Fahrplan ins Ungewisse
(Berlin) - Im Fahrplanwechsel bei der Deutschen Bahn AG am kommenden Sonntag sieht die Bahnexpertengruppe Bürgerbahn statt Börsenbahn etwas Licht und einigen Schatten. Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bahn AG Hartmut Mehdorn fordert immer wieder dazu auf, die Bahn nicht nur zu kritisieren, sondern auch Fortschritte zu würdigen. Voilá - es gibt über den Fahrplanwechsel am 12.12.2004 auch Positives zu berichten:
- Wer über eine BahnCard verfügt, kann nunmehr in 67 Städten im Innenstadtbereich kostenlos Bus oder Bahn fahren ("CityTicket").
- Die BahnCard 100 (persönliche Netzkarte) wird zunehmend zu einer Mobiltitätskarte ausgebaut, mit kostenloser Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel in mehr als 60 deutschen Städten
- Die ICE-Verbindung Berlin-Hamburg wurde zu akzeptablen Investitionskosten und in kurzer Zeit erheblich beschleunigt. Die Minute Zeitgewinn kostet hier maximal 20 Prozent dessen, was z.B. bei der Neubaustrecke Nürnberg-Erfurt eingeplant ist.
Mit dem Fahrplanwechsel kommt es jedoch auch zu weiteren Verschlechterungen:
- Die Normalpreise im Bahnverkehr steigen deutlich an - insbesondere bei Entfernungen ab 150 km, also dort, wo sie Ende 2002 mit der Tarifreform mit großem Trara reduziert wurden. Es herrscht weiterhin Tarifwirrwarr (zwei unterschiedlich konzipierte BahnCards; "Schnäppchenpreise", die die Idee der Mobilitätskarten konterkarieren).
- Wichtige Anschlüsse werden nicht mehr erreicht, sodass es zu Fahrtzeitverlängerungen kommt (so in München zwischen den ICEs vom Rheinland und von Frankfurt/M)
- Auf der Verbindung zwischen den zwei Großstädten Nürnberg und Dresden ("Sachsen-Franken-Magistrale") gibt es statt dem bisherigen 2-Stunden-Takt nun einen Vier-Stunden-"Takt".
Diese letztgenannte wichtige Strecke ist beispielhaft für verfehlte Investitionspolitik: 1997 verkehrten dort noch InterRegio-Züge. Dann wurde die Strecke für einen zweistelligen Millionen-Betrag für den Diesel-ICE-T ausgebaut. Der Erfolg: Der ICE-T wurde wegen technischer Pannen und Unwirtschaftlichkeit aufs Abstellgleis gestellt. Die Zahl der Fernzüge wurde halbiert, der Komfort reduziert (kein Bistro), die Fahrtzeit blieb die gleiche, die Preise sind um rund 25 Prozent höher. Ab 12.12. gibt es diese Verbindung nur noch mit Regionalzügen, die als IC umlackiert wurden und im 4-Stunden-Takt verkehren. Wer auf Komfort besteht, wird auf ICE-Verbindungen über Fulda oder über Leipzig verwiesen und bezahlt dann 50 oder 100 Prozent mehr.
Besonders blamabel beim neuen Fahrplanwechsel: Weitere Verbindungen ins benachbarte Ausland werden ausgedünnt oder gekappt. In Stuttgart wurden die Verbindungen nach Österreich und Italien verschlechtert. Von Süddeutschland gibt es keine Fernzüge mehr nach Prag. Die letzten Interregio-Verbindungen zwischen Dresden und Wroclaw (Breslau) werden eingestellt. Während man im Rahmen der EU-Erweiterung die United European Railways planen müsste, droht der Bahn ein Rückfall ins Zeitalter der Kleinstaaterei. Damit aber verpasst sie die Chance auf die dringend notwendige Verkehrswende, wie dies zum gleichen Fahrplanwechsel im Nachbarland Schweiz ansatzweise praktiziert wird.
Quelle und Kontaktadresse:
Arbeitskreis Verkehr und Umwelt e.V. (Umkehr)
Exerzierstr. 20, 13357 Berlin
Telefon: 030/4927473, Telefax: 030/4927972