"Gemeinsam neue Wege suchen und nicht einseitig vorpreschen"
(Nürnberg) - Die deutschen Anästhesistinnen und Anästhesisten üben Kritik an einem Konzept von Fachpflegekräften, auf den Intensivstationen in Zukunft eine Reihe ärztlicher Aufgaben zu übernehmen.
"Hier müssen wir genau unterscheiden zwischen Pflegekraft und Fachpflegekraft", sagt Professor Dr. Benedikt Pannen, Präsident der "Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin" (DGAI). "Außerdem müssen wir zwischen Ärzteschaft und Fachpflege genau diskutieren, wer welche Aufgaben in welchem Rahmen übernehmen kann. Einfach vorzupreschen, ist hier der falsche Weg!"
Aktuelles Papier der Fachpflege löst Irritationen aus
Die Irritationen ausgelöst hat ein aktuelles Papier mit der Überschrift "Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Fachkrankenpflege und Funktionsdienste e. V. (DGF), welche Aufgaben Fachpflegepersonen mit abgeschlossener zweijähriger Weiterbildung Intensivpflege und Anästhesie auf der Intensivstation durchführen sollten." Das beschäftigt die Anästhesistinnen und Anästhesisten, weil sie einen Großteil der Patientinnen und Patienten auf deutschen Intensivstationen versorgen. In dem Konzept werden "komplexe Aufgaben der Intensivpflege" aufgezählt, die nur Fachschwestern und Fachpfleger übernehmen sollen. Genauer gesagt: Tätigkeiten, "die aufgrund der hierzu erforderlichen fachlichen und personalen Kompetenz ausschließlich Fachpflegepersonen mit absolvierter zweijähriger Weiterbildung ,Intensivpflege und Anästhesie' vorbehalten" sein sollen.
Vorgeschlagen werden zum Beispiel die Extubation, also das Entfernen des Beatmungsschlauchs zum Ende einer Therapie auf der Intensivstation oder einer Narkose, das Steuern einer Infusionstherapie oder das Einleiten und Anpassen einer Behandlung mit Sauerstoff bei einem Patienten auf der Intensivstation: Demnach Maßnahmen, die in Deutschland laut Gesetz eigentlich nur von Ärztinnen und Ärzten ausgeführt werden dürfen.
Arztvorbehalt: Bestimmte Maßnahmen dürfen nur von Ärzten ausgeführt werden
Die Juristen des "Berufsverbandes Deutscher Anästhesistinnen und Anästhesisten" (BDA) und der "Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin" (DGAI) erklären dazu: Der "Arztvorbehalt" bedeute, dass eine bestimmte Tätigkeit oder Maßnahme aufgrund einer gesetzlichen Festlegung nur von einem ordnungsgemäß ausgebildeten und approbierten Arzt ausgeübt beziehungsweise durchgeführt werden dürfe. Auch ohne gesetzliche Regelung sei ein Arztvorbehalt anzunehmen, wenn eine bestimmte Leistung oder die notwendige Beherrschung gesundheitlicher Gefährdungen ärztliche Fachkenntnisse und damit das Tätigwerden des Arztes erfordere.
Weiter stellen die Juristen der Anästhesie-Verbände klar: Eine Maßnahme, die einem Arztvorbehalt unterliege, dürfe von Angehörigen nichtärztlicher medizinischer Berufe nicht selbständig, sondern nur auf Anordnung beziehungsweise unter Aufsicht eines Arztes durchgeführt werden, also im Weg der Delegation. Eine "Übernahme" im Sinne der Substitution sei nicht zulässig und berge erhebliche Haftungsrisiken für alle Beteiligten.
"Aufwertung der Fachkrankenpflege auf Intensivstationen sehr zu begrüßen"
Angesichts der immer höheren Qualifizierung des Pflegepersonals sehen die Anästhesistinnen und Anästhesisten grundsätzlich kein Problem darin, die Aufgabenfelder für Fachpflegekräfte zu erweitern und deren Beruf so auch attraktiver zu machen. Privatdozent Dr. Thomas Iber, Präsidiumsmitglied des "Berufsverbandes Deutscher Anästhesisten" (BDA) sagt: "Grundsätzlich ist eine Aufwertung der Fachkrankenpflege auf Intensivstationen sehr zu begrüßen. Denn schon jetzt sähen Strukturempfehlungen zum Beispiel für Unikliniken nur noch eine Quote an Fachpflegekräften von 30 Prozent vor. Kritisch sei jedoch zu sehen, dass bestimmte Aufgaben nicht mehr von Ärztinnen und Ärzten ausgeführt, sondern vollständig von den Fachpflegekräften übernommen werden sollen.
"Intensivmediziner nicht durch Fachschwester oder Fachpfleger zu ersetzen"
Letztlich geht es den Anästhesistinnen und Anästhesisten darum, die Qualität der Versorgung von Intensivpatienten in Deutschland weiter hoch zu halten und Patientinnen und Patienten nicht etwa zu gefährden: "Man kann einen Intensivmediziner oder eine Intensivmedizinerin nicht einfach durch eine Fachschwester oder einen Fachpfleger ersetzen", erklärt DGAI-Präsident Pannen. Zudem müsse deutlich werden, wo die Grenze der Kompetenzen zwischen Fachpflegekräften und nicht speziell ausgebildeten Pflegekräften auf einer Intensivstation liege. Professor Pannen weiter: "Keinesfalls dürfen die Nicht-Fachpflegekräfte zu Mitarbeitenden zweiter Klasse werden! Intensivmedizin bedeutet immer Teamarbeit auf Augenhöhe!"
Miteinander ins Gespräch kommen und Aufgabenfelder diskutieren
Das Ziel ist nun, verstärkt miteinander ins Gespräch zu kommen und über die einzelnen Aufgabenfelder zu diskutieren, von Atmung und Beatmung über Herz-Kreislauf-Therapie bis hin zu Ernährung und Lagerung. Dabei stellt DGAI-Generalsekretär Professor Bernhard Zwissler klar: "Einige der Ansätze in dem Konzept der Fachpflege spiegeln auch die schon gelebte Realität auf Intensivstationen wieder." Zum Beispiel steuerten Intensivschwestern und -pfleger bereits heute auf vielen Intensivstationen die Analgosedierung, das "künstliche Koma", für die Patientinnen und Patienten nach Vorgabe der Ärztinnen und Ärzte.
Und DGAI-Präsident Pannen fügt hinzu: "Der Weg hin zu einer qualifizierten Delegation für Fachpflegekräfte ist sicher richtig. Das käme - auch auf Seiten des Fachpflege-Verbandes - dem Wunsch zur stärkeren Berücksichtigung von Fachweiterbildung und individuellen Kompetenzen bei der Aufgabenteilung entgegen." In die weitere Diskussion will Pannen auch die Sprecher des neugeschaffenen Mitglieder-Bereiches für Pflegekräfte in der DGAI sowie Vertreter des BDA miteinbeziehen.
Quelle und Kontaktadresse:
Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI)
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