FNA-Symposium: Prof. Dr. Dr. Eberhard Eichenhofer präsentiert sein Buch "Deutsches Sozialrecht nach 1945"
(Berlin) - Dr. Dr. Eberhard Eichenhofer, emeritierter Professor der Friedrich-Schiller-Universität Jena, hat Forschungsergebnisse zum Deutschen Sozialrecht und seiner Entwicklung seit 1945 in einem Buch dargelegt. Um den Autor zu würdigen und das Thema Sozialrecht in der Forschungsförderung weiter zu beleben, lud das Forschungsnetzwerk Alterssicherung (FNA) der Deutschen Rentenversicherung Bund am 11. Dezember 2023 zu einem Symposium.
"Die spannende Kernbotschaft lautet: Die Geschichte der sozialen Sicherung, des Sozialrechts und des Wohlfahrtsstaates ist - trotz aller Herausforderungen, durchaus auch Anfeindungen - eine Erfolgsgeschichte", sagte Gundula Roßbach, Präsidentin der Deutschen Rentenversicherung Bund, zu Beginn. Das Buch sei wichtig für das sozialrechtliche und sozialstaatliche Verständnis, weil es die Entstehung sozialer Sicherheit in ihrer ganzen Komplexität erörtert - abseits von populären und politisch motivierten Verkürzungen. "Sozialrecht ist krisenerfahren und krisenerprobt. Auch unter veränderten Bedingungen, die sich aus den zahlreichen Herausforderungen der vergangenen Jahrzehnte ergeben haben, verliert der Sozialstaat demnach nicht an Bedeutung", so Roßbach weiter. "Das deutsche Sozialrecht nach 1945 verdient nähere Betrachtung. Der Blick darauf aus dem Horizont der Gegenwart fehlt bislang", betonte Eichenhofer in seinem Redebeitrag. Das Buch handele von der Bewährung des Sozialstaats, der auch für die künftige gesellschaftliche Gestaltung vonnöten sein werde. Die zentralen Botschaften fasst Eichenhofer in fünf Thesen zusammen:
1. Deutsches Sozialrecht ist Teil der globalen Entwicklung mit der Besonderheit der deutschen Teilung und deren Überwindung
Das deutsche Sozialrecht sei nach 1945 stark von der internationalen Entwicklung und der europäischen Einigung geprägt. Die Besonderheit der deutschen Sozialstaatsentwicklung nach 1945 bildeten vor allem die Teilung Deutschlands und deren Überwindung. Der Aufbau Ost, so Eichenhofer, hat die Politik über zwei Jahrzehnte beherrscht und prägt sie bis heute. "30 Jahre später lässt sich feststellen: Der deutsche Sozialstaat hat die Bewährungsprobe der jüngsten Jahrzehnte bestanden, weil er Einschnitte wie eine Neuausrichtung erfuhr und es danach zu vielen Erweiterungen kam", so der Wissenschaftler.
2. Vereinigungskrise und Sozialstaatsreform nach 2000 sind eng verbunden
"Nach 1990 wurde das deutsche Sozialrecht bis an die Grenzen seiner Belastbarkeit beansprucht: Die Vereinigung von Ost und West führte den Sozialstaat in eine ökonomische und programmatische Krise, die nach 2000 einschneidende Reformen zur Folge hatte", hob Eichenhofer hervor. Zwischen der deutschen Vereinigung und der Neuausrichtung deutschen Sozialrechts nach 2000 bestünde deshalb ein enger Zusammenhang. Im Rückblick auf die vergangenen Jahrzehnte lasse sich behaupten, dass das Versprechen sozialer Sicherheit nicht nur gehalten wurde, sondern den heutigen gesellschaftlichen Grundkonsens umschreibt.
3. Der Sozialstaat ist krisenanfällig und -resistent
Die soziale Sicherheit sei - so Eichenhofer - nach 1945 nicht nur krisenanfällig, sondern auch krisenresistent, weil anpassungsfähig. In den vergangenen Jahren expandierte der Sozialstaat. Um die Wettbewerbsfähigkeit wieder herzustellen, wurden in Deutschland nach 2000 die Beiträge und Steuern abgesenkt und die Rentenversicherung von der Lebensstandardsicherung in ein Drei-Säulen-Modell umgewandelt. Der Autor stellt fest: "Mit diesen Reformen reagierte Deutschland wirkungsvoll auf elementare Herausforderungen des Sozialstaats. Der Sozialstaat lebt - auch und gerade, weil er sich in den vergangenen Jahrzehnten verändert hat".
4. Die ökologische Transformation stellt den Sozialstaat vor neue Herausforderungen
Sozialrecht sichere Lebensbedarfe und gesellschaftliche Teilhabe. Deshalb entfaltet es auch für die ökologische Transformation eine umfassende Schutz- und Sicherungspflicht, wie Eichenhofer betonte. Die Sozialversicherung müsse den Menschen ermöglichen, unter den Bedingungen einer aus ökologischen Gründen verteuerten Lebenshaltung ihre Bedürfnisse auch künftig im Einklang mit den Standards der Erwerbstätigen zu befriedigen.
5. Nachhaltiges Sozialrecht steht in der Kontinuität - auch im Hinblick auf seine Reformkraft
Ein nachhaltiges Sozialrecht dürfe das Vertrauen in die Leistungsfähigkeit des Staates nicht enttäuschen, sondern müsse die sozialen Rechte sichern, verwirklichen und verbessern. "Eine nachhaltige Sozialpolitik begleitet den Alterungsprozess der Menschen, indem sie Phasen von Be- und Entlastung in der Arbeit neu verteilt. Beruf und Privatleben sind in Einklang zu bringen", betonte Eichenhofer. In der Rentenpolitik sei zu beantworten, ob die bisherigen Reformen langfristig die geforderte Auskömmlichkeit von Rentenbezug und Tragbarkeit für die Unternehmen und Beitragszahler gewährleisten werden. Der Wandel der Rentenversicherung sei im Einklang mit den bisherigen Reformschritten zu gestalten. "Die Fortentwicklung erprobter Instrumente empfiehlt sich eher als ein abrupter Strukturwandel. Rentenversicherung leitet seit Anfang das Bestreben, in allen sozialen Veränderungen die Lebensbedingungen beständig zu halten", so der Autor.
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