Flüsse brauchen mehr Platz / Bessere Abstimmung zwischen Hochwasservorsorge und Katastrophenschutz notwendig / Talsperren haben trotz Überlastung Hochwasserwellen deutlich gesenkt
(Hennef) - Die DWA und ihre Mitglieder fühlen mit den vielen von der Hochwasserkatastrophe Betroffenen. Überflutungen lassen sich nie vollständig verhindern, die schrecklichen Folgen wie jetzt in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Bayern und Sachsen dürfen sich aber nicht wiederholen. Kurzfristig steht die DWA mit ihren Expert*innen mit Rat und Tat zur Verfügung, über eine digitale Vermittlungsplattform werden unbürokratisch und pragmatisch Hilfsangebote und der Bedarf der Wasserwirtschaft in den Katastrophengebieten zusammengebracht. Anschließend müssen aber Konsequenzen aus den Überflutungen gezogen werden. Die Wasserwirtschaft hält alle gesetzlichen Vorgaben zur Hochwasservorsorge ein und geht mit dem angestrebten Schutzniveau zum Teil deutlich über diese Vorgaben hinaus. Aufgrund des Klimawandels und der zunehmenden Intensität der Starkniederschläge reicht dies aber zukünftig nicht aus. Wasserwirtschaftliche, stadtplanerische und raumordnerische Maßnahmen müssen deutlich enger verzahnt werden. Hochwasserschutz und Katastrophenschutz müssen zudem besser aufeinander abgestimmt werden, um Menschenleben auch im Katastrophenfall zu schützen", betont Prof. Uli Paetzel, Präsident der DWA Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall.
Solange der Mensch in der Nähe von Gewässern siedelt, werden sich Überflutungen niemals vollständig verhindern lassen. Eine deutliche Reduzierung der Schäden ist durch eine an den Klimawandel angepasste Hochwasservorsorge aber machbar - und notwendig. Nur mit der Kombination von an intensiveren Starkniederschlägen ausgerichtetem technischen Hochwasserschutz - Talsperren, Hochwasserrückhaltebecken, Deiche -, einem deutlich verstärkten Rückhalt des Wassers in der Fläche sowie einer engen Verzahnung mit dem Katastrophenschutz ist ein bestmöglicher Schutz von Menschenleben und materiellen Gütern zu erreichen. Die DWA hat bereits im letzten Jahr eine vom Technischen Hilfswerk geleitete Arbeitsgruppe zum Thema Alarm- und Einsatzpläne ins Leben gerufen. Und auch Versicherungslösungen dürfen kein Tabu sein. Entweder auf privater Vorsorgeebene über Elementarschadensversicherungen, oder über staatliche Lösungen für besonders gefährdete Gebiete. Für Gewässer sind die überschwemmungsgefährdeten Gewässer durch Hochwasserrisikokarten bekannt. Auch für Starkregen liegen in vielen Bundesländern bereits entsprechende Karten vor.
Bei der Umsetzung von technischen Hochwasserschutzmaßnamen sowie bei der Schaffung von Raum für die Flüsse stellen Geld und Fachpersonal nach wie vor begrenzende Faktoren dar. Hauptproblem ist aber seit Jahren die Flächenverfügbarkeit. Dies gilt nicht nur für die Flussläufe selbst, sondern vor allem für die Einzugsgebiete der Gewässer. Je mehr Wasser im Einzugsgebiet zurückgehalten werden kann, desto geringer ist die Gefahr durch schnell stark ansteigende Pegel in den Gewässern. Der Flächenerwerb oder die Umwidmung der Flächen ist aber für die Wasserwirtschaft häufig erst nach jahrelangen Verhandlungen möglich. Hier sind Verbesserungen mit dem Vorrang der Wasserwirtschaft und damit letztendlich auch im Sinne der Belange der Anwohner in einem Hochwasserfall notwendig. "Die Wasserwirtschaft steht für diese Maßnahmen bereit. Bund und Länder müssen aber die finanziellen Mittel zur Verfügung stellen und die gesetzlichen Rahmenbedingungen entsprechend gestalten", so Paetzel.
Den Gewässern mehr Raum schaffen ist ein Aspekt des vorsorgenden Hochwasserschutzes. Genauso wichtig ist die Verhinderung des schnellen Abflusses der Niederschläge in die Gewässer, der Rückhalt oder die Versickerung vor Ort. Für diesen Rückhalt muss nicht nur die immer weiter fortschreitende Versiegelung gestoppt werden, vor allem müssen Flächen in den Einzugsgebieten entsiegelt werden. Dies gilt besonders für Verkehrs- und Siedlungsflächen. Aber auch in der Forst- und Landwirtschaft führen Monokulturen oder der Anbau unter Kunststoffplänen zu großflächigen Versiegelungen, die einen deutlich erhöhten Wasserabfluss im Starkregenfall zur Folge haben.
