Fußball-EM: Kein Überwachungsstaat unter dem Deckmantel des Terrorschutzes!
(Berlin) - Mit Verweis auf eine erhöhte Terrorgefahr im Rahmen der anstehenden Fußball-Europameisterschaft werden Forderungen nach massiven Überwachungsmaßahmen laut. Ob Vorratsdatenspeicherung, Staatstrojaner oder biometrische Videoüberwachung: Der Deutsche Anwaltverein (DAV) warnt davor, Instrumente zu etablieren, die mit guten Gründen von den Verfassungsgerichten regelmäßig einkassiert werden. Anstatt mit der Angst der Bevölkerung zu spielen, um einschneidende Maßnahmen durchzusetzen, brauche es Augenmaß bei der Balance zwischen Sicherheit und Freiheit.
Nach dem Terroranschlag in Russland wird mit Blick auf die kommende Fußball-EM Medienberichten zufolge aus konservativen Kreisen gleich ein ganzes Arsenal an Überwachungsmethoden ins Spiel gebracht: Vorratsdatenspeicherung, biometrische Videoüberwachung, Staatstrojaner - und die Entgrenzung von Polizei und Nachrichtendiensten. Der DAV warnt vor einer massiven Einschränkung von Bürger- und Freiheitsrechten.
"Man muss sich vergegenwärtigen, dass jede einzelne der in den Raum gestellten Überwachungsmaßnahme für sich genommen bereits mit einem erheblichen Eingriff in die Grundrechte der Betroffenen einhergeht", warnt Rechtsanwalt Dr. Nikolaos Gazeas, Mitglied des DAV-Ausschusses Gefahrenabwehrrecht. "Die Anwendung eines ganzen Straußes solcher Maßnahmen kann gefährlich nah an eine Rundumüberwachung heranreichen, insbesondere durch biometrische Videoüberwachung."
Problem 1: Staatstrojaner
Der heimliche Zugriff des Staates auf Smartphones und Computer ist bereits heute sehr weitgehend rechtlich möglich - sowohl für Strafverfolgungsbehörden als auch für Nachrichtendienste. Er bleibt ein massiver Grundrechtseingriff und sollte nicht zur Standard-Maßnahme mutieren. Der Staatstrojaner ist aber nicht nur wegen seiner hohen Eingriffsintensität problematisch: "Der Staat nutzt Sicherheitslücken, die er eigentlich schließen sollte - und lässt damit sehenden Auges ein Einfallstor für Kriminelle offen", erläutert Gazeas. "An dieser Front muss noch viel passieren, um die IT-Sicherheit insgesamt nicht zu gefährden."
Problem 2: biometrische Videoüberwachung
Wenn massenhaft Gesichter von unbescholtenen Bürgerinnen und Bürgern im öffentlichen Raum gescannt werden, dann ist das ein schwerer Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung. "Die Hürden für eine verfassungsrechtliche Rechtfertigungsschwelle sind hier zu Recht hoch", wie der Rechtsanwalt erläutert.
Problem 3: Vorratsdatenspeicherung
Die massenhafte, anlasslose Speicherung von Kommunikationsdaten - für den Fall, dass sie mal gebraucht werden - stellt einen massiven Eingriff in die Grundrechte dar, und zwar in die von Millionen Bürgerinnen und Bürgern. Dies hat auch der EuGH in seinen zahlreichen Entscheidungen zu verschiedensten Anläufen in den EU-Mitgliedsstaaten klargestellt. Seit Jahren warnt der DAV davor, legitime Interessen - sei es Kinderschutz, sei es nun Terrorismusbekämpfung - zur völlig unverhältnismäßigen Einschränkung von Grundrechten zu instrumentalisieren.
"Selbstverständlich brauchen wir ein kluges Sicherheitskonzept, um eine unbeschwerte und sichere Europa-Meisterschaft auszugestalten", sagt Gazeas. Die Lösung könne aber nicht darin liegen, hierzu große Schritte in Richtung Rundumüberwachung zu gehen, die auch nach der EM dann natürlich so bleiben soll. "Mit der Angst vor Anschlägen bei Großereignissen sollte man nicht spielen, um dauerhaft etwa Vorratsdatenspeicherung oder eine biometrische Videoüberwachung durchzusetzen. Das ist untunlich. Ein liberaler Rechtsstaat, der wir sind, handelt anders, nämlich mit Augenmaß. Eben dieses richtige Augenmaß ist jetzt gefordert, um Sicherheit und Freiheit in einem ausgewogenen Verhältnis zu bewahren", mahnt Gazeas.
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