Frauentag: Unversehrtheit Schwangerer muss oberste Priorität haben
(Karlsruhe) - Nahezu 700.000 Frauen bringen jährlich in Deutschland ein Kind auf die Welt, 98 Prozent von ihnen in einem Krankenhaus. Dass die allermeisten von ihnen gesund sind, spielt in unserem Gesundheitssystem, das primär auf die Versorgung kranker Menschen ausgerichtet ist, kaum eine Rolle. Routinen und Qualitätskriterien begreifen gesunde Schwangere als kranke Menschen, mit gravierenden Folgen. Angesichts dieses anhaltenden Missstands fordert der Deutsche Hebammenverband (DHV) einen Paradigmenwechsel: Der Frauengesundheit und Unversehrtheit ihres Körpers muss dringend ein größerer Stellenwert in der Geburtshilfe beigemessen werden.
Die Geburt eines Kindes ist hierzulande einer der häufigsten Gründe, ins Krankenhaus zu gehen. Doch hier erleben schwangere Frauen und Frauen unter der Geburt eine Pathologisierung, die schwerwiegende Folgen für sie und ihr Kind mit sich bringt. "Wir verzeichnen in Deutschland eine Kaiserschnittrate von rund 30 Prozent und somit die sechsthöchste Kaiserschnittrate im europäischen Vergleich. Bei der Frühgeburtlichkeit sind wir drittletzter, 20-30 Prozent erleiden Geburtstraumata. Das ist mehr als intolerabel für ein fortschrittliches Land wie unseres und zeigt, dass in der Geburtshilfe schlichtweg die falschen Fragen gestellt werden", bemängelt DHV-Präsidentin Ulrike Geppert-Orthofer die Situation. "Aktuell werden Zahlen erhoben, ob ein Eingriff richtig durchgeführt wurde, ob er aber überhaupt notwendig war oder zu vermeiden gewesen wäre, darüber liegen uns keine Daten vor. Dabei bedeutet ein Eingriff grundsätzlich immer ein Risiko für Frau und Kind und ist immer mit Nebenwirkungen verbunden, auch wenn er keinen Nutzen bringt", so Geppert-Orthofer weiter.
"Deshalb fordern wir als DHV seit Langem, die Physiologie in der Datenerhebung abzubilden und sicherzustellen, dass eine Intervention nur dann vorgenommen wird, wenn sie mehr Nutzen als Schaden stiftet." Die DHV-Präsidentin appelliert: "Alle Verantwortlichen, die an überholten Behandlungsmustern festhalten und die längst überfällige Weiterentwicklung von Qualitätsstandards für die Versorgung gesunder Schwangerer aufhalten, müssen sich fragen lassen, welches Rollenverständnis sie Frauen heutzutage und ihrem Recht auf eine unversehrte, physiologische Geburt entgegenbringen. Im 21. Jahrhundert ist der Impact der physiologischen Geburt hinreichend durch Studien belegt. Nun ist es Zeit für einen Paradigmenwechsel, weg von einem krankheitszentrierten Verständnis von Geburtshilfe hin zu einer individuellen frauenzentrierten Gesundheitsversorgung."
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