Europas größte Flussrenaturierung geht in die nächste Etappe
(Berlin/Rathenow) - Europas größtes Flussrenaturierungsprojekt geht in die nächste Etappe: Die Präsidentin des Bundesamts für Naturschutz (BfN) Sabine Riewenherm hat heute in Rathenow den Förderbescheid für das neue Projekt im Bundesprogramm Blaues Band Deutschland "Untere Havel zwischen Plaue und Gnevsdorf" an den NABU überreicht. Die rund achteinhalb Millionen Euro kommen aus dem Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz des Bundesumweltministeriums. Das Land Brandenburg beteiligt sich durch das Bereitstellen von Flächen im Wert von rund 17 Prozent der Gesamtkosten. Das Vorhaben ergänzt das Naturschutzgroßprojekt "Untere Havelniederung zwischen Pritzerbe und Gnevsdorf" und ermöglicht, die Flussrenaturierung deutlich voranzutreiben.
Geplant ist die Umsetzung von insgesamt elf Maßnahmenbereichen in Brandenburg, darunter der Anschluss und die Revitalisierung von Auengewässern und Nebengerinnen, der Wiederanschluss von Überflutungsgebieten und der Rückbau von nicht mehr benötigten Entwässerungssystemen. Zudem sollen an ausgewählten Standorten Kiefermonokulturen in naturnahen Wald umgewandelt werden.
Der NABU führt das Projekt in einer Kooperation mit der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV) durch. Die Kooperationsvereinbarung wurde im Dezember 2022 geschlossen. Der NABU setzt Maßnahmen in der Aue um, während die WSV, vertreten durch das Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt (WSA) Spree-Havel, Revitalisierungsmaßnahmen an der Unteren-Havel-Wasserstraße in Brandenburg und Sachsen-Anhalt umsetzt. Das WSA Spree-Havel erhielt im Juni 2023 die Zustimmung für das BBD-Projekt der WSV "Revitalisierung von Altarmen an der Unteren Havel zwischen Pritzerbe und Gnevsdorf".
NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger: "Die Flutkatastrophe in Süddeutschland Anfang Juni hat uns ein weiteres Mal gezeigt, welch gravierende Folgen die sich weiter zuspitzende Klimakrise für uns hat. Umso wichtiger sind Renaturierungen wie unser Projekt an der Unteren Havel, das wir gemeinsam mit den Kommunen und den Menschen vor Ort umsetzen. Flüssen wieder ihren Raum zu geben, das Wasser in der Landschaft zu halten, ist der beste Hochwasserschutz. An der Havel leben zudem viele selten gewordene Tier- und Pflanzenarten, wie Seeadler, Fischotter, Rotbauchunke und Sumpfdotterblume. Mit der Förderung können wir die einzigartige Artenvielfalt an der Unteren Havel schützen."
Sabine Riewenherm, Präsidentin des BfN: "Naturnahe Flüsse und Auenlandschaften mit ihrer enormen biologischen Vielfalt bergen große Potenziale für gemeinsame Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel, den Hochwasserschutz und den Naturschutz. Der Naturschutzbund Deutschland leistet in der Havelregion bereits seit zwei Jahrzehnten hervorragende Arbeit. Gemeinsam mit der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes, den Kommunen, Landkreisen und Bundesländern werden hier die Ziele des natürlichen Klimaschutzes und des Naturschutzes vorbildlich umgesetzt."
Eric Oehlmann, Leiter der Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt (GDWS):
"Die Übergabe des Förderbescheids an den NABU ist auch für uns in der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes ein positives Signal. Denn es bestätigt die Bedeutung dieser besonderen Gewässerlandschaft und stärkt unsere gemeinsame Zusammenarbeit. Das ist eine ideale Basis für die weitere Entwicklung des Projektes, von dem die ganze Region profitieren wird."
Dr. Frank Reichel, Abteilungsleiter im MLUK Brandenburg: "Das Projekt trägt durch eine intensive Vernetzung von Fluss und Aue dazu bei, den Rückgang der vorhandenen Vielfalt wildlebender Arten in einem der größten binnenländischen Feuchtgebiete aufzuhalten. Ziel ist darüber hinaus die Situation gefährdeter Arten und Biotope zu verbessern und überlebensfähige Populationen von Arten, für die Brandenburg eine besondere Verantwortung trägt, langfristig zu sichern. Damit dient es nicht nur der Erreichung der Ziele des Maßnahmenprogramms biologische Vielfalt des Landes Brandenburg, sondern reiht sich ganz aktuell in die Zielsetzung der EU-Biodiversitätsstrategie 2030 ein und leistet gleichzeitig einen Beitrag zum natürlichen Klimaschutz."
Rocco Buchta, Leiter des NABU-Instituts für Fluss- und Auenökologie: "Mit dieser Förderung werden wir in der Lage sein, die restlichen bisher nicht finanzierten Maßnahmen umzusetzen, die zwischen 2005 und 2008 entwickelt und in der Region in einem umfassenden Prozess abgestimmt worden sind. Heute ist deshalb ein wichtiger Tag und Grund zur Freude für alle, die zum Gelingen dieses außergewöhnlichen Projektes beigetragen haben."
Hintergrund
Die Untere Havelniederung ist das größte und bedeutsamste Feuchtgebiet im Binnenland des westlichen Mitteleuropas. Allerdings verursachten Flussausbaumaßnahmen ab Ende des 19. Jahrhunderts weitreichende ökologische Schäden. Zwischen 2005 und 2009 plante der NABU das umfassende Renaturierungsprojekt; seit 2010 finden die Rück- und Umbauten statt, um den Fluss wieder so naturnah wie möglich zu gestalten. Das Naturschutzgroßprojekt "Untere Havel zwischen Pritzerbe und Gnevsdorf" wird vom Bundesumweltministerium (BMUV) im Programm "chance.natur - Bundesförderung Naturschutz" sowie von den Ländern Brandenburg und Sachsen-Anhalt gefördert und vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) fachlich begleitet. Ergänzende Maßnahmen wurden zudem mit EU-Mitteln gefördert. Die Dimensionen des Projekts sind immens, es ist das größte seiner Art in Europa. Die Erfolge der Renaturierung sind heutzutage schon deutlich sichtbar: Die Untere Havel ist wieder ein Naturparadies und Lebensraum für zahlreiche, teilweise seltene Arten, wie zum Beispiel Kampfläufer, Aal und Sumpfdotterblume. Seit Beginn der Baumaßnahmen 2010 konnten insgesamt 25 Kilometer Uferdeckwerk zurückgebaut, 51 Flutrinnen und 20 Altarme an den Fluss angeschlossen werden. Es wurden Uferverwallungen abgesenkt, damit sich natürlicher Auenwald entwickelt. Außerdem wurden 79 Hektar Auenwald initialisiert und 746 Hektar Überflutungsgebiet zurückgewonnen.
Quelle und Kontaktadresse:
Naturschutzbund Deutschland e.V. (NABU)
Pressestelle
Charitéstr. 3, 10117 Berlin
Telefon: (030) 284 984-0, Fax: (030) 284 984 - 20 00