Fahren ohne Fahrschein: Die Justiz ist kein Inkassobüro!
(Berlin) - Bereits seit November lässt ein Gesetzentwurf zur Entkriminalisierung der Beförderungserschleichung auf sich warten. Nun sträuben sich Verkehrsverbünde gegen die notwendige Reform. Der Deutsche Anwaltverein (DAV) dringt auf echte Entkriminalisierung. Bei einer bloßen Herabstufung zur Ordnungswidrigkeit drohe Betroffenen statt Ersatzfreiheitsstrafe die Erzwingungshaft - gewonnen wäre dadurch nichts.
"Zivilrechtliche Ansprüche werden in aller Regel auch auf dem Weg des Zivilrechts geklärt", erklärt Rechtsanwalt Prof. Dr. Ali B. Norouzi, stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses Strafrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV). Dass im Fall der Beförderungserschleichung das Strafrecht herangezogen werde, sei kaum zu rechtfertigen. Ein sozialer Nutzen entstehe dadurch nicht, der soziale Schaden hingegen sei enorm: "Die Verfahren und Freiheitsstrafen für Fahrten ohne Fahrschein kosten den Steuerzahler im Jahr etwa 200 Millionen Euro", so Norouzi. Dabei handele es sich um ein typisches Armutsdelikt. Die Betroffenen seien überhaupt nicht in der Lage, sich den Fahrschein oder die Strafen zu leisten, ein strafwürdiges Verhalten liege jedoch ohne Manipulations- oder Täuschungsversuche nicht vor. Der Rechtsanwalt macht deutlich: "Die Strafbarkeit schützt niemanden, sondern belastet den Fiskus und kann Existenzen kosten."
Deswegen gehe das Vorhaben des Bundesjustizministeriums dem DAV auch nicht weit genug. "Eine Herabstufung zur Ordnungswidrigkeit ist nicht ausreichend, es braucht eine echte Entkriminalisierung", meint Prof. Dr. Norouzi. Andernfalls würde zwar die Ersatzfreiheitsstrafe entfallen, dennoch könnten Betroffene im Rahmen der Erzwingungshaft im Gefängnis landen. Die zivilrechtlichen Möglichkeiten, gegen Schwarzfahrer:innen vorzugehen, seien völlig ausreichend.
Neben der Beförderungserschleichung sollen auch andere Tatbestände entkriminalisiert werden - unter anderem die Fahrerflucht, die zur Ordnungswidrigkeit herabgestuft werden soll. Der DAV ruft hier zu mehr Tempo auf: "Die Eckpunkte zu den Entkriminalisierungsprojekten des BMJ stehen seit vielen Monaten fest. Auf den Gesetzentwurf warten wir noch immer - es wird Zeit, hier tätig zu werden", macht Rechtsanwalt Norouzi deutlich.
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