Gigabitstrategie des Bundes: Größtes Potential für Beschleunigung des Glasfaserausbaus bleibt ungenutzt
(Berlin) - Gestern hat die Bundesregierung mit der Gigabitstrategie ihren Plan für den weiteren Ausbau der digitalen Infrastruktur in Deutschland vorgelegt. Auch wenn das Strategiepapier geeignete Ansätze für einen schnelleren Glasfaserausbau enthält, verpasst die Bundesregierung die Chance, den Glasfaserausbau durch eine sinnvolle Ausgestaltung der staatlichen Förderung an die aktuelle Marktdynamik anzupassen und dadurch zu beschleunigen.
Die Gigabitstrategie enthält insgesamt 98 Einzelmaßnahmen, die in den nächsten Monaten und Jahren zu einer Beschleunigung des Glasfaser- und Mobilfunkausbaus beitragen sollen. Trotz dieser hohen Zahl an Maßnahmen und einiger guter Ansätze bleibt das Papier jedoch nach Einschätzung von Norbert Westfal, Präsident des Bundesverbands Breitbandkommunikation (BREKO) und Sprecher der Geschäftsführung bei EWE Tel, insgesamt hinter den Erwartungen zurück. "Dass die Bundesregierung trotz aktueller Krisen und damit verbundener politischer Herausforderungen heute ihre Gigabitstrategie veröffentlicht hat, ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zum flächendeckenden Glasfaserausbau. Insgesamt ist der Plan allerdings noch nicht ausreichend, um die sehr ambitionierten Ausbauziele zu erreichen. Ohne eine schnelle Konkretisierung wichtiger Bereiche, wie der Beschleunigung von Genehmigungsverfahren, dem stärkeren Einsatz alternativer Verlegemethoden und einer grundlegenden Anpassung der staatlichen Förderung, wird der Ausbau länger dauern als geplant."
"Weiter so" bei Glasfaserförderung gefährdet Investitionen und Ausbauziele
Besonders kritisch bewertet der BREKO die geplanten Regelungen zur künftigen staatlichen Förderung des Glasfaserausbaus: "Mit der fehlenden Neuausrichtung der staatlichen Förderung lässt die Bundesregierung eines der größten Potentiale für die Beschleunigung des Glasfaserausbaus ungenutzt. Statt einer klaren Priorisierung wirklich bedürftiger Gebiete werden auf Druck von Bundesländern und dem Deutschem Landkreistag ab Januar 2023 die Schleusen für möglichst umfangreiche Fördermaßnahmen geöffnet und gleichzeitig der immense Investitionswille der Telekommunikationsbranche ignoriert. Außerdem fehlen klare, vorab festgelegte Regeln für die in der Gigabitstrategie vorgesehene Evaluierung der Förderpraxis. Wenn der Bund nicht von Anfang an festlegt, wann ein 'gebotenes Maß' an Markterkundungs- und Förderverfahren in den einzelnen Bundesländern überschritten ist, kann auch keine sinnvolle Korrektur von Fehlentwicklungen vorgenommen werden. Ein Spiel ohne Regeln endet im Chaos. Ähnliches darf man für die zukünftige Glasfaserförderung erwarten" sagt BREKO-Geschäftsführer Dr. Stephan Albers.
Er prognostiziert daher wenig optimistisch: "Es ist abzusehen, dass viele Bundesländer mit Start des neuen Förderprogramms eine Vielzahl an Markterkundungs- und Förderverfahren starten werden. Die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen eindeutig, dass die Umsetzung von geförderten Ausbauprojekten zwei bis dreimal so lange dauert wie im eigenwirtschaftlichen Ausbau. Deshalb bremst eine deutliche Ausweitung der Förderung ohne Priorisierung auf Regionen ohne eigenwirtschaftliche Ausbauperspektive den Glasfaserausbau aus. Zusätzlich werden Steuermittel verschwendet und die Kosten für den gesamten Ausbau in die Höhe getrieben, wenn ohnehin schon knappe Ressourcen wie Fachkräfte und Tiefbaukapazitäten über Jahre in langwierigen Förderprojekten gebunden sind. Eine Entwicklung, die man mit einem langfristig angelegten Förderkonzept mit klaren Regeln verhindern könnte."
Dies ist umso bedauerlicher, da die Telekommunikationsbranche in den letzten Monaten mehrfach pragmatische Vorschläge vorgelegt hat, wie ein Förderkonzept aussehen könnte, das die Glasfaserförderung auf Basis objektiver Kriterien sinnvoll begrenzt, um die zugesagten Privatinvestitionen von 50 Milliarden Euro in den nächsten Jahren nicht zu verdrängen.
