Geplante Reform des Betreuungsrechts gefährdet Existenz der Betreuungsvereine und ehrenamtliches Engagement
(Frankfurt am Main) - Die Bundesregierung will das 1992 in Kraft getretene und 1999 reformierte Betreuungsgesetz erneut novellieren. Eines der Hauptziele ist dabei die Begrenzung der Kosten. Die von einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe vorgeschlagenen Reformmaßnahmen gefährden jedoch massiv die Existenz der Betreuungsvereine und das Engagement ehrenamtlicher BetreuerInnen, mahnt der Paritätische Wohlfahrtsverband.
In der Bundesrepublik haben nahezu eine Million Menschen eine Betreuerin oder einen Betreuer, weil sie aufgrund einer psychischen Erkrankung, einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung ihre Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen können. Die demographische Entwicklung lässt einen enormen Anstieg dieser Zahl und damit steigende Kosten erwarten. Sie betragen derzeit mehr als 300 Millionen Euro pro Jahr. Etwa 75 Prozent aller rechtlichen Betreuungen werden von ehrenamtlich tätigen Betreuerinnen und Betreuern übernommen, zirka 80 Prozent davon sind Familienangehörige. Die Förderung dieser ehrenamtlichen Betreuung hat den Gesetzgeber in den 90er Jahren bewogen, anerkannte Betreuungsvereine mit wichtigen Aufgaben zu betrauen. Sie sind verpflichtet, sich um die Gewinnung ehrenamtlicher BetreuerInnen zu bemühen, diese in Ihre Aufgaben einzuführen, in komplizierten Fragen zu beraten und fortzubilden sowie in schwierigen Fällen selbst Betreuungen zu übernehmen.
Die Finanzierung der Querschnittaufgaben war bislang bereits mangelhaft. Nun aber sollen die Betreuungsvereine nach Vorstellung der Bund-Länder-Arbeitsgruppe "Betreuungsrecht" nicht mehr nur ehrenamtliche Betreuer und Betreuerinnen beraten, sondern zusätzlich auch noch Personen, die mittels Vorsorgevollmacht oder als gesetzliche Vertreter für andere tätig werden.
"Wenn die Tätigkeit der Betreuungsvereine politisch gewollt ist, dann müssen auch die finanziellen Rahmenbedingungen geschaffen werden", betont Barbara Stolterfoht, Vorsitzende des Paritätischen Gesamtverbandes. Die bisherige Vergütung der Betreuungsaufgaben soll auf Pauschalen umgestellt werden, die zwar den bürokratischen Aufwand einschränken können, aber so knapp bemessen sind, dass dabei die Qualität der Betreuung zwangsläufig auf der Strecke bleibt. Dies trifft nach Einschätzung des Paritätischen die Betreuungsvereine besonders hart, da sie schwierige Fälle übernehmen sollen, die einen höheren zeitlichen Aufwand erfordern, der aber über die Pauschalen nicht mehr finanzierbar ist. "Die Reformpläne laufen darauf hinaus, dass Betreuungsvereinen die finanzielle Grundlage entzogen wird", mahnt Stolterfoht.
Der Paritätische Wohlfahrtsverband lehnt die Einführung von Fallpauschalen nicht grundsätzlich ab, fordert den Gesetzgeber aber auf, Pauschalen zu entwickeln, die den tatsächlichen Betreuungsbedarf der Betroffenen berücksichtigen. Dieser sollte in einem Betreuungsplan festgelegt und dokumentiert werden. Darüber hinaus müssten die seit 1999 unveränderten Stundensätze für Betreuerinnen und Betreuer dringend angehoben werden.
Entschieden wendet sich der Paritätische Wohlfahrtsverband gegen Pläne, die Aufwandsentschädigung für ehrenamtliche Betreuerinnen und Betreuer zu senken. Sie seien aus gutem Grund erst zum Januar vorigen Jahres auf 312 Euro angehoben worden, um Telefon-, Porto- und Fahrtkosten abzudecken. Die von der Bund-Länder-Arbeitsgruppe vorgeschlagene Reduzierung auf 180 Euro sei nicht gerechtfertigt und kontraproduktiv.
"Uns ist unverständlich, dass die Bund-Länder-Arbeitsgruppe einerseits inhaltlich die Arbeit der Betreuungsvereine und der ehrenamtlichen Betreuerinnen und Betreuer würdigt, andererseits aber keine tragfähigen Lösungen für eine dauerhafte finanzielle Absicherung ihrer Arbeit anbietet", betont Barbara Stolterfoht.
Quelle und Kontaktadresse:
Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband - Gesamtverband e.V.
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