FÄ zum bundesweiten Protesttag am 2.10.: "Das BMG arbeitet offensichtlich mit Falschaussagen!"
(Essen) - Der Aufruf von etlichen Ärzteverbänden zu Praxisschließungen am 2. Oktober unter dem Motto "Praxis in Not" trifft auch bei der Freien Ärzteschaft (FÄ) auf Zustimmung. "Wir schauen bei dieser katastrophalen Gesundheitspolitik nicht tatenlos zu und fordern alle Kolleginnen und Kollegen auf, ihre Praxen an diesem Tag für die gesetzlich Versicherten komplett zu schließen", appelliert FÄ-Vorsitzender Wieland Dietrich an die Niedergelassenen, und nennt dafür mehrere Gründe. Und kritisiert die sehr prompte mehrseitige Reaktion aus dem Gesundheitsministerium auf den bundesweit angekündigten Protesttag.
Hauptargumente für die von der Freien Ärzteschaft unterstützte Protestaktion sind für den Essener Dermatologen die inzwischen massive Unterfinanzierung der ambulanten Medizin, fehlender Inflationsausgleich und eine dysfunktionale Telematik-Infrastruktur (TI) mit angedrohten Sanktionen für alle, die nicht daran teilnehmen, sowie eine Störung des Vertrauensverhältnisses zwischen Ärzten und Patienten. Insbesondere das elektronische Rezept bedeute für die Praxen mehr Arbeit, keinesfalls aber die durch "Digitalisierung" immer wieder in Aussicht gestellten Entlastungen.
Verdächtig schnelle BMG-Reaktion inklusive Falschaussagen
Kaum machte die Meldung des angekündigten Protesttags die Runde, folgte nicht einmal vier Stunden später eine Reaktion dazu aus dem Bundesgesundheitsministerium, in der das Ministerium den Ärzteverbänden bei ihrer Kampagne "Praxis in Not" "Halbwahrheiten" vorwarf.
"Da entsteht der Eindruck, als hätte die Pressestelle des BMG lediglich flott ein dazu längst vorbereitetes mehrseitiges Dokument aus der Schublade gezogen für den Fall, dass die Ärztinnen und Ärzte nicht nach Lauterbachs Pfeife tanzen", mutmaßt Dietrich. Denn in solch kurzer Zeit habe ein so umfangreicher offizieller Pressetext wohl kaum erstellt, noch mit allen Beteiligten abgestimmt werden können. "Das BMG wird ganz offensichtlich von den gesetzlichen Krankenkassen dominiert - ehemalige Kassenmitarbeiter gibt es dort ja zahlreich".
Die Vorwürfe, mit Halbwahrheiten zu argumentieren, weist er zurück. "Es ist doch das BMG, das mit falschen Behauptungen agiert". So stimme es schlichtweg nicht, zu behaupten, dass die Ärztinnen und Ärzte hierzulande von der Telematik-Infrastruktur profitiert hätten. "Genau das Gegenteil ist der Fall! Wir Niedergelassenen hatten durch die TI erhebliche Kosten von oftmals Tausenden Euro pro Praxis, mehr Arbeit durch schlechte Funktionalitäten, zeitlichen Mehraufwand und Ausfälle - aber überhaupt keinen Nutzen", dreht Dietrich den Spieß um.
"Der Zahlentrick von BMG und Kassen bezüglich der Kasseneinnahmen besteht darin, dass nur noch von "Einnahmen je Praxis" gesprochen wird - wohlweislich, dass es wegen des wirtschaftlichen Drucks immer mehr Praxen mit zwei oder mehreren Ärzten gibt als noch vor ein paar Jahren", ergänzt der FÄ-Vorsitzende. "Fakt ist, dass kaum noch eine Facharztpraxis in Deutschland allein mit Kasseneinnahmen existieren kann. Und auch deshalb gibt es immer mehr Privatpraxen in Deutschland".
Fatale Folgen - vor allem für gesetzlich Versicherte
Trotz der unbedingt nötigen Protestaktion am 02. Oktober solle sich der niedergelassene Bereich bereits darauf vorbereiten, dass die Krankenkassen und das Gesundheitsministerium nicht auf die Forderungen der Ärztinnen und Ärzte eingehen. Das werde aus Sicht der Freien Ärzteschaft weitreichende Folgen für die gesundheitliche Versorgung vieler kranker Menschen nach sich ziehen:
- Eingeschränkte Leistungen für gesetzlich Versicherte, da die Kriterien der "notwendigen und ausreichenden" Versorgung nach dem Sozialgesetzbuch künftig noch strenger anzuwenden seien
- Einschränkung von Sprechstundenzeiten für GKV-Versicherte mit weiter zunehmenden Wartezeiten - eine 4-Tage-Woche wurde bereits diskutiert
- Ausrichtungen der Vertragsarztpraxen weg von der Kassen- und hin zur Privatmedizin
Hippokratischer Eid in der Kassenmedizin - quo vadis?
"Das System der ambulanten Kassenmedizin ist in der jetzigen Form kaum mehr geeignet, den Patientinnen und Patienten das zukommen zu lassen, was Ärztinnen und Ärzte aus medizinischer und menschlicher Sicht wollen und für sinnvoll erachten, weil die aktuellen Bedingungen das nicht zulassen. Das System ist kaputt!", bringt der FÄ-Vorsitzende es auf den Punkt. Und weist daraufhin, dass immer mehr ärztliche Kolleginnen und Kollegen aus dem GKV-System aussteigen oder Praxen ohne Nachfolger schließen. "Es frustriert Ärzte, aus wirtschaftlichen Gründen massenhaft Patientinnen und Patienten im Fünf-Minutentakt durch die Praxen schleusen zu müssen. Aber viel mehr Zeit lässt die derzeitige Kassenmedizin hierzulande nicht zu mit Blick auf eine noch halbwegs wirtschaftliche Praxisführung, was auch für zunehmende Unzufriedenheit bei den Patientinnen und Patienten sorgt. Das ist weit entfernt von einer befriedigenden Berufsausübung, und gerät auch in Konflikt mit dem hippokratischen Eid, den wir Ärztinnen und Ärzte schließlich geleistet haben!".
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