Geringqualifizierte unter Druck: Keine Chance auf Einfachjobs / Institut Arbeit und Technik untersucht, wie Betriebe einfache Arbeitsplätze besetzen
(Gelsenkirchen) - Durch die hohe allgemeine Arbeitslosigkeit geraten gering qualifizierte Arbeitslose immer mehr unter Druck: Zum einen konkurrieren sie verstärkt mit qualifizierten Arbeitskräften, die aus der Not heraus auch Jobs unterhalb ihres Qualifikationsniveaus annehmen. Gut 45 Prozent der so genannten einfachen Arbeitsplätze sind heute mit Personen mit abgeschlossener Berufsausbildung besetzt. Zum anderen konkurrieren sie mit Personengruppen wie Schülern, Studierenden, Berufsrückkehrerinnen und bereits Beschäftigten, die einen Nebenjob suchen. Auf der Strecke bleiben Bewerber, die wie viele Arbeitslose auf einen Verdienst angewiesen sind, mit dem sie eigenständig ihre Existenz sichern können.
Das Institut Arbeit und Technik (IAT), Gelsenkirchen, hat im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit (BMWA) untersucht, wie zum Beispiel Pflegeeinrichtungen, Reinigungsfirmen, Hotels und Einzelhandelsunternehmen einfache Arbeitsplätze besetzen, und ist zu einigen überraschenden Resultaten gekommen. Häufig wird behauptet, Unternehmen hätten bei einfachen, niedrig bezahlten Arbeitsplätzen Probleme, diese zu besetzen. Erklärungen dafür, warum hier (Über)angebot und Nachfrage nach Arbeit offenkundig nicht zusammenfinden, setzen zumeist auf der Seite des Arbeitsangebots an: Demnach haben Arbeitslose wenig Interesse, solche Stellen anzunehmen, weil der erzielbare Verdienst das Niveau ihrer Arbeitslosen- oder Sozialhilfebezüge kaum übersteigt. Wenig ist hingegen über die Seite der Arbeitsnachfrage bekannt: Wie verfahren Unternehmen bei der Besetzung solcher Stellen und haben sie tatsächlich Probleme, geeignete Bewerber zu finden? Gibt es neben Motivationsproblemen auf Bewerberseite auch noch andere Faktoren, die eine Besetzung solcher Arbeitsplätze erschwert?
Wie das IAT-Forscherteam feststellte, gibt es durchaus Wachstumsbereiche für die Gruppe der gering Qualifizierten, etwa im Bereich der unternehmensnahen, haushalts- und personenbezogenen Dienstleistungen. Ein Bewerbermangel ist dabei aber offenbar nicht zu verspüren, im Gegenteil: Die befragten Unternehmen geben vielmehr an, mit einer Flut an Bewerbungen auch für einfache Stellen konfrontiert zu sein. Auf diese Bewerberschwemme reagieren Betriebe mit einer deutlichen Einschränkung ihrer Suchwege, insbesondere indem sie solche Stellen nicht mehr der Arbeitsagentur melden, sondern Kontakte der eigenen Beschäftigten nutzen, stellt Dr. Karen Jaehrling fest. Damit verschlechtert sich die Chance von registrierten Arbeitslosen, die gar nicht mehr erfahren, dass eine Stelle zu besetzen ist.
Zwei weitere Ursachenbündel sind nach Erkenntnissen des Forscherteams für die vergleichsweise schlechten Arbeitsmarktchancen von gering Qualifizierten verantwortlich: Zum einen sind die Anforderungsprofile der Unternehmen auch für die meisten einfachen Tätigkeiten breiter und differenzierter, als oft unterstellt wird: Gefordert werden je nach Art der Tätigkeit körperliche Fitness und ein ansprechendes äußeres Erscheinungsbild, Schlüsselqualifikationen, Leistungsbereitschaft, gute Deutschkenntnisse, Fachkompetenzen, Berufserfahrung und nicht selten auch eine (ggf. fachfremde) Berufsausbildung. Selbst wenn ein Berufsabschluss nicht zwingend erforderlich ist, schätzen Personalchefs diese Qualifikation auf Vorrat. Qualifizierte Bewerber werden zudem auch deswegen bevorzugt, weil eine abgeschlossene Berufsausbildung mangels anderer verlässlicher Auswahlkriterien als Signal für Eignung und Durchhaltevermögen dient.
Zum zweiten konkurrieren gering Qualifizierte verstärkt mit Personen, die einen Nebenjob suchen. Dies wird auch dadurch begünstigt, dass immer weniger Arbeitsplätze in den untersuchten Dienstleistungsbereichen als Vollzeitstellen angeboten werden. Im Einzelhandel und im Hotelgewerbe ist inzwischen jeder 4. Arbeitsplatz ein Minijob, im Reinigungsgewerbe trifft das sogar auf die Hälfte der Arbeitsplätze zu, analysiert Thorsten Kalina. Eine Ursache hierfür liegt darin, dass sich Betriebe zunehmend bemühen, den Personaleinsatz möglichst punktgenau an Schwankungen des Arbeitsanfalls anzupassen. Auch die Reform der Minijobs scheint hier nicht ohne Einfluss geblieben zu sein. Eine eigenständige Existenzsicherung ist aber auf solchen Arbeitsplätzen nicht möglich.
Lösungsvorschläge wie beispielsweise Kombilohnmodelle, die allein auf der Seite des Arbeitsangebotes ansetzen, greifen zu kurz, so das Resümee der IAT-Arbeitsmarktexperten. Allgemein könnte ein Wachstum von Arbeitsplätzen im mittleren Qualifikationsbereich den Konkurrenzdruck auf einfachen Arbeitsplätzen abmildern. Als gezielte arbeitsmarktpolitische Maßnahme wird in dem Bericht die Notwendigkeit für die Arbeitsagenturen und JobCenter unterstrichen, sich neue Wege zu Betrieben zu erschließen, um häufiger an der Stellenvermittlung im Bereich der einfachen Tätigkeiten beteiligt zu werden.
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