Gemeinsamer Bundesausschuss beschließt neue Psychotherapierichtlinie: Licht und Schatten
(Berlin) - Mit der heute vom Gemeinsamen Bundesausschuss(G-BA) beschlossenen neuen Psychotherapierichtlinie sind die Verbände der Psychotherapeuten nur teilweise zufrieden. Positiv bewerten die Verbände die Einführung einer Sprechstunde sowie einer Akutbehandlung, mit der in dringenden Fällen unbürokratisch und zeitnah geholfen werden kann. Sie kritisieren die Zweiteilung der Kurzzeittherapie in Blöcke von je zwölf Sitzungen sowie die ungenügende Verbesserung für den Bereich der Gruppentherapien. Eine sachgerechte Umsetzung der Rezidivprophylaxe fehle völlig.
Mit der heutigen Beschlussfassung erfüllt der G-BA die Terminsetzung des GKV-Versorgungsstärkungsgesetzes (GKV-VSG). Eine Einigung zwischen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und dem Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen (GKV-Spitzenverband) wurde durch die weit auseinander liegenden Ausgangspositionen erschwert. Das von der KBV mit Unterstützung der Psychotherapeuten eingebrachte gestufte Versorgungskonzept hatte zusätzliche Behandlungsmodule und eine Flexibilisierung des Versorgungsangebotes vorgesehen, während die ursprüngliche Position des GKV-Spitzenverbandes von Maßnahmen zur Restriktion der ambulanten Psychotherapie geprägt war. Das nach langwierigen und schwierigen Verhandlungen nun erzielte Ergebnis ist aus Sicht der drei Psychotherapeutenverbände ein typischer Kompromiss, bei dem beide Seiten nachgeben mussten.
Einen Gewinn für die Versorgung sehen die Psychotherapeuten in der Einführung einer ein- bis dreistündigen Sprechstunde. Psychotherapeuten können damit ihren Patientinnen und Patienten kurzfristig Zugang zur Beratung und ersten psychodiagnostischen Abklärung anbieten.
Ebenfalls positiv beurteilen die Verbände die neue Möglichkeit einer antragsfreien Akutbehandlung im Umfang von zwölf Sitzungen. Damit kann in dringenden Fällen zeitnah ein psychotherapeutisches Angebot gemacht werden.
"Als wichtige Errungenschaft für die psychotherapeutische Behandlung von Kindern und Jugendlichen sehe ich die erweiterte Möglichkeit der Einbeziehung von relevanten Bezugspersonen aus dem sozialen Umfeld", sagt Uwe Keller von der VAKJP (Vereinigung analytischer Kinder- und Jugendlichen Psychotherapeuten in Deutschland).
Positiv wird auch die Vereinfachung des Gutachterverfahrens bewertet. "Dadurch wird Zeit für die Behandlung von Patienten frei", betont Dr. med. Martin Kremser, Vorsitzender des bvvp (Bundesverband der Vertragspsychotherapeuten).
Dagegen sehen die Psychotherapeutenverbände die künftige Zweiteilung der Kurzzeittherapie mit jeweils zwölf Sitzungen als einen willkürlichen Eingriff in die Behandlungsplanung der Ärzte und Psychotherapeuten. "Außerdem bedeutet dies in vielen Fällen unnötigen bürokratischen Aufwand", konstatiert Dipl.-Psych. Barbara Lubisch, Bundesvorsitzende der DPtV (Deutsche PsychotherapeutenVereinigung) "Stellt sich heraus, dass die ersten zwölf Sitzungen nicht ausreichen, was erfahrungsgemäß bei über 70 Prozent der Patienten der Fall ist, muss - anders als bisher - ein erneuter Antrag an die Krankenkasse gestellt werden."
Die Verbände bedauern, dass die im VSG vorgesehene Förderung der Gruppentherapie nur mangelhaft umgesetzt wird: "Hier wird eine Chance vertan, den Patienten größere Versorgungskapazität zur Verfügung zu stellen."
Als völlig unzureichend wird die Regelung zur Rezidivprophylaxe beurteilt. Anders als im GKV-VSG gefordert, wird kein zusätzliches Behandlungsangebot zur Verbesserung der Versorgung chronisch psychisch kranker Menschen geschaffen. "Der Beschluss des G-BA ist an diesem Punkt eine 'Mogelpackung', denn es wird lediglich die Möglichkeit eingeräumt, das letzte Therapiekontingent einer Langzeittherapie auf bis zu zwei Jahre zu strecken. Das war schon bisher möglich. Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) sollte den G-BA zu einer Nachbesserung auffordern", fordern die Verbände.
Die reformierte Psychotherapierichtlinie tritt am 1. April 2017 in Kraft. Bis zu diesem Zeitpunkt sind weitere Detailregelungen zu treffen, insbesondere Vergütungsregelungen für die neuen Leistungen der Sprechstunde und der Akutbehandlung. Eine abschließende Bewertung der neuen Psychotherapierichtlinie ist aus Sicht der Verbände erst möglich, wenn die finanziellen Voraussetzungen zur Erbringung der neuen Leistungen geschaffen sind.
Quelle und Kontaktadresse:
Deutsche PsychotherapeutenVereinigung e.V. (DPtV)
Ursula-Anne Ochel, Pressesprecherin
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