Gemeinsam gegen die Orientbeule / DFG unterstützt trilaterales Projekt deutscher, israelischer und palästinensischer Wissenschaftler
(Bonn) - Die Leishmaniose ist eine Krankheit mit vielen Namen. Im Mittelmeerraum, wo sie häufig auftritt, kennt man sie auch als Aleppo- oder Orientbeule. Sie wird durch unterschiedliche Arten von Leishmanien (Parasiten) ausgelöst und ruft ganz verschiedene Krankheitsbilder hervor. Die Folgen sind bei allen schwere Gewebeschäden an der Haut oder in inneren Organen. Eine trilaterale Forschergruppe aus deutschen, israelischen und palästinensischen Medizinern, Biologen und Ökologen untersucht seit etwa fünf Jahren mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) die Erreger der Leishmaniose, mögliche Übertragungswege und Gegenmittel. Trotz teilweise schwieriger äußerer Umstände verliefen die interdisziplinären Arbeiten im Nahen Osten erfolgreich: Sie erbrachten bereits eine Reihe von Ergebnissen, die zur Bekämpfung der Krankheit beitragen können.
Die Orientbeule, das Symptom der uralten Infektionskrankheit namens Leishmaniosis cutis (Hautleishmaniose), ist in Deutschland nahezu unbekannt. In vielen Ländern Asiens und Südamerikas tritt die Leishmaniose hingegen häufig auf, im Nahen Osten und in Indien in den letzten Jahren sogar zunehmend. Hauptüberträgerin der Krankheit ist die zwei Millimeter große Sandmücke. Ein Stich von ihr genügt, um eine Infektion auszulösen. Einen Impfstoff oder eine medikamentöse Vorsorge gibt es derzeit noch nicht. Schwierig gestaltet sich die Behandlung der Leishmaniose: Sie ist mit Nebenwirkungen verbunden und teuer, das heißt für arme Patienten unerschwinglich.
In Israel und den palästinensischen Gebieten kommen drei Arten von Leishmaniose-Erregern vor, die verschiedene Krankheitsbilder verursachen und unterschiedliche Überträger und Wirte haben. 1998 ist ein von der DFG gefördertes Projekt angelaufen, in dem Wissenschaftler aus Deutschland, Israel und den palästinensischen Gebieten gemeinsam die Krankheit erforschen. Koordiniert wird es von Professor Werner Solbach vom Institut für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene der Medizinischen Universität Lübeck, dem israelischen Forscher Alon Warburg, Professor am Kuvin-Zentrum für Untersuchungen von Infektions- und Tropenkrankheiten der Hebräischen Universität in Jerusalem, und dem palästinensischen Molekularbiologen Ziad Abdeen von der Al Quds-Universität in Jerusalem.
Durch das Projekt konnten bis heute eine Anzahl von Erkenntnissen gewonnen werden, die - so Werner Solbach - in Deutschland nicht zu erzielen gewesen wären. Das liegt zum einen an der breiten Beteiligung von Wissenschaftlern aus unterschiedlichen Disziplinen. Die Arbeitsgruppe umfasst Insektenforscher, Hautärzte, Molekularbiologen, Mikrobiologen, Ökologen und Tierärzte. Zum anderen sind nur vor Ort die Erreger, Wirte, Überträger und Patienten vorhanden, die nötig sind, um die Forschungen durchzuführen. Zu Beginn ihrer Arbeit mussten die Wissenschaftler zunächst exakte Zahlen über die Verbreitung der Erreger und die betroffenen tierischen und menschlichen Wirte erheben. Im Rahmen der Untersuchungen, an denen auch die Humboldt-Universität Berlin und die Universität Bethlehem beteiligt sind, wurde unter anderem eine neue und sehr empfindliche Nachweismethode für die Erreger etabliert. Darüber hinaus gelang es, bisher unbekannte tierische Wirte und Überträger zu identifizieren, eine weitere wichtige Voraussetzung für die Bekämpfung der Krankheit. Von besonderer Bedeutung ist aber die Erkenntnis, dass die Zerstörung natürlicher Ökosysteme durch landwirtschaftliche Nutzung und den Bau neuer Siedlungen die Verbreitung der Leishmaniose fördert. Bewässerungsmaßnahmen führen zu einer üppigeren Vegetation, die wiederum eine Zunahme der Wirte und Überträger zur Folge hat. Damit trägt auch die geopolitische Situation im Krisengebiet des Nahen Ostens zur Ausbreitung der Leishmaniose bei.
Neben den wissenschaftlichen Erkenntnissen hat die Kooperation noch ein weiteres positives Ergebnis erbracht. "Ein Ziel des Projektes war es auch", so der deutsche Projektkoordinator Solbach, "den persönlichen Austausch der Wissenschaftler zu fördern. Und in der Tat habe die Zusammenarbeit zu einem besseren Verständnis der Beteiligten untereinander geführt. Das stelle - gemeinsam mit der intensiven Nachwuchsausbildung - eine gute Basis für zukünftige Arbeiten dar.
Die für dieses Programm maximal mögliche Förderung von fünf Jahren läuft für das Leishmaniose-Projekt im Frühjahr aus. Werner Solbach und seine Kollegen hoffen, bei einem anderen Träger eine Anschlussfinanzierung sichern zu können. Neben der Klärung weiterer wissenschaftlicher Fragen würde Solbach gerne noch eine gesundheitspolitische Initiative zur Prävention auf den Weg bringen. Doch leider, gesteht der Lübecker Professor ein, gibt es in der von Terroranschlägen geplagten Gegend, in der beispielsweise Schussverletzungen ein größeres Problem darstellen als die Leishmaniose, andere Prioritäten.
Seit 1995 unterhält die DFG ein Sonderprogramm zur Förderung deutsch-israelisch-palästinensischer Zusammenarbeit, mit dem sie dazu beitragen möchte, den Friedens- und Kooperationswillen in der Region zu erhalten und zu stärken. Das Sonderprogramm ist bei den Partnern im Nahen Osten hoch geschätzt: Für die Palästinenser bietet es die einzige frei zugängliche Finanzierungsmöglichkeit. Die israelischen Universitäten werden zwar vom Staat finanziert, sind aber in hohem Maße auf Drittmittel angewiesen. Seit Bestehen des Programms wurden 25 Projekte gefördert, 17 davon sind bereits abgeschlossen, weitere 18 befinden sich in unterschiedlichen Stadien der Vorbereitung. Die Mehrzahl der bisher geförderten Projekte kommen aus der Medizin, Biologie und Agrarwissenschaft, einige auch aus den Geistes- und Sozialwissenschaften sowie aus den Geowissenschaften und der Physik. Insgesamt wurden für das Programm bisher rund 21,5 Millionen Euro aufgewandt. Im April 2001 wurde es wegen der politischen Unsicherheiten vorübergehend ausgesetzt, mittlerweile hat sich die Anzahl der Neuanträge wieder dem bisherigen Durchschnittswert angenähert. Für die nächste Förderrunde liegen bereits 17 Initiativanträge vor, über deren Förderung in einem zweistufigen Auswahlverfahren entschieden wird.
Quelle und Kontaktadresse:
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)
Dr. Eva-Maria Streier, Direktorin
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