"Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken": Ungeeignet gegen schwarze Schafe, existenzgefährdend für die seriösen Unternehmen - Inkassoverband legt eigene Vorschläge zum Kampf gegen Abzocker vor
(Berlin) - Die Bundesregierung hat heute den Entwurf für ein "Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken" beschlossen. Der Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen e.V. (BDIU) kritisiert das Gesetz scharf. Es stärkt im Gegensatz zu den Behauptungen des Bundesjustizministeriums nicht etwa die Mehrheit der seriösen Inkassounternehmen, sondern ist potenziell existenzgefährdend für die seriösen Inkassounternehmen. Der BDIU legt gleichzeitig eigene Vorschläge zum Kampf gegen Abzocker vor: Berufspflichten für Inkassounternehmen, eine anlassbezogene und zentralisierte, strengere behördliche Aufsicht mit einem scharfen Sanktionsinstrumentarium gegen unseriöse Geschäftemacher. Außerdem eine transparente gesetzliche Regelung der Inkassovergütung, die sich mit einer eindeutigen Terminologie an der Vergütungsordnung der Rechtsanwälte orientiert. "Diese Maßnahmen böten einen wirkungsvollen Schutz vor schwarzen Schafen und stärken die seriöse Inkassowirtschaft, die pro Jahr rund 5 Milliarden Euro für über eine halbe Million Auftraggeber aus allen Branchen realisiert", sagte BDIU-Geschäftsführer Kay Uwe Berg am Mittwoch in Berlin.
Die Kritik und die Vorschläge des BDIU im Einzelnen:
Pauschale Gebührensätze nutzen niemandem
Die geplanten streitwertunabhängigen pauschalen Gebührensätze für die Tätigkeit von Inkassounternehmen, die durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrats erlassen werden sollen, wären verfassungswidrig. Wertunabhängige Vergütungsregeln sind systemwidrig, weil sie sich nicht nach den Kriterien Leistung, Verantwortung und Haftung richten, sodass ein wertabhängiges Vergütungssystem unumgänglich ist. Die geforderte Verordnungsermächtigung zugunsten des BMJ wäre vor dem Hintergrund der Umgehung des Bundestags, aber auch des Bundesrats höchst bedenklich.
Schwarze Schafe würden mit einer Kostendeckelung für Inkassounternehmen zudem nicht getroffen, während die geplanten Regelungen eine Vielzahl seriöser Inkassounternehmen, insbesondere die kleinen Unternehmen, existenziell bedrohten.
Daneben wären Gläubiger und damit große Teile der Wirtschaft die Benachteiligten, nicht zuletzt aber auch alle Verbraucher, auf die steigende Preise umgelegt würden. Zudem würde die erhebliche justizentlastende Wirkung der Tätigkeit der Inkassounternehmen zum größten Teil wieder aufgehoben. Die Ziviljustiz könnte kollabieren, wenn sich die heutige Zahl von rund 9 Millionen Mahnbescheidsverfahren pro Jahr um mehrere Millionen erhöhte, verdoppelte oder gar verdreifachte.
Problematisch sind auch die vom BMJ beabsichtigten Abgrenzungen durch niedrigere Pauschalvergütungen bei "Mengeninkasso" (mehr als 100 gleichartige Forderungen) und bei Hauptforderungen von weniger als 50 Euro. Diese Grenzziehung ist willkürlich, intransparent und rechtsunsicher. Es sind enorme Abgrenzungsschwierigkeiten zu erwarten, zum Beispiel B2C versus B2B, Mengeninkasso versus Einzelinkasso, Kleinforderungen versus größere Forderungen. Ausweichbewegungen sind möglich und sehr wahrscheinlich.
Inkassounternehmen wäre es beispielsweise eröffnet, 99 gleichartige Forderungen zur Einziehung anzunehmen und entsprechend der Gesetzesdefinition kein "Mengeninkasso" zu betreiben. Die Grenzziehung bei 100 Fällen "gleichartiger Forderungen" ist auch für den Schuldner schlicht und ergreifend nicht erkennbar. Er kann nicht nachvollziehen, ob die vom Inkassounternehmen verlangten Gebühren über dem liegen, was in dem konkreten Fall zulässig ist.
