GKV-Modernisierungsgesetz: Cancen und Risiken zwischen Wettbewerb und Überregulierung / Der BMC unterzog den Reformkonsens einer mehrdimensionalen Analyse
(Berlin) - Wenige Tage vor der letzten Lesung im Bundestag hat der Bundesverband Managed Care (BMC) das GKV-Modernisierungsgesetz (GMG) einer ersten mehrdimensionalen Analyse aus der Perspektive unterschiedlicher Akteure im Gesundheitswesen unterzogen. Unter der Leitung von Frau Professor Gisela Fischer, Mitglied im Sachverständigenrat und im wissenschaftlichen Beirat des BMC, wurde der Gesetzestext aus verschiedenen Blickwinkeln kritisch beleuchtet.
Christoph Nachtigäller, Geschäftsführer der Bundesarbeitsgemeinschaft Hilfe für Behinderte, bescheinigte dem Gesetzentwurf zu wenig echte Reformen und eine überproportionale Belastung der Versicherten, insbesondere der chronisch kranken und behinderten Menschen. Auch werde erst die Praxis zeigen, ob es sich bei den Beteiligungsmöglichkeiten für Versicherte und Patienten nicht eher um Feigenblattangebote handle. Insgesamt werde mit dem GKV-Modernisierungsgesetz der Ausstieg aus der solidarischen, paritätisch finanzierten Krankenversicherung eingeläutet.
Ralf Sjuts, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Deutschen BKK und seit kurzem Vorstandsmitglied des BMC, zeigte Möglichkeiten für zukünftige, breit gefächerte Versicherungsangebote, zu denen die geplante Gesetzgebung mit ihren Bonus-, Vertrags- und Selbstbehaltoptionen erste Schritte eröffnet. Das GMG werde den Beitragssatz und damit die Lohnnebenkosten senken. Einige Elemente individueller Beitragsentlastung - z.B. Hausarztmodell, Bonusregelungen - seien aber in ihrer Wirkung umstritten. In den Nischen des Systems, nämlich Versorgungszentren und Integrierter Versorgung, entstehe etwas mehr Vertragsflexibilität. "Die Deutsche BKK wird - wenn es betriebswirtschaftlich Sinn macht diese Möglichkeiten ausreizen", so Sjuts. Das GMG sei aber insgesamt ein "Zwitter der Unentschlossenheit zwischen Wettbewerb und Patronage". Es beseitige zu wenig Ineffizienzen im System.
Manfred Richter-Reichhelm, Vorstands vorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, forderte dazu auf, die gegebenen Wettbewerbsmöglichkeiten aktiv und offensiv zu nutzen. Er sehe deshalb im Gesetz nicht nur Risiken, sondern durchaus auch gute Chancen für Vertragärzte. Das GMG setze Anreize für Vertragsärzte, Krankenhäuser und Krankenkassen, unternehmerische Spielräume zu nutzen. Über Erfolg oder Misserfolg neuer Anbieter- und Versorgungsstrukturen würden letztlich die Patienten entscheiden.
Helmut Hildebrandt, Geschäftsführer der Hildebrandt GesundheitsConsult GmbH, begrüßte die Verbesserung der Regelungen zur Integrierten Versorgung, insbesondere durch die Beseitigung juristischer Barrieren und ökonomische Hemmnisse. Er bezeichnete die "1%-Regelung", nach der ein Prozent der Gesamtvergütungen und Krankenhausrechnungen für die Förderung der Integrierten Versorgung verwendet werden soll, als ein "Fast-Meisterstück fernöstlicher Kampftechnik" durch Ansprache der Interessen der Beteiligten. Gleichzeitig wies er in diesem Zusammenhang auf die viel zu kurze 3-Jahres-Frist hin, die für eine echte Refinanzierung von Investitionen nicht ausreiche, aber zu 3-Jahres-Verträgen verführen könnte. Außerdem bemängelte Hildebrandt hinderliche
Datenschutzregelungen.
