichten zufolge abfällig über die Richter ("Der Problembär sitzt in Karlsruhe.") und empfahl ihnen mehr Aus- und Weiterbildung. Auch das Regierungspräsidium Gießen gab der Stadt Wetzlar Rückendeckung, indem es den Verstoß nicht als absichtlich einordnete.
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