Gemeinsames Engagement gegen die Spirale von Haft und Wohnungslosigkeit
(Berlin) - Jährlich werden in Deutschland 90.000 bis 100.000 Personen aus der Haft entlassen. Vielen von ihnen droht Wohnungslosigkeit, denn auf einem angespannten Wohnungsmarkt gestaltet sich die Wohnungssuche nach der Haft schwierig. Wer bietet, wenn er wählen kann, einem haftentlassenen Menschen einen Mietvertrag an? Haftentlassene tragen daher ein hohes Risiko, langfristig von Wohnungslosigkeit betroffen zu sein.
Dabei sind es häufig die Inhaftierungen selbst, die zu einem Wohnungsverlust führen.
Unter den vielen verschiedenen Gründen, die zum Wohnungsverlust führen, wird Inhaftierung bei den akut untergebrachten wohnungslosen Menschen mit einem Anteil von 7 Prozent am häufigsten genannt. Bei den verdeckt Wohnungslosen und den wohnungslosen Menschen ganz ohne Unterkunft beträgt der Anteil 9,3 Prozent, die Inhaftierung als Grund für ihren Wohnungsverlust angeben. Betroffene und Angehörige sind in vielen Fällen nicht über ihre Rechte zum Wohnungserhalt bei einer Inhaftierung informiert. So entstehen Mietschulden oder die Wohnung wird gekündigt.
Aber nicht nur Inhaftierung führt häufig in die Wohnungslosigkeit. Umgekehrt sind Menschen ohne festen Wohnsitz auch stärker der Gefahr ausgesetzt, verhaftet und zu Gefängnisstrafen verurteilt zu werden. Wenn sie in einem Verfahren keine Anschrift angeben können, droht die Untersuchungshaft. Wenn sie nicht über ausreichend finanzielle Mittel verfügen, droht ihnen aufgrund nicht gezahlter Geldstrafen die Ersatzfreiheitsstrafe. Geschätzt fast jede fünfte wegen einer Ersatzfreiheitsstrafe inhaftierte Person hat bereits bei Aufnahme in den Strafvollzug keinen festen Wohnsitz.
Die enge Verknüpfung von Haft und Wohnungslosigkeit wird unterschätzt. Die Bundesländer sind daher aufgefordert, hierzu belastbare Zahlen zu veröffentlichen. Zu oft werden Menschen aus dem Gefängnis in die Wohnungslosigkeit entlassen, ohne dass angemessene Unterstützungsstrukturen vorhanden sind.
Damit eine Wiedereingliederung von haftentlassenen Personen in die Gesellschaft gelingen kann, muss sichergestellt werden, dass sie nicht in die Wohnungslosigkeit entlassen werden.
Wir fordern daher:
1. Die Betroffenen müssen bereits bei der Inhaftierung bzw. Untersuchungshaft über die Möglichkeit einer Antragstellung auf Mietkostenübernahme informiert und bei der Durchsetzung ihres Anspruchs unterstützt werden.
2. Mietkosten sollen bei einer Inhaftierung grundsätzlich bis zu einem Jahr übernommen werden. Auch eine längere Übernahme der Mietkosten sollte durch die Einführung einer Härtefallregelung möglich sein, wenn Umstände vorliegen, die dies notwendig machen. Dies trifft auch für Angehörige zu, wenn der Haupt- und Nebenverdienst durch die Inhaftierung wegfallen und die Mietkosten nicht mehr gedeckt werden können.
3. Es müssen alle Möglichkeiten der Wohnkostenübernahme im Falle von Inhaftierungen ausgeschöpft werden.
4. Bezahlbarer, angemessener Wohnraum muss für alle verfügbar sein. Daher haben Bund, Länder und Kommunen die Verfügbarkeit sicherzustellen, insbesondere für Personen mit besonderem Hilfebedarf, bspw. bei einer Entlassung aus dem Strafvollzug. Hierbei sind die spezifischen Problemlagen von straffällig gewordenen Frauen zu berücksichtigen.
Die Aktionstage Gefängnis 2023 stehen unter dem Motto "Wohnungslosigkeit / Haft / Wohnungslosigkeit". Sie dienen als Plattform, um auf drängende Fragen aufmerksam zu machen und einen konstruktiven Dialog für positive Veränderungen zu initiieren.
Quelle und Kontaktadresse:
Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe e.V. (BAG W)
Werena Rosenke, Geschäftsführerin Presse
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