Familienreport 2017 / Erwerbstätigkeit ist kein Allheilmittel
(Berlin) - Trotz einiger positiver Aspekte entwirft der Familienreport 2017 insgesamt ein besorgniserregendes Bild der Situation von Familien und der Familienpolitik.
Positiv ist, dass junge Menschen sich Kinder wünschen - und immer mehr wünschen sich sogar drei und mehr Kinder. Dem steht allerdings die dramatische finanzielle Benachteiligung der Familien gegenüber, die neben Alleinerziehenden vor allem Mehrkindfamilien trifft. Fast jede dritte Paarfamilie mit drei und mehr Kindern lebt an der Armutsgrenze, bei Alleinerziehenden sind es mehr als die Hälfte. Kinderarmut ist Familienarmut - und diese ist nicht seit gestern bekannt. "Es ist ein gesellschaftlicher Skandal, dass in Deutschland drei Millionen Familien in Armut leben müssen", sagt Sebastian Heimann, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Familienverbandes.
"Bundesfamilienministerin Katarina Barley macht es sich viel zu leicht, wenn sie Familien einfach auf verstärkte Erwerbstätigkeit verweist", so Heimann. "Familienpolitik darf nicht der verlängerte Arm des Arbeitsministeriums sein." Der Familienreport erwähnt zwar, dass das Familieneinkommen gestiegen ist. Es wird aber außen vor gelassen, dass im selben Zeitraum die direkten und indirekten Steuern sowie die Sozialversicherungsabgaben deutlich gestiegen sind. Auf diese Weise werden Familien vom Staat paradoxerweise selbst arm gemacht. Nach Berechnungen des "Horizontalen Vergleichs" steigt die Einkommensbelastung von Familien seit Jahren stetig an. Um fast 10.000 Euro liegt das frei verfügbare Einkommen einer fünfköpfigen Familie unter dem steuerlichen Existenzminimum im Jahr 2017, trotz Kindergeld und Ehegattensplitting.
Seit Jahren kritisiert der Deutsche Familienverband das Verwirrspiel um die angeblich großzügige und milliardenschwere Familienförderung, an dem sich leider auch der Familienreport beteiligt, wenn beispielsweise über 40 Milliarden Euro Kindergeld als Familienleistung auflistet werden, ohne klarzustellen, dass ca. 50 Prozent davon keine staatliche Förderung ist, sondern die grundgesetzliche Rückerstattung zu viel gezahlter Steuern auf das Kindesexistenzminimum.
"Erwerbstätigen Mehrkindfamilien bleibt nach Abzug von Steuern und Sozialabgaben nicht einmal das steuerrechtliche Existenzminimum erhalten. In dieser Situation können sich Verbesserungen nicht auf einen engen Korridor im unteren Einkommensbereich beschränken, wie vom Bundesfamilienministerium vorgeschlagen. Alle Familien brauchen bessere Rahmenbedingungen, konkret einen höheren steuerlichen Kinderfreibetrag, ein höheres Kindergeld und einen Kinderfreibetrag in der Sozialversicherung, mit dem sie endlich von familienblinden Sozialabgaben entlastet werden", fordert Heimann.
Viel zu kurz greift der Familienreport auch beim Blick auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Hier wird erneut die vollzeitnahe Erwerbstätigkeit beider Eltern als Allheilmittel propagiert, ohne wirklich zu fragen, wieviel Zeit Eltern dann noch für ihre Kinder bleibt. Das zeigt auch die Tatsache, dass der Report seine Zielsetzungen auf eine Befragung von gerade einmal 56 Eltern und 43 Schulkindern stützt. "Von dieser kleinen Zahl befragter Familien zu schließen, dass Kinder keinen Mangel an gemeinsamer Zeit haben, wenn beide Eltern inklusive Fahrtzeiten den ganzen Tag außer Haus sind, ist abenteuerlich und wissenschaftlich unredlich. Der Familienreport weist zu Recht darauf hin, dass eine familienfreundliche Unternehmenskultur entscheidend für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und damit für die Chancen der Familien ist, ein gutes Erwerbseinkommen zu erzielen. Das funktioniert allerdings nicht mit Scheuklappen, sondern nur mit einem realistischen Blick auf die tatsächlichen Zeitbedürfnisse von Kindern und Eltern", kritisiert Sebastian Heimann.
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