Beschleunigung der Genehmigungsverfahren schnell konkretisieren und umsetzen
Zu Recht betont die Bundesregierung die Bedeutung und Dringlichkeit der Vereinfachung und Digitalisierung von Genehmigungsverfahren für die Beschleunigung des Glasfaser- und Mobilfunkausbaus. Die Umsetzung dieses Bereichs liegt jedoch mehrheitlich bei Bundesländern und Kommunen. Diese stehen jetzt in der Verantwortung und müssen sich daran messen lassen, ob sie hier in den kommenden Monaten, wie beispielsweise bei der flächendeckenden Umsetzung des Breitbandportals im Rahmen des Onlinezugangsgesetzes (OZG), in der Ausbaupraxis spürbare Fortschritte erreichen.
Ebenfalls zu begrüßen ist das Bekenntnis der Bundesregierung zum verstärkten Einsatz alternativer Verlegemethoden. Doch auch hier müssen sehr schnell Taten folgen: Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) muss auf einen zeitnahen Abschluss der laufenden DIN-Normierung hinwirken und dabei darauf drängen, dass diese Norm auch tatsächlich zu einem deutlich erweiterten Einsatz alternativer Verlegemethoden führt - was Teile der Bauindustrie augenscheinlich verhindern wollen. Neben der Normierung könnte auch die Einrichtung eines Haftungsfonds für nicht von der Gewährleistung abgedeckte Folgeschäden helfen, noch bestehende Vorbehalte in den Kommunen abzubauen. Diese Möglichkeit ist in der finalen Fassung der Gigabitstrategie, anders als im Entwurf, allerdings nur noch als Prüfpunkt enthalten.
Ein dritter positiv zu bewertender Abschnitt der Gigabitstrategie betrifft den Fachkräftemangel: Fachkräfte fehlen nicht nur im Kabelleitungstiefbau, sondern auch in allen anderen Bereichen des Glasfaserausbaus wie der Gebäudeverkabelung sowie der Antragsbearbeitung auf Seiten der Kommunen. Deshalb begrüßt der BREKO die geplante Entwicklung eines "Gesamtkonzepts zur Fachkräftegewinnung" und weitere Initiativen zur Verbesserung der aktuellen Situation. Wichtig ist, dass das Thema ganzheitlich und unter Federführung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales angegangen wird. Der Verband engagiert sich bereits in der Initiative "Fachkräfte für den Glasfaserausbau", ist jedoch der Auffassung, dass weitere, darüberhinausgehende Maßnahmen notwendig sind, bei denen der Verband sich ebenfalls aktiv einbringen wird.
Alle Beteiligten an einen Tisch, um Glasfaserausbau voranzutreiben
Zur zukünftigen Gestaltung der Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern, Kommunen und Telekommunikationsbranche enthält die Gigabitstrategie sowohl Licht als auch Schatten: Einerseits betont die Bundesregierung die Intention, alle am Glasfaserausbau beteiligten Akteure einzubeziehen, um die bestehende Ausbauhürden abzubauen. Andererseits setzt die Bundesregierung offensichtlich weiter auf parallele Dialogformate zwischen Bund, Ländern und Kommunen auf der einen Seite und Bund und Branche auf der anderen. Um schnell echte Fortschritte zu erzielen, wäre es jedoch wichtig, ein gemeinsames Austauschformat zu schaffen und alle Beteiligten regelmäßig an einen Tisch zu holen, um gemeinsam daran zu arbeiten, den Glasfaserausbau schnellstmöglich zu den Bürgerinnen, Bürgern und Unternehmen zu bringen.
Obwohl das Fazit des BREKO zur Gigabitstrategie in Summe ernüchternd ausfällt, sieht BREKO-Geschäftsführer Albers Potenzial in der praktischen Umsetzung: "Die Gigabitstrategie ist das Papier, auf dem sie steht, nur dann wert, wenn die Politik in ihrer Umsetzung schnell Wege findet, die Telekommunikationsbranche zu einem schnellen Ausbau zu befähigen. Bund, Länder und Kommunen müssen zusammenarbeiten, um unnötige Bürokratie endlich zu beerdigen, Genehmigungsverfahren digital und effizient abzuwickeln, den Weg für alternative Verlegemethoden freizumachen und vor allem dem deutlich schnelleren eigenwirtschaftlichen Ausbau Vorrang einzuräumen. In diesen Veränderungen steckt das Potential, die Zeit bis zum Abschluss des flächendeckenden Glasfaserausbaus zu verkürzen, um auch in Sachen Digitalisierung und dabei insbesondere in den Bereichen Nachhaltigkeit und Klimaschutz schnell neue Möglichkeiten zu schaffen."
Quelle und Kontaktadresse:
Bundesverband Breitbandkommunikation e.V. (BREKO)
Annika Sasse-Röth, Pressesprecherin
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