Gefahr durch zinnorganische Verbindungen in Textilien ?
(Gießen) - Für eine Versachlichung der Diskussion um das Vorkommen zinnorganischer Verbindungen als gefährliche Schadstoff in Textilien hat sich jetzt der Deutsche Verband Unabhängiger Prüflaboratorien (VUP) ausgesprochen. Diese Chemikalien könnten aufgrund ihrer antimikrobiellen Wirkung aus hygienischen Gründen in Textilien Verwendung finden, gelten aber - je nach Verbindung - ab einer gewissen Konzentration für den menschlichen Organismus als schädlich.
Das Gefährdungspotenzial zinnorganischer Verbindungen in Textilien werde nach Ansicht des Verbandes jedoch überbewertet. Der VUP stützt sich dabei auf über 1000 Textil- und Materialprüfungen durch eines der größten deutschen unabhängigen Textilprüfungslabors. Diese umfangreichen Untersuchungen wurden nach einem Beitrag der ARD-Sendung Plusminus im Januar diesen Jahres veranlasst.
Die Untersuchungsergebnisse erbrachten, dass zinnorganische Verbindungen nur im Spurenbereich in Textilien vorhanden sind. Zudem wurden hauptsächlich Mono- (MBT) und Dibutylzinnverbindungen (DBT) nachgewiesen, die eine geringere Giftigkeit als das vieldiskutierte Tributylzinn (TBT) haben. Aufgrund ihrer Anwendung als Polymerisationskatalysatoren und Antioxidantien werden DBT und in geringer Beimengung MBT hauptsächlich in Aufdrucken, Beflockungen, Applikationen, Polyurethanbeschichtungen und -schäumen gefunden.
Das eigentliche Textilgewebe ist nahezu unbelastet von organozinnhaltigen Materialien, weiß Dr. Rainer Sebald, verantwortlicher Leiter des untersuchenden Institutes und Mitglied des VUP-Bundesfachausschusses Material- und Produktprüfung, zu berichten. Es komme in den meisten Fällen also zu keinem direktem Hautkontakt mit zinnorganischen Verbindungen, ergänzt der mit den Untersuchungen betraute Laborleiter Dr. Ulrich Kestel. Aufgrund der ohnehin geringen Mobilität der Organozinnverbindungen ist eine Hautresorption praktisch zu vernachlässigen, so Kestel unter Berücksichtigung dieser Faktoren. Regelrecht unsinnig sei es nach Kestels Ausführungen, in die Diskussion auch die Oktylzinnverbindungen einzubeziehen. Diese Verbindungen wiesen eine Toxidität auf, die mit der von Speisesalz zu vergleichen sei.
Tributyzinnverbindungen in antimikrobiell wirksamen Konzentrationen konnten nur in 3 von 1000 Proben nachgewiesen werden. Ansonsten gefundene Konzentrationen lägen um den Faktor 100 unterhalb des von der Bundesregierung in einer Gesetzesvorlage diskutierten Grenzwertes. Die TBT-Konzentrationen in Sporttrikots seien um den Faktor 2 bis 5 niedriger als die Konzentrationen, die heute in Speisefisch auftreten, vergleicht und relativiert der Laborwissenschaftler. Wolle man hier die von einigen Kritikern gesetzten Maßstäbe übertragen, müsste Fisch umgehend von der Speisekarte verschwinden.
Dem Deutschen Verband unabhängiger Prüflaboratorien gehören rund ¾ der in Deutschland niedergelassenen Prüflaboratorien an. Um eine Mitgliedschaft zu erlangen, müssen die Untersuchungsstellen unabhängig von den Interessen des produzierenden Industrie sein. Die Mitglieder unterwerfen sich dabei einem genormten und international anerkannten Qualitätsmanagement.
Fachliche Rückfragen an:
Dr. U. Kestel oder Dr. R. Sebald
Tel.: 0911-74075-0; eMail: info@umweltanalytik.de
Quelle und Kontaktadresse:
Deutscher Verband Unabhängiger Prüflaboratorien e.V.
Sven Deeg (Hauptgeschäftsführer)
Kerkrader Str. 9, 35394 Gießen; Tel.: 0641-94466-0
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