Gnisa: "Erstes positives Zeichen nach einer Kette von Rückschlägen" / Druck auf türkische Justiz ist nach wie vor gewaltig
(Berlin/Istanbul) - "Peter Steudtners Haftentlassung ist ein erstes ermutigendes Zeichen nach einer Kette von Rückschlägen", sagte Jens Gnisa, Vorsitzender des Deutschen Richterbundes, am Donnerstag in Berlin. "Wer in der Türkei inhaftiert wurde und vor Gericht steht, dem droht letztlich, der Willkür der Richter ausgesetzt zu sein."
Gnisa sagte: "Dieser Fall darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass andere Deutsche noch inhaftiert sind. So wartet der Welt-Korrespondent Deniz Yücel seit acht Monaten auf eine Anklageschrift." Auch zahlreiche Richter und Staatsanwälte sind des Amtes enthoben und sitzen im Gefängnis. "Dagegen muss Deutschland und die Europäische Union mit starker Hand entschieden vorgehen."
"Nachdem tausende Richter und Staatsanwälte entlassen, inhaftiert und in der Regel durch regierungsnahe Juristen ersetzt worden sind, ist der politische Druck auf die türkische Justiz gewaltig. Wer es riskiert, sich gegen die Erwartungen Erdogans zu stellen, muss um Beruf, Freiheit und die wirtschaftliche Existenz seiner Familien fürchten. Viele wegen angeblicher Nähe zur Gülen-Bewegung entlassene Richter und ihre Familien befinden sich heute in großer Not. Sie sind stigmatisiert und finden auch außerhalb der Justiz kaum noch Arbeit", sagte Gnisa.
Steudtner war mit weiteren Menschenrechtlern im Juli bei einem Workshop auf der Insel Büyükada bei Istanbul unter Terrorverdacht festgenommen worden. Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan rückte Steudtner in die Nähe von Putschisten, woraufhin ein Istanbuler Gericht Untersuchungshaft gegen ihn verhängte. Die Staatsanwaltschaft warf Steudtner und den zehn weiteren Angeklagten Mitgliedschaft in einer bewaffneten Terrororganisation beziehungsweise Unterstützung von bewaffneten Terrororganisationen vor. Ein Gericht in Istanbul hatte in der Nacht zu Donnerstag überraschend die Freilassung Steudtners beschlossen.
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