ForumMIRO 2013: Europa- und Bundespolitik / Versch(r)obener Grundkonsens verhindert gesunde industrieelle Weiterentwicklung
(Köln) - Die Meldungen sollten aufschrecken: Unternehmen der produzierenden Industrie schlagen Alarm, weil sie ihre Auslieferungen wegen maroder Straßen und Brücken vielfach nur über ellenlange Umwege tätigen können, nachdem der Investitionsstau bei Sanierung und Ausbau im Bereich der Infrastruktur seine Kehrseite deutlich offenbart. Umfangreiche Investitionen in das Verkehrsinfrastrukturnetz sind in Deutschland absehbar unumgänglich. Die Bedeutung der Wertschöpfungskette Rohstoff-Baustoff-Bauausführung muss in diesem Zusammenhang gesehen und anerkannt werden. Dass gleichzeitig den Produzenten der zwingend erforderlichen Gesteinsbaustoffe aber signalisiert wird, sie passten nicht ins Bild eines Staates, der auf einseitig ökologisch geprägte Nachhaltigkeit setzt, wirkt irritierend und zeugt von einem Mangel an ganzheitlichem Denken in der deutschen und auch in der europäischen Politik.
In der Vergangenheit bestand ein gesellschaftlicher Grundkonsens, dass Rohstoffe wie Naturstein, Kies und Sand möglichst verbrauchsnah gewonnen und veredelt werden müssen, um der Bauwirtschaft und anderen weiterverarbeitenden Industrien zur Verfügung zu stehen. Dieser Grundkonsens ist heute nicht mehr erkennbar. Unterstützung und mediale Aufmerksamkeit findet stattdessen der Gegenwind von "Wutbürgern". Europäische und deutsche Politik tragen darüber hinaus im großen Rahmen das ihre dazu bei, mit zunächst positiv oder wenigstens harmlos klingenden nationalen und europäischen Gesetzes- und Verordnungsentwürfen die Gewinnung mineralischer Rohstoffe in die Schmuddelecke zu verbannen.
Beispielhaft zu nennen sind Maßnahmen wie der Aktionsplan Ressourceneffizienz der Europäischen Kommission sowie spiegelbildlich das nationale Programm ProgRess. Beide zielen offensichtlich und trotz vielfältiger Interventionen von Verbänden wie MIRO (Bundesverband Mineralische Rohstoffe) darauf ab, die Gewinnung nichtenergetischer Rohstoffe zurückzudrängen oder gar komplett aus der eigenen Wertschöpfungskette zu verbannen.
Während die Gesteinsindustrie unter dieser Missachtung ihrer wichtigen volkswirtschaftlichen Grundleistung zwar leidet, aber dennoch weiter ihren Produktions- und Lieferverpflichtungen nachkommt, drohen aus Brüssel und dem deutschen Bundesumweltministerium bereits neue Keulenschläge, unter denen die überwiegend mittelständischen Unternehmen der deutschen Gesteinsindustrie kaum eine Chance haben werden, weiter zu bestehen. Die Pläne zur weiteren Verschärfung der umweltrelevanten Vorgaben werden von MIRO als Interessenvertreter der deutschen Gesteinsindustrie hart kritisiert und abgelehnt. Gleichzeitig agiert der Verband auf deutscher und europäischer Ebene mit Hochdruck, um ihre Umsetzung zu verhindern. Einige Beispiele belegen die Bedeutung der Verbandsarbeit auf diesem Gebiet.
Was würde passieren wenn ...
... die seitens der Europäischen Kommission angestrebte Überarbeitung der Umweltverträglichkeitsprüfungs-Richtlinie zum Tragen käme?
Künftige UVP-Verfahren würden insgesamt aufwändiger und komplexer. Selbst die Erforschung und Exploration von Mineralien, sowie die Gewinnung durch Baggerung auf Seen oder in Flüssen soll demnach immer einer UVP unterzogen werden. Die Aufnahme weiterer Prüfungskriterien hätte Abgrenzungs- und Umsetzungsschwierigkeiten in der Praxis zur Folge. Gleichzeitig wäre mit einer Steigerung der Verfahrenskosten zu rechnen. Da die Anhänge inhaltlich erheblich erweitert wurden, ergäbe sich ein erheblicher Mehraufwand für die Bearbeitung. In der Konsequenz würden Investitionsentscheidungen erschwert. Sämtliche Verschärfungen der bislang bewährten Verfahrensweise im Zuge von UVP-Verfahren lehnt MIRO ab und macht sich argumentativ für deren Verhinderung stark.