Zudem bietet das Gesetz ein riesiges Schlupfloch für Anwälte, die Inkasso betreiben: Laut Regierungsentwurf muss anwaltliches Inkasso nur dann nach Gebührenverordnung bepreist werden, wenn das Vertragsverhältnis mit dem Auftraggeber ausdrücklich als "Inkassomandat" bezeichnet wird.
Inkassokosten nicht überhöht - Deckel bei Nebenforderungen durch Komplettanlehnung an RVG möglich
Die derzeit üblichen Inkassokosten sind nicht überhöht. Entscheidet sich ein Gläubiger anstelle der Einschaltung eines Inkassounternehmens für eine rein gerichtliche Forderungsbeitreibung (Titulierung, Zwangsvollstreckung), entstehen gerade bei niedrigen Gegenstandswerten staatlich induzierte Kosten, die zum Teil deutlich über denen des außergerichtlichen Inkassos liegen.
Ein gesetzgeberischer Handlungsbedarf für Pauschalgebühren ist auch deswegen nicht gegeben, weil schon im bestehenden System die Obergrenze der Erstattungsfähigkeit klar definiert ist. Die Vergütungsregelungen entsprechen einer seit Jahrzehnten bis hin zum Bundesverfassungsgericht gefestigten Rechtsprechung (BVerfGE 1 BvR 1012/11), wonach Inkassokosten grundsätzlich als Verzugsschaden geltend gemacht werden. Berechnet wird die Vergütung dem Betrag entsprechend, der den vergleichbaren Anwaltsgebühren nach RVG entspricht.
"Inkasso-Regelsätze" sind zudem ungeeignet im Kampf gegen unseriöses Inkasso. Kriminelle Akteure richten ihr Verhalten nicht nach Recht und Gesetz aus. Die unseriösen Inkassounternehmen werden sich auch durch entsprechende gesetzliche Regelungen nicht davon abhalten lassen, dubiose Forderungen geltend zu machen und den Schuldnern überhöhte Kosten aufzubürden. Es stünde zu befürchten, dass schwarze Schafe aufgrund von Mindereinnahmen dazu verleitet würden, ihre unseriösen Aktivitäten auszuweiten, um höhere Einnahmen zu erzielen. Das wäre das Gegenteil dessen, was das Gesetz zu erreichen versucht. Für die seriöse Inkassowirtschaft dagegen wären scharfe Gebührendeckelungen potenziell existenzgefährdend. Das Kind würde mit dem Bade ausgeschüttet werden.
Der BDIU schlägt dagegen folgende Lösungen bei der Gebührensystematik vor:
- Eindeutige Anknüpfung - auch hinsichtlich der
Nebenforderungen - an das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz
(RVG), das streitwertabhängige Vergütungen vorsieht. Die
Bemessungskriterien für die Höhe anwaltlicher
Rahmengebühren richten sich nach der Bedeutung der
Angelegenheit, nach dem Umfang der Tätigkeit, nach der
rechtlichen Schwierigkeit der Tätigkeit und dem
Haftungsrisiko. Diese Systematik ist allen beteiligten
Verkehrskreisen - den Verbraucherschützern und
Schuldnerberatern ebenso wie der Justiz - vertraut.
- Erhöhung der Transparenz durch klare und zwingende
Anforderungen an die Terminologie in Inkassorechnungen.
- Verstoß gegen zwingende Terminologie wird bußgeld- und
sanktionsbewehrt.
Ziel ist es, unseriöse "Geschäftemacher" durch diese klaren Regelungen abzuschrecken. Außerdem kann durch die gesetzlich manifestierte Anlehnung an die Regelungen des RVG eine Verringerung der Inkassokosten herbeigeführt werden. Die Branche ist gewillt, eine gesetzliche Manifestierung der Gebühren zu erreichen, und der BDIU ist bereit, an einer konstruktiven Lösung für alle Beteiligten mitzuwirken.
