Pressemitteilung |

Gesundheitliches Risiko beim Betrieb von Radareinrichtungen in der Bundeswehr

(Bonn) - Zur Diskussion um das o.a. Thema, das seit Tagen die Medien und die Soldaten der Bundeswehr und ihre Angehörigen beschäftigt, ergibt sich nach bisheriger Recherche für den BundeswehrVerband folgender Sachstand:

Das Bundesverteidigungsministerium beauftragte 1996 die Privatuniversität Witten/Herdecke mit einem Gutachten über "Gesundheitliches Risiko beim Betrieb von Radareinrichtungen in der Bundeswehr".

Dieses Gutachten wurde von Professor Dr. med. Eduard David erstellt und bereits Anfang des letzten Jahres dem BMVg vorgelegt. Von der Fertigstellung des Gutachtens - das uns inzwischen vorliegt - hat der DBwV erst am 12. Januar 2001 erfahren. Zu untersuchen war ein Kausalzusammenhang zwischen den Krebserkrankungen bei Radarmechanikern und den Belastungen durch von Radargeräte ausgehenden Röntgen- und Hochfrequenzstrahlen. Erfasst wurden 99 erkrankte Radarmechaniker. Die untersuchten Soldaten, zumeist mit früheren Verwendungen in Norddeutschland, entstammen einer vom DBwV schon seit vielen Jahren unterstützten Eigeninitiative von erkrankten Radarmechanikern.

In den letzten 30 Jahren - so das Universitätsgutachten - waren etwa 900 bis 1000 qualifizierte Radarmechaniker bei der Bundeswehr beschäftigt. Die meisten der erfassten Radarmechaniker sind Berufssoldaten älteren Jahrgangs (1940 bis 1948), 24 Soldaten sind bereits gestorben. Das durchschnittliche Sterbealter betrug 40 Jahre. 46 Prozent der Verstorbenen hatten eine Krebserkrankung des blutbildenden Systems. An Erkrankungen wurden des weiteren angegeben Hodenkrebs, Hirntumor, Rückenmarkkrebs, Lymphdrüsenkrebs, Darmkrebs, Hautkrebs, Augen- und Nierenerkrankungen, Zeugungsunfähigkeit, vegetative Dystonie und Immunschwäche.

Die Geschädigten waren überwiegend Soldaten, die zum Wartungs-, Instandsetzungs- oder Einstellungspersonal der Hawk- und Nike-Systeme gehörten. Erfasst sind aber auch Soldaten, die am Starfighter (Feuerleitradar) und an Radargeräten der Flugsicherung (ASR) gearbeitet haben.

Es kann mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass die gesetzlich festgelegten Sicherheitsgrenzwerte für ionisierte Strahlung und auch gepulster Hochfrequenzstrahlung überschritten und Sicherheitsvorkehrungen nicht getroffen wurden. Damit sind die Sicherheitsvorkehrungen gemeint, die die Bundeswehr hätte treffen müssen. Bis 1990 geschah dazu nur wenig. Bei defekten Geräten war die Strahlung noch stärker. Die Radarmechaniker hatten keine Kenntnis davon, dass sie nicht nur durch Hochfrequenzstrahlung gefährdet waren, sondern vor allem durch Röntgenstrahlung (ionisierte Strahlung). Die Intensität dieser Strahlung ist vergleichbar mit der Belastung durch tägliches Röntgen. Bei der Röntgenstrahlung handelt es sich um sogenannte Störstrahlen, für die nach der Strahlenschutzverordnung eine Betriebsgenehmigung vorgeschrieben ist. Die wurde von der Bundeswehr jedoch nicht eingeholt. Das hatte das Fehlen von Schutzvorschriften zur Folge und das die Radarmechaniker den Strahlen schutzlos ausgeliefert waren. Aus vorliegenden Unterlagen ist ersichtlich, dass die erhöhte Röntgenstrahlung an Radargeräten der Bundeswehr bereits 1958 bekannt war. Das BMVg wurde von deutschen Marinesoldaten darauf bereits 1970 hingewiesen. Heer und Luftwaffe wurden davon in Kenntnis gesetzt.

Weiterhin ist bekannt, dass mit einem Bundeswehr internen Schreiben 1981 von zuständiger Stelle dringend Abschirmmaßnahmen empfohlen wurden, mit denen man ernsthaft erst 1989 begann.

In den 60er bis 80er Jahren sind auch Dutzende belgische und niederländische Soldaten die am Hawk-System eingesetzt waren, verstrahlt worden. Das wusste die NATO, erklärt sich aber zur Zeit gegenteilig. Die belgischen und niederländischen Soldaten verlangten von der NATO vergebens eine Untersuchung und sie wollten Schadensersatzklagen anstrengen.

