Pressemitteilung | Bundesinnung für das Gerüstbauer-Handwerk KdÖR / Bundesverband Gerüstbau e.V.

Geplantes Regelwerk bedroht Gerüstmaterialbestand in Deutschland im Wert von bis zu 5 Milliarden Euro

(Köln) - Bundesinnung und Bundesverband Gerüstbau sowie Gerüsthersteller warnen vor nicht einsetzbaren Gerüstsystemen.

- Materialbestand im Wert von bis zu 5 Milliarden Euro müsste komplett ausgetauscht werden.

- Bundesinnung und Bundesverband Gerüstbau empfehlen stattdessen persönliche Schutzausrüstung und fordern detaillierte Unfallanalyse.

Bundesinnung und Bundesverband Gerüstbau sowie zahlreiche Gerüsthersteller warnen eindringlich davor, systemintegrierte Sicherungsgeländer als vorrangigen Stand der Technik festzulegen.

In den vergangenen Monaten kamen Bestrebungen der staatlichen Arbeitsschutzbehörden auf, im Nachgang der Novellierung der Betriebssicherheitsverordnung technische Schutzmaßnahmen gegen Absturz vorrangig vor allen anderen Sicherungsmaßnahmen einzufordern.

Erklärte Absicht ist es, hierbei auch einen neuen Stand der Technik von geeigneten Schutzmaßnahmen gegen Absturz bei der Bereitstellung von Gerüsten zu definieren: Systemintegrierten Sicherungsgeländern soll dabei Vorrang vor allen anderen Sicherungsmaßnahmen eingeräumt werden.

Diese bislang noch nicht im Gerüstbau praktisch verwirklichten und bewährten Sicherungsgeländer sind in großen Teilen des Gerüstbaus nicht einsetzbar und daher kein geeigneteres und angemessenes Mittel zur Absturzsicherung im Vergleich zu den im Markt befindlichen Schutzmaßnahmen. Einen Bestand an Gerüsten mit systemintegrierten Sicherungsgeländern, wie er im Falle des Inkrafttretens einer entsprechenden Vorschrift gefordert würde, gibt es in Deutschland bisher nicht bzw. nicht in nennenswertem Umfang und dort nur für den Einsatzweck der Fassadengerüste.

Demgegenüber befindet sich im aktuellen Gerüstmaterialbestand in Deutschland derzeit ein Bestand an Systemgerüsten (ohne systemintegrierte Sicherungsgeländer) mit einem geschätzten Wert von rund 4,5 - 5 Milliarden Euro.

Dieser Materialbestand müsste im Falle einer durch die Vorschriften vorgegebenen Vorrangstellung von systemintegrierten Sicherungsgeländern praktisch komplett ausgetauscht, d.h. vernichtet werden.

Massiver Eingriff in wirtschaftlichen Bestand der Branche

Ein solcher massiver Eingriff in den wirtschaftlichen Bestand einer gesamten Branche ist nicht gerechtfertigt. Denn der Einsatz (systemintegrierter) Sicherungsgeländer bietet auf Grundlage der aktuellen Erkenntnisse und Erfahrungen in der Gerüstbaubranche keinen höheren Schutz gegen die Risiken bei der Bereitstellung von Gerüsten.

In der letzten Novellierung der Betriebssicherheitsverordnung gab es den Gerüstbau betreffend keine wesentlichen Änderungen, die als Grundlage für eine solche Systemänderung dienen könnten. Dies soll jedoch nun durch eine neue technische Regel für Betriebssicherheit in naher Zukunft geändert werden, nach der dem technischen Schutz absoluter Vorrang eingeräumt werden soll.

Schwarze Schafe als Nutznießer

Dies würde allerdings die eigentlich vom Unternehmer vorzunehmende Gefährdungsbeurteilung und damit die ihm obliegende Auswahl der im Einzelfall geeigneten und angemessenen Schutzmaßnahme auf den technischen Schutz einengen. Dieser ist in den vielfältigsten Situationen auf den Baustellen nicht einsetzbar und bietet daher keine Aussicht auf eine echte Verbesserung der Absturzsicherheit in der Praxis.