Unabhängige Schiedskommission
Der BDIU regt die Schaffung einer unabhängigen "Schiedskommission Inkassovergütung" an. Sie entscheidet in Streitfällen, die auch durch das Einschalten des BDIU, der Schuldnerberater oder der Verbraucherzentralen nicht gütlich gelöst werden können.
Die Schiedskommission könnte aus fünf bis sieben Mitgliedern
bestehen:
- Vorsitz: Richter
- Jeweils ein Vertreter des BMJ und des
Verbraucherschutzministeriums (optional)
- Ein Vertreter der Wissenschaft
- Ein Vertreter des Verbraucherzentrale Bundesverbandes
(vzbv)
- Ein Vertreter der Gläubiger-/Auftraggeberseite
Die Mitglieder des BDIU und damit 60 bis 70 Prozent der aktiven Inkassounternehmen, die über 90 Prozent des Marktes repräsentieren, würden sich mit ihrer Verbandsmitgliedschaft automatisch dem Schiedsspruch der Kommission unterwerfen.
Höhere Bußgelder, bessere Aufsicht
Die Erweiterung der Bußgeldtatbestände und die Verzehnfachung des Höchstbetrages einer Geldbuße auf bis zu 50.000 Euro wiederum sind an sich zu begrüßen. Diese Maßnahmen reichen allerdings nicht aus. Es liegt nicht nur im Interesse der Verbraucher, sondern auch aller seriösen Inkassounternehmen, wenn die Registrierungs- beziehungsweise Aufsichtsbehörden anders als derzeit ein Eingriffsinstrumentarium und auch eine personelle Ausstattung erhielten, die sie in die Lage versetzen, Auswüchse wirksam zu bekämpfen und schwarze Schafe aus dem Verkehr zu ziehen. Dafür müsste mindestens die bis zum Jahr 2007 gesetzlich geregelte Aufsicht über Rechtsdienstleister wieder eingeführt und anlassbezogen durchgeführt werden. Das BMJ konstatiert (ebenso wie alle anderen Akteure), dass es aktuell ein drastisches Aufsichtsdefizit gegenüber Inkassounternehmen gibt. Dieser Befund ist aus Sicht des BDIU völlig zutreffend. Der Branchenverband schlägt in diesem Zusammenhang unter anderem vor:
- die Wiedereinführung eines abgestuften Sanktionskatalogs
ähnlich wie im Rechtsberatungsgesetz,
- Berufspflichten in Analogie zur Berufsordnung für
Rechtsanwälte oder direkt in einer neuen Berufsordnung für
Rechtsdienstleister (BOReD),
- Fachaufsicht durch Landesämter für
Rechtsdienstleistungsaufsicht (LAReD) oder ein Bundesamt
für Rechtsdienstleistungsaufsicht (BAReD),
- oder: Konzentration der Aufsicht beim Bundesjustizamt,
- oder: Konzentration auf ein Gericht pro Bundesland mit
institutionalisiertem Informationsaustausch zwischen den
Bundesländern.
Der BDIU ist überzeugt: Ohne die Rückkehr zu einem gestuften Sanktionssystem im Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) bleiben die Registrierungsbehörden weiterhin die "zahnlosen Tiger", die sie seit Einführung des RDG sind. Bislang sind weder die Erteilung von Auflagen, Rügen oder Weisungen, noch die Androhung des Widerrufs der Registrierung explizit geregelt. Das muss sich ändern. Es bedarf zudem der Einführung konkreter Berufspflichten für Inkassodienstleister. Sie geben den Registrierungs- beziehungsweise Aufsichtsbehörden einen Maßstab, der bei der Prüfung zu berücksichtigen ist, ob Sanktionen verhängt werden sollen. Die derzeit zersplitterte Aufsichtslandschaft muss dringend neu geordnet und vor allem zentralisiert werden, damit sie effektiver wird. Eine Beteiligung der Bundesländer, sofern sie weiterhin für die Registrierung und/oder Aufsicht über Inkassounternehmen zuständig sein sollen, sieht der BDIU dabei als unerlässlich an.