Talsperren haben trotz Überlastung Pegelstände gesenkt
Trotz aller möglichen Maßnahmen in der Fläche, Talsperren und Hochwasserrückhaltebecken bleiben extrem wichtige Bausteine der Hochwasservorsorge. Die extremen Niederschläge der vergangenen Woche haben in vielen Regionen die Talsperren zwar bis zum Teil über die Grenzen belastet. Trotz des zeitweiligen kontrollierten Überlaufens einzelner Talsperren konnten die Talsperrenbetreiber mit ihren Talsperrensystemen die Hochwasserspitzen aber deutlich senken. Ersten Berechnungen zufolge hat der Ruhrverband beispielsweise mit seinen Talsperren in der Spitze über 200 m³ Wasser in der Sekunde zurückgehalten und damit für eine deutliche Minderung des Scheitelpunktes in der Ruhr gesorgt. Am Pegel Hattingen konnte dadurch der Durchfluss von 1400 m³/s auf 1200 m³/s gesenkt werden. Möglich wurde dies, da der Ruhrverband aufgrund der Wetterprognosen bereits frühzeitig mit der Entlastung der Talsperren begonnen hatte. Gleiches gilt für den Wupperband. Bereits am 12. Juli hatte der Wupperverband begonnen, Wasser aus den Talsperren abzulassen. Dadurch konnte Ende der Woche die Hochwasserwelle deutlich verlangsamt werden. Ohne Rückhalt in den Talsperren wäre der Pegelanstieg in der Wupper noch dramatischer gewesen, da sich die Hochwassermengen aus dem Oberlauf der Wupper und unterhalb der Wupper-Talsperre überlagert hätten. Ohne die Talsperren wäre es zu noch größeren Überflutungen gekommen, auch im Stadtgebiet Wuppertal.
Das Überlaufen von Talsperren stellt in Deutschland die absolute Ausnahme dar. Hintergrund waren die extremen Niederschlagsmengen, die in vielen Regionen neue Rekordmarken bedeuten. Im Einzugsgebiet der Wupper wurden Regenmengen von 130 bis 160 l/m² gemessen. Diese Werte sind statistisch noch seltener als einmal in 1000 Jahren. Der Klimawandel verschiebt die Grenzen, statistisch bisher äußerst seltene Ereignisse werden wahrscheinlicher. Die DWA prüft, inwieweit die Bemessungsgrenzen für wasserwirtschaftliche Anlagen an den Klimawandel angepasst werden müssen.
Ausbau der Kanalisation keine Lösung
In verschiedenen Medien wurde die Wasserwirtschaft vergangene Woche aufgefordert, Entwässerungssysteme sowie Kanalisationen an die zunehmende Intensität der Starkniederschläge anzupassen. Die DWA betont, dass ein Ausbau der Kanalisation zur Ableitung von Starkregen nicht die Lösung sein kann. Zum einen wären die Entwässerungssysteme dann im Normalfall deutlich überdimensioniert. Dies würde die Entwässerung nicht nur deutlich verteuern, sondern aufgrund der zu großen Querschnitte auch zu erheblichen technischen Problemen führen. Zudem wäre ein solcher Ausbau auch nicht realisierbar. Dies unterstreichen Zahlen aus Münster. Im Juli 2014 fielen in der westfälischen Universitätsstadt innerhalb von sieben Stunden knapp 300 mm Niederschlag pro Quadratmeter. Auf das gesamte Stadtgebiet gingen in diesen Zeitraum rund 40 Mio. m³ Regen nieder. Demgegenüber stand eine Entwässerungskapazität in der Kanalisation und in den Gewässern von 1,5 Mio. m³. Auch in den Städten gilt: Zur Klimaanpassung muss Wasser in der Fläche zurückgehalten werden. Entsiegelung, Dach- und Fassadenbegrünungen, multifunktionale Retentionsflächen und vieles mehr sind notwendig - blau-grüne Infrastrukturen für eine klimabewusste Stadtentwicklung.
Link zum DWA-Padlet "Hilfe für die Hochwasserkatastrophengebiete": https://de.dwa.de/de/Hilfsangebote.html
Quelle und Kontaktadresse:
DWA - Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e.V.
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