Marcel Mangen, Geschäftsführer von JanssenCilag, bilanzierte: "Die Modernisierung des Systems wurde verfehlt. Die Finanzierungsprobleme bleiben. Die forschende Pharmaindustrie wird "abkassiert" statt ihre Wirtschaftskraft zu mobilisieren. Die Patienten werden bevormundet statt ihre Autonomie zu stärken." Positiv bewerte Mangen indessen die Preisabstandsklausel für Parallelimporte sowie aus dem Blickwinkel eines forschenden Pharmaunternehmens die Herausnahme nichtverschreibungspflichtiger Arzneimittel aus der Verordnungsfähigkeit. Auch werde man sich seitens seines Unternehmens einer wissenschaftlichen Nutzenbewertung von Arzneimitteln stellen.
Carsten Clausen, Leiter Gesundheitswesen bei Fresenius Kabi Deutschland GmbH, erwartet wegen der bundesweiten Preisfestsetzung für Medizinprodukte und der unrealistischen Zuzahlungsregelungen das Risiko sinkender Produktqualität. Er bemängelte die unklaren Ausschreibungsregelungen und die Überregulierung des Marktes. Positive Aspekte konnte er der Informationspflicht der Krankenkassen abgewinnen.
Georg Westphal, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Deutscher Privatkrankenanstalten, sieht in der Öffnung der Krankenhäuser für die ambulante Versorgung Chancen. Bei den Medizinischen Versorgungszentren müsse gewährleistet sein, dass die Zulassung nicht von einzelnen Leistungsbereichen blockiert werden kann.
Die Vertreterin der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände, Emmi Janitzki, erklärte stellvertretend für ihren Vizepräsidenten Heinz-Günter Wolf, die Regelungen zum Mehrbesitz und zum Versandhandel seien eine Gefahr für freiberufliche Strukturen und wies dabei auf mögliche Qualitätsverluste hin. Die Novellierung der Arzneimittelpreisverordnung bewertete sie hingegen positiv, da dadurch die heilberufliche Komponente der Apotheken gestärkt wird. Durch die Ausgliederung der nichtverschreibungspflichtigen Arzneimittel würde die Selbstmedikation einen höheren Stellenwert bekommen. Die daraus entstehenden wirtschaftlichen Folgen für Apotheken seien aber schwer abschätzbar.
Eine wirkliche Strukturreform zugunsten des mündigen, eigenverantwortlichen Bürgers sei nur unzureichend gelungen, erklärte der Vorstandsvorsitzende des BMC, Klaus Meyer-Lutterloh, bei seiner abschließenden Beurteilung. Die Schritte in diese Richtung seien viel zu zaghaft. Enttäuscht zeigte sich Meyer-Lutterloh auch von der schmalen Basis zur Bewertung der Qualität im Gesundheitswesen. Ohne die Hinzuziehung der Pflege und der Patienten sei kaum ein klares Bild von der Qualität der gesundheitlichen Versorgung zu bekommen. "Insgesamt", so der BMC-Chef, "bestätigt der Entwurf aber unsere Erwartung, dass reine Partialinteressen mehr und mehr an Bedeutung verlieren und fach- und sektorenübergreifenden Kooperationen Platz machen werden."
Eine Dokumentation der Veranstaltung auf CD kann beim Bundesverband Managed Care e.V. gegen eine Schutzgebühr von 25 Euro angefordert werden.
Der Bundesverband Managed Care e.V. (BMC) - gegründet 1997 - ist der erste bundesweite pluralistische Verband für integrative fach- und sektorenübergreifende Kooperationen im Gesundheitswesen. Er versteht sich als Forum für zukunftsfähige, qualitätsgesicherte und patientenorientierte Konzepte. Er fördert in diesem Zusammenhang die Kontakte seiner Mitglieder untereinander sowie mit Partnern im deutschen und europäischen Gesundheitsmarkt. Seine Mitglieder repräsentieren nahezu die gesamte Bandbreite aller Akteure des Gesundheitswesens. Das sind Krankenhäuser, Heilberufe, Apotheken, Pharma- und Medizintechnikindustrie, Beratungs- und Dienstleistungsunternehmen, Krankenkassen, ärztliche Körperschaften, IT-Anbieter, Banken und andere Institutionen.
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