Folgerungen aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Kopftuchstreit
(Hannover) - Das Bundesverfassungsgericht hat die Klärung dieser Frage an die Landesgesetzgebung zurückgegeben, ohne in der Sache zu entscheiden. Es hat dadurch eine öffentliche Diskussion ausgelöst, in der aus der Sicht der EKD folgende Gesichtspunkte besondere Berücksichtigung verdienen.
1. Musliminnen berufen sich für das Tragen des Kopftuchs auf ihre religiöse Überzeugung. Insofern stützen sie sich auf die Religionsfreiheit. Sie ist in unserer Rechtsordnung ein hohes Gut. Das ohne Einschränkung gewährte Recht der Religionsfreiheit gilt im Rahmen des Grundgesetzes für alle Religionen in gleicher Weise. Auch die öffentliche Schule ist, wie das Bundesverfassungsgericht wiederholt betont hat, kein religionsfreier Raum.
2. Der Schutz der positiven Religionsfreiheit gilt auch für Lehrerinnen und Lehrer an öffentlichen Schulen. Allerdings stößt die Ausübung der Religionsfreiheit durch Staatsbeamte auf verfassungsimmanente Grenzen, wenn sie mit der Religionsfreiheit von Schülerinnen, Schülern und Eltern oder mit anderen Grundrechten wie insbesondere dem elterlichen Erziehungsrecht oder dem Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule kollidiert.
3. Der Staat, der eine Heimstatt aller seiner Bürgerinnen und Bürger ist, muss in Fragen der religiösen Überzeugung Neutralität wahren. Das Verhalten seiner Beamten darf diese Neutralitätspflicht nicht verletzen. Das schließt die Erkennbarkeit der religiösen Überzeugung von Staatsbeamten nicht aus, setzt ihr aber Grenzen.
4. Außerdem haben Staatsbeamte jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung und damit auch für die Gleichstellung von Mann und Frau einzutreten. Wenn eine muslimische Bewerberin für eine Lehrtätigkeit an öffentlichen Schulen unter Berufung auf ihre Religionsfreiheit im Dienst ein Kopftuch tragen will, begründet ihr Verhalten angesichts der Bedeutung des Kopftuches im Islam Zweifel an ihrer Eignung als Lehrerin an einer staatlichen Schule.
Die Evangelische Kirche in Deutschland spricht sich dafür aus, dass diese Grundsätze für alle Angehörigen des öffentlichen Dienstes in Bund, Ländern und Kommunen gleichermaßen zur Geltung gebracht werden.
Quelle und Kontaktadresse:
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