Pressemitteilung | Arbeitgeberverband Gesamtmetall e.V.

Flächentarif: Unter Reformdruck - Vorteile sichern

(Köln) - Der Flächentarifvertrag in der Metall- und Elektro-Industrie steht unter Reformdruck – verstärkt durch den jüngsten Arbeitskampf in der ostdeutschen M+E-Industrie. Doch während Kritiker das System des Flächentarifs gleich ganz abschaffen wollen, bauen viele Betriebspraktiker nach wie vor auf seine Vorteile.

Dass sich Günther Clos in den letzten Jahren das eine oder andere Mal über einen Tarifabschluss in der Metall- und Elektro-Industrie (M+E)geärgert hat, will er gar nicht verhehlen. Auch nicht, dass er häufiger ins Grübeln kommt, ob sich die Anwendung des Flächentarifs für seine Firma überhaupt noch rechnet.

Doch wenn der Geschäftsführer der Deloro Stellite GmbH in Koblenz überlegt, dass er sich mit jedem Einzelnen seiner 280 Mitarbeiter zusammensetzten müsste, um stundenlang über das Entgelt, den Jahresurlaub, über das Weihnachtsgeld und sonstiges zu verhandeln, dann, so Clos, “bin ich wieder ganz froh, dass der Flächentarif mir das alles erspart”. Denn gerade wenn Einkommensanpassungen anstehen, wüsste er vor lauter Verhandlungen gar nicht, “wie ich mit meiner Zeit zurecht kommen sollte – und Zeit ist Geld”.

Auch für Michael K. Krömker, Vorsitzender der Geschäftsführung der Johann A. Krause Maschinenfabrik GmbH in Bremen, spielt der Flächentarifvertrag eine wichtige Rolle. Er verringert nämlich das Risiko von Produktionsstörungen durch Arbeitskonflikte ganz erheblich, weil er während der Vertragslaufzeit den Arbeitsfrieden garantiert. “Damit”, so Krömker, “konzentriert sich das Risiko des Produktionsstillstandes auf ein enges Zeitfenster. Wenn aber jedes Unternehmen für sich verhandeln würde, müssten wir ständig damit rechnen, dass es irgendwo knirscht, weil man sich nicht einigen kann.”

Damit würde das engmaschige Geflecht der Lieferanten- und Kundenbeziehungen zwischen den M+E-Betrieben empfindlich gestört. Doch gerade dieses Netzwerk zählt im Maschinenbau zu den wichtigsten Pluspunkten im weltweiten Wettbewerb. “Deshalb sind wir daran interessiert”, so Krömker, “dass möglichst viele unserer Lieferanten auch den Flächentarifvertrag anwenden, das macht unserer Produktionsnetzwerk stabiler.” Sein Betrieb arbeitet mit etwa 900 Zulieferern zusammen.

Zwei Beispiele von insgesamt etwa 6.000 Unternehmen der M+E-Industrie, die nach wie vor der Meinung sind, dass der Flächentarif ihnen nützt. Auch wenn seit Mitte der 90er Jahre das System zunehmend in die Kritik geraten ist, von einem Auslaufmodell kann beim Flächentarif keine Rede sein: Rund 60 Prozent aller Beschäftigten der Branche fallen unter seine Regelungen. Und weil der Flächentarifvertrag eine freiwillige Veranstaltung ist, müssen auch die beteiligten Unternehmen von seinen Vorteilen Überzeugt sein.

Zu diesen Vorteilen gehören neben den geringeren Regelungskosten im Betrieb und der Friedensicherung auch die Planungs- und Rechtssicherheit, die Stabilität von Liefernetzwerken und die grundsätzlich höhere Arbeitskampfschwelle. Doch die Kritik am Flächentarifvertrag hat nach dem diesjährigen Streik in der ostdeutschen M+E-Industrie neue Nahrung bekommen. Eine Reihe von Kritikern verlangt daher die “Befreiung der Wirtschaft vom Joch des Flächentarifvertrags” oder die “Abschaffung des Tarifkartells”. Die Arbeitsbedingungen sollten dann auf der betrieblichen Ebene geregelt werden, so wie in vielen anderen Ländern üblich.

Macht man aber die Betriebsparteien gleichzeitig zu Tarifparteien, würde das Konfliktpotenzial in den Betrieben zwangsläufig zunehmen. Die Betriebsräte hätten dann nicht nur die Befugnisse aus dem Betriebsverfassungsgesetz, sondern zusätzlich auch noch den Status und die Rechte einer Tarifpartei. Das könnte zu Ungleichgewichten führen und die Betriebe lähmen.

Dabei ist der Flächentarifvertrag in den letzten Jahren ohnehin schon ein gutes Stück flexibler und differenzierter geworden. “Die gestanzte Formel vom erstarrten Tarifkartell”, so Martin Kannegiesser, Präsident des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall, “spiegelt die Wirklichkeit unserer Industrie schon länger nicht mehr wider”. Auf der Haben-Seite moderner Flächentarifgestaltung in der M+E-Industrie sieht er auch die Einführung eines gemeinsamen Entgeltrahmentarifvertrags für Arbeiter und Angestellte.

Allerdings ist für Martin Kannegiesser auch klar, dass es notwendig ist, die Lohnfindung stärker zu differenzieren. Dies ginge zum Beispiel über Optionen im Flächentarif. Kannegiesser kann sich künftig aber auch ein verstärktes Nebeneinander von Flächentarifen, Haustarifen, einzelvertraglichen Lösungen und betrieblichen Bündnissen vorstellen. “Dabei wäre es keineswegs verwunderlich”, so Kannegiesser, “wenn das Ansehen des Flächentarifs am Ende wieder steigen würde, weil die Betriebe seine Vorteile dann mit den anderen Formen tariflicher Regelungen vergleichen können.”

Wie die Zukunft des Flächentarifvertrages und der Tarifautonomie insgesamt aussehen wird, hängt naturgemäß auch davon ab, in welche Richtung sich die Gewerkschaften entwickeln. “Das betrifft nicht zuletzt die Art und Weise”, so Kannegiesser, “wie die Gewerkschaften in Zukunft mit uns die Tarifkonflikte austragen wollen.”

Quelle und Kontaktadresse:
Gesamtverband der metallindustriellen Arbeitgeberverbände e.V. (Gesamtmetall) Volksgartenstr. 54 a, 50677 Köln Telefon: 0221/33990, Telefax: 0221/3399233

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