Im Gegenteil ist zu befürchten, dass sich die Betriebe, die sich bisher an keinerlei Vorschriften für die Arbeitssicherheit gehalten haben, mit ihren Marktpreisen gegenüber den Unternehmen zukünftig durchsetzen werden, die regelkonform den Gerüstmaterialbestand austauschen und dies in ihren Preisen einkalkulieren müssen. Denn die eigentlich notwendigen Kontrollen der Baustellen finden kaum statt.

Zielführender aus Verbandssicht ist vielmehr ein ganzheitlicher Ansatz zur Verbesserung der Arbeitssicherheit im Gerüstbau, der auf einer detaillierteren Unfallanalyse beruht. Diese fordern die Bundesinnung und der Bundesverband Gerüstbau seit Jahren von den zuständigen Institutionen im Bereich der Arbeitssicherheit. Bis heute liegen keine verwertbaren Zahlen vor.

Unfallerfassung und Analyse müssen verbessert und Persönliche Schutzausrüstung flächendeckend durchgesetzt werden

Bundesinnung und Bundesverband Gerüstbau fordern daher alle Beteiligten dazu auf, im Interesse einer effizienten Analyse von Unfallursachen und zur nachhaltigen Erarbeitung von Strategien und Schutzmaßnahmen zur Unfallvermeidung eine trennungsscharfe Erfassung für das Gewerk Gerüstbau zu ermöglichen und alle notwendigen Angaben realistisch anzugeben und zu evaluieren.

Die bisherigen Erkenntnisse aus dem Unfallgeschehen differenzieren noch nicht in ausreichendem Maße, hieraus eine Bevorzugung bestimmter Schutzmaßnahmen ableiten zu können.

Mit der Persönlichen Schutzausrüstung gibt es eine Schutzmaßnahme, die, wenn sie flächendeckend durchgesetzt würde, aus Sicht von Bundesinnung und Bundesverband Gerüstbau eine signifikante Verbesserung der Arbeitssicherheit im Gerüstbau darstellen würde. Sie ist in fast allen Situationen im Gerüstbau, insbesondere auch bei räumlichen Gerüstkonstruktionen, einsetzbar. Entscheidend wäre dabei ein durchgehendes staatliches bzw. berufsgenossenschaftliches Kontrollsystem, das sicherstellt, dass die Maßnahmen durchgesetzt werden.

Viele Gerüstersteller wären existenzbedroht

Auch technische Maßnahmen können mögliche Lösungen bei der Arbeitssicherheit bieten. Entscheidend ist aber, dem Unternehmer die Möglichkeit zu belassen, die in der Situation geeignete Maßnahme auszuwählen.

Mit der jetzt staatlicherseits favorisierten rein technischen Lösung stehen alle Unternehmer, die in Deutschland Gerüste auf- und abbauen vor der Existenzfrage: Sie müssten ihren gesamten Gerüstmaterialbestand in Deutschland gegen neues Gerüstmaterial eintauschen. Dies ist vor dem Hintergrund, dass die neuen Gerüstsysteme in vielen Bereichen des Gerüstbaus nicht einsetzbar sind und zudem wie andere Schutzmaßnahmen außer Kraft gesetzt werden können, ein nicht vertretbarer wirtschaftlicher Schaden. Denn die Sicherheit auf den deutschen Gerüstbaustellen wird nach Ansicht von Bundesinnung und Bundesverband Gerüstbau dadurch nicht verbessert werden.

Quelle und Kontaktadresse:
Bundesinnung für das Gerüstbauer-Handwerk e.V. Sabrina Luther, Geschäftsführerin Rösrather Str. 645, 51107 Köln Telefon: (0221) 870600, Fax: (0221) 864449

(cl)

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