Noch heute sind einschlägige Verfahren von deutschen Soldaten anhängig. Nach wie vor wird seitens des BMVg ein Zusammenhang zwischen Krebserkrankungen und der Verwendung als Radarmechaniker trotz positiver Gutachten vor den Sozialgerichten bestritten. Soldaten, die in der ersten Instanz obsiegten, befinden sich nun mit ihrem Anspruch auf Anerkennung auf WDB und Beschädigtenversorgung vor den Landessozialgerichten, weil die Bundesrepublik Deutschland Berufung einlegte. Man berief sich dabei auf Gutachter von denen bekannt war, so der Vorwurf der geschädigten Soldaten, dass sie im Sinne des BMVg begutachten. Neben vier anderen Fällen ist von einem noch aktiven Luftwaffensoldaten (DBwV-Mitglied) bekannt, dass die WDB - vom Sanitätsamt nur zögerlich - ohne Gerichtsverfahren anerkannt wurde. Er war an der Feuerleitradaranlage der F104 tätig und Radarstrahlen derart intensiv ausgesetzt, dass ein Zelltumor entstand, was 1990 zur Amputation eines Armes führte. Die Bundeswehr bestritt gegenüber der Öffentlichkeit und den Medien den Fall.

Der Deutsche BundeswehrVerband hat sich erstmals 1985 mit der Materie befasst und einem strahlengeschädigten FlaRak-Soldaten Rechtsschutz gewährt, weil seine Erkrankungen nicht auf die Tätigkeit als Radarmechaniker zurückgeführt wurden. Bei diesem Soldaten handelt es sich um einen jetzt pensionierten Hauptfeldwebel aus Delmenhorst, der 1990 den Verband erfolgreich um einen Aufruf in der Verbandszeitschrift bat. Daraufhin meldeten sich bei ihm viele Betroffene, die für eine Fragebogenaktion einer Hamburger Physikerin Gesundheitsunterlagen zur Verfügung stellten. Aufgrund des Hinweises in der Verbandszeitschrift kam es am 18.09.1990 zu einer sehr guten Monitor-Sendung - "Tod durch Radar - ungenügender Strahlenschutz bei der Bundeswehr" - die dazu führte, dass sich weitere Soldaten meldeten. Den einschlägigen Rechtsschutzanträgen wird seitdem entsprochen. Die Verfahren wurden beobachtet und über einen Erfolg in der ersten Instanz in der Verbandszeitschrift 1993 berichtet. Erneut Bewegung in die Angelegenheit kam, als sich der Sohn eines Mitgliedes meldete, dessen Vater Radarstrahlen ausgesetzt war und der an einer Krebserkrankung verstarb. Der Fall wurde vom Spiegel, unter Einschaltung des DBwV, 1996 aufgegriffen. Eine weitere Initiative gibt es seitdem in Süddeutschland mit 15 ehemaligen Bundeswehrsoldaten.

Die genannten Initiativen und Verfahren führten zu der Studie der Privatuniversität Witten/Herdecke, die schließlich vom BMVg in Auftrag gegeben wurde. Dabei unterließ man es, der Universität entsprechende Daten mitzuteilen. Es waren die Soldaten, die sich den Initiativen angeschlossen hatten, die ihre Daten zur Verfügung stellten und somit zum Zustandekommen der Studie beitrugen.

Die jüngsten Erklärungen des Bundesvorsitzenden haben dazu geführt, dass sich nicht nur Journalisten, sondern auch viele Betroffene und Hinterbliebene beim Verband melden und von ihren Krankheiten und ergebnislosen Prozessen berichten. Die geschilderten Fälle sind zum Teil erschütternd.

Erste Meldungen aus dem BMVg lassen hoffen, dass ein Kausalzusammenhang zwischen Krebserkrankungen und Radarmechanikerverwendungen zugunsten der Geschädigten zukünftig angenommen werden wird. Damit wäre ein Ziel des DBwV erreicht. Eine weitere Folge muss sein, dass zukünftig schon bei der Vermutung potentieller Gefahren sofort Informationen an die Truppe weitergegeben und Vorkehrungen und Schutzmaßnahmen getroffen werden. Insoweit gibt es eine Parallelität zu den Gefahren bezüglich der DU-Munition.

Zu dem Radarsyndrom und der DU-Munition wurde vom BMVg eine Hotline unter der Nummer 0261/8962909 eingerichtet. Wenn mal jemand ans Telefon geht, macht der Anrufer die Erfahrung, dass für ihn die Hinweise wenig hilfreich sind. Radarstrahlengeschädigte ehemalige Soldaten oder deren Hinterbliebene sollte ein Kontakt mit dem Versorgungsamt empfohlen werden. Die Versorgungsämter sind jedoch vom BMVg bislang noch nicht informiert worden. Weitere aktuelle Informationen zu den Radarstrahlen und der DU-Munition sind im Internet unter www.m-ww.de zu finden.

Quelle und Kontaktadresse:
Deutscher Bundeswehr-Verband e.V. (DBwV) Südstr. 123 53175 Bonn Telefon: 0228/38230 Telefax: 0228/3823220

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