Darlegungs- und Informationspflichten
Erweiterte Darlegungs- und Informationspflichten, wie sie das Gesetz vorsieht, sind dann zu begrüßen, wenn sie tatsächlich für mehr Transparenz sorgen. Wenn jedoch überschießende, nicht praktikable Informationspflichten gefordert werden, die weder von den Gläubigern, also den Auftraggebern aus allen Teilen der Wirtschaft, noch den Inkassounternehmen erfüllt werden können, ist dies höchst problematisch. Das gilt insbesondere dann, wenn neue Informationspflichten nicht dazu geeignet sind, den Verbraucher vor der Geltendmachung unberechtigter Forderungen zu schützen.
Für seriöse Inkassounternehmen ist es selbstverständlich, dem Schuldner die Grundlagen der gegen ihn geltend gemachten Forderungen schon mit dem ersten Schreiben mitzuteilen. Denn Aufgabe seriösen Inkassos ist gerade auch die Mediation mit dem Ziel des Erhalts der geschäftlichen Beziehung zwischen Gläubiger und Schuldner. Außerdem gilt schon im Eigeninteresse des seriösen Inkassounternehmens: Unklare Angaben im (ersten) Mahnschreiben verärgern und verwirren die Schuldner, führen zu einer Vielzahl überflüssiger Rückfragen und damit zu einem erheblich höheren, vermeidbaren Arbeitsaufwand.
Die geforderten erweiterten Informationspflichten würden Auftraggeber und Inkassounternehmen dazu verpflichten, in erheblichem Umfang erweiterte Datensätze vorzuhalten, also eine Art Vorratsdatenspeicherung vorzunehmen. Auch wenn zum Beispiel die "wesentlichen Umstände des Vertragsabschlusses" nur auf Anfrage mitzuteilen wären, wären aufseiten der Wirtschaft aufwendige Umstellungen der Prozesse (und zwar in ausnahmslos allen Inkassofällen) notwendig, damit solche nachträglichen Anfragen der Betroffenen beantwortet werden könnten. Die Gläubiger müssten (für alle Vertragsbeziehungen, das heißt in 100 Prozent der Fälle) Daten hinterlegen, um - im ausgesprochen seltenen Fall der Übergabe einer Forderung an ein Inkassounternehmern und dem noch selteneren Fall einer Nachfrage des Schuldners - dem Inkassounternehmen die notwendigen Informationen übermitteln zu können. Dem Gebot der Datensparsamkeit liefe dies diametral zuwider.
Betreiber von "Abofallen" dagegen würden die erweiterten Informations- und Darlegungspflichten nicht darin behindern, bei Verbrauchern vermeintliche Forderungen einzuziehen. Sie werden die Informationspflichten dadurch "erfüllen", dass sie neben "Fantasieforderungen" auch "Fantasieinformationen" angeben. Es besteht deshalb die Gefahr, dass unseriös arbeitende Inkassounternehmen den gesetzlichen Vorgaben gern nachkommen werden, um sich so den Anschein von Seriosität zu geben. Die beabsichtigte Wirkung der vorgesehenen Informationspflichten würde jedoch komplett verfehlt.
Weitere Informationen
Die detaillierte Stellungnahme zu allen Einzelheiten der Inkassoregulierung und allen Vorschlägen des BDIU ist auf der Homepage des Verbandes zum Download erhältlich: http://www.inkasso.de/_downloads/491.pdf
Quelle und Kontaktadresse:
Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen e.V. (BDIU)
Marco Weber, Pressereferent
Friedrichstr. 50-55, 10117 Berlin
Telefon: (030) 20607360, Telefax: (030) 206073633