Gesetzliche Krankenkasse: Kündigungsrecht bei Kassenfusionen rechtlich absichern / Urteile bestätigen Rechtsauffassung des vzbv / Gesetzliche Verankerung der Kündigungsrechte bei Kassenfusionen gefordert
(Berlin) - Versicherte können ihre Krankenkasse kündigen, wenn der Beitragssatz im Zuge einer Kassenfusion erhöht wurde. Dies haben das Sozialgericht Stuttgart und das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt in zwei voneinander unabhängigen Fällen inzwischen rechtskräftig entschieden. "Die Urteile sind positiv für die Verbraucher und eindeutige Signale an die Krankenkassen", so Thomas Isenberg, Fachbereichsleiter beim Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv). Da sie jedoch nicht automatisch auf vergleichbare Fälle übertragen werden könnten, sei der Gesetzgeber gefordert, die Frage der Kündigungsrechte bei der Nachbesserung der Gesundheitsreform gesetzlich zu verankern.
In einem aktuellen Fall hatte gestern die BKK-Taunus, lange Zeit eine der Kassen mit den niedrigsten Beitragssätzen, ihre Fusion mit der regionalen BKK Braunschweig und zugleich eine Erhöhung des Beitragssatzes um ein Prozent angekündigt. Ob die Mitglieder der BKK Taunus (Mitgliederzuwachs allein im letzten Jahr 660.000) nun ihre Mitgliedschaft infolge der Beitragserhöhung kündigen können, ist angesichts der ungeklärten Rechtslage bei Fusionen indes offen. Das für die Krankenkassenaufsicht zuständige Bundesversicherungsamt hat jüngst seine Rechtsauffassung bekräftigt, wonach Fusionen kein Sonderkündigungsrecht begründen. Anders sahen dies die Richter des Sozialgerichts Stuttgart und des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt, deren Urteile wegweisenden Charakter haben könnten.
In einem Fall hatte ein Versicherter gegen die BKK Gildemeister/Seidensticker geklagt, die im August 2003 mit der BKK Zeppelin fusionierte. Mit der Fusion wurde der Beitragssatz von 12,3 auf 12,9 Prozent heraufgesetzt. Die fristgemäße Kündigung des Versicherten wurde von der Kasse abgewiesen. Deren Begründung: Mit der Schließung beider Krankenkassen seien auch deren Beitragssätze außer Kraft getreten, eine Erhöhung hätte somit nicht vorgelegen. Das Sozialgericht Stuttgart urteilte anders und argumentiert, dass die aus der Fusion hervorgegangene Kasse in die Rechte und Pflichten der alten Kassen eintritt. Der Versicherte solle keine Rechte verlieren und nicht schlechter gestellt werden als vorher.
Ähnlich auch der Fall vor dem Landgericht Sachsen-Anhalt, in dem drei Versicherte und deren Arbeitgeber gegen die AOK Sachsen-Anhalt geklagt hatten. Die Kasse war im Jahr 1998 aus der Fusion der AOK Magdeburg und der AOK Halle hervorgegangen. Der Beitragssatz der neuen Kasse wurde auf 14,4 Prozent festgesetzt, 0,3 Prozentpunkte über dem Betragssatz der AOK Magdeburg, 0,5 Punkte über dem der AOK Halle. Auch hier vertrat die Kasse die Auffassung, dass es wegen der neu entstandenen Krankenkasse kein Sonderkündigungsrecht gebe. Hingegen wies das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt in seiner Begründung darauf hin, dass die neue Kasse in die Rechte und Pflichten der alten Kassen eintritt und somit auch die Mitgliedschaften einschließlich noch offener Beitragsforderungen und Leistungspflichten übernommen werden müssten.
(Urteil Sozialgericht Stuttgart, 28.10.2003, Az: S 4 KR 5695/03, rechtskräftig
Urteil Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, 16.12.2003, Az: L 4 KR 33/00, rechtskräftig)
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