... die Europäische Kommission eine Überarbeitung der Richtlinie zum Schutz des Grundwassers vornimmt?
Im Zuge der von der Kommission angestrebten Verschärfung der Grundwasserrichtlinie sollen weitere Parameterwerte für den guten chemischen Zustand des Grundwassers Geltung erlangen. Außerdem wird diskutiert, ob Schwellenwerte für bestehende Parameter verändert oder neue Grenzwerte eingeführt werden sollen. In Deutschland wurde die bestehende Richtlinie im Herbst 2010 umgesetzt und es besteht im Grunde kein Handlungsbedarf. Entsprechend fällt die MIRO-Position aus: Sofern die EU-Gesetzgebung eine Verschärfung der Richtlinie beabsichtigt, wird diese grundsätzlich abgelehnt. Dies hätte sonst erhebliche Auswirkungen auf die geplante Mantelverordnung, die neben der Grundwasserverordnung auch die Ersatzbaustoffverordnung sowie die zu novellierende Bundes-Bodenschutzverordnung umfasst.
... die Empfehlungen einer Studie des Ökoinstituts zur Einführung von "Primärbaustoffsteuern" bei der deutschen Politik auf fruchtbaren Boden fallen?
In diesem Fall ist zu befürchten, dass die von den Verfassern der Studie empfohlene Rohstoffsteuer von 2 Euro pro Tonne gewonnener Rohstoffe durch Schaffung eines "Primärbaustoffsteuergesetzes" auf Bundesebene Geltung erlangt. MIRO hält dagegen, dass die mittelständischen Unternehmen dieser zusätzlichen Belastung einerseits schon aus Gründen des zusätzlichen Handlings kaum gewachsen wären. Weiterhin verfehlt eine solche Steuer ihre vorausgesagte Lenkungswirkung komplett, da sich über sie gerade die Nachfrage eben nicht regulieren lässt und die Unternehmen der Gesteinsindustrie ausschließlich nachfragegerecht produzieren.
Zahlreiche weitere Beispiele ließen sich anführen. Auch die Bundeskompensationsverordnung, über die in einem der Workshops beim ForumMIRO in Aachen erneut diskutiert wird, ist in der von der Industrie akzeptierten Fassung noch längst nicht in trockenen Tüchern.
RA Christian Haeser, Geschäftsführer beim Bundesverband Mineralische Rohstoffe, MIRO, gibt zu bedenken: "Deutschland braucht kein Einsparprogramm von Rohstoffen mit allen Mitteln, sondern ein industriepolitisches Wachstumsprogramm mit Augenmaß und allen drei Nachhaltigkeitskriterien ohne ökologische Überbetonung. Dazu gehört auch, dass die Auftragnehmer bei der Vergabe neuer Studien oder der Beauftragung von Forschungsvorhaben nicht mit einem auftraggeberfreundlichen Tunnelblick ins Rennen gehen, sondern sich zu einer gründlichen und vernetzten Folgenbetrachtung ihrer Vorschläge für die gesamte Wirtschaft verpflichtet fühlen. MIRO ist in einige Projekte einbezogen. Häufiger entsteht in entsprechenden Konsultationen bei uns der Eindruck, dass in der Gegenwart auch Wissenschaftler unterwegs sind, die sich entweder selbst abweichende Denkverbote auferlegen oder aber wenig von gründlicher Recherche halten. Möglicherweise ist das so, weil sich dann herausstellen könnte, dass das eine oder andere Projekt völlig überflüssig ist, weil es analoge Entsprechungen, die der Realität nicht standhalten konnten, bereits gibt."
Quelle und Kontaktadresse:
Bundesverband Mineralische Rohstoffe e.V. (MIRO)
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