Europäischer Bericht zur sozialen Integration: Armutsbekämpfung für 55 Millionen Menschen muss Priorität haben
(Berlin/Hildesheim) - Die Europäische Kommission hat dem Europäischen Rat für den Frühjahrsgipfel am 25. und 26. März ihrenGemeinsamen Bericht über soziale Eingliederung mit Empfehlungen an alle Mitgliedsstaaten der EU vorgelegt. Für Deutschland heißt es hierin: Die Arbeitsmarktpolitik muss besser an die Bedürfnisse von Menschen mit geringen Vermittlungschancen angepasst, soziale Sicherung für alle erreicht, wachsende Kinderarmut beseitigt und Armut von ethnischen Minderheiten reduziert werden.
Die Nationale Armutskonferenz (NAK) erwartet von der Bundesregierung, dass wie beim Europäischen Gipfel 2000 in Lissabon vereinbart - entscheidende Fortschritte in der Beseitigung der Armut in der Europäischen Union bis 2010 gemacht werden. Um dies zu erreichen sind Initiativen auf höchster politischer Ebene erforderlich.
Aus Sicht der Europäischen Kommission muss die Bundesregierung konkrete Maßnahmen ergreifen, um die Hauptziele der Lissabonner Strategie zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung zu erreichen. Hierzu gehören insbesondere Maßnahmen in der Arbeits-markt- und Bildungspolitik sowie eine verbesserte Integration von Zuwanderern. Die soziale Grundsicherung werde zwar dem Ziel der Armutsprävention gerecht, doch müssten die im Nationalen Aktionsplan (NAP) genannten Lücken in der Absicherung geschlossen werden. Als dringend verbesserungsbedürftig wird die Koordinierung zwischen den verschiedenen Regierungsebenen (Bund, Länder und Gemeinden) angesehen.
Der Bericht bewertet die Nationalen Aktionspläne zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung aller EU-Mitgliedstaaten sowie der Beitrittsländer. Wenn die Mitgliedsstaaten konstruktiv mit den EU-Institutionen kooperieren, wäre dies ein guter Weg, gegen den wachsenden Euroskeptizismus anzugehen, betont Fintan Farrell, Direktor des Europäischen Armutsnetzwerks. In den Beitrittsländern gebe es oft eine hohe Arbeitslosigkeit ohne ausreichende Sozialschutzsysteme, um insbesondere alten, kranken oder behinderten Menschen ein sicheres Einkommen zu bieten. In einigen Ländern sei die soziale Lage von Kindern, Menschen mit geistiger Behinderung und ethnischen Minderheiten besorgniserregend. Andererseits sei die Kluft zwischen Arm und Reich in den Beitrittsländern kleiner und das Bildungsniveau höher als in vielen derzeitigen Mitgliedstaaten.
Mehr als 55 Millionen Menschen in der Europäischen Union lebten 2001 in relativer Einkommensarmut. Das entspricht 15 Prozent der EU-Bevölkerung. Über die Hälfte von ihnen befand sich dauerhaft in dieser Situation, wobei das Armutsrisiko regional sehr unterschiedlich ist. In Schweden leben zehn Prozent der Bevölkerung in Armut, in Irland bis zu 21 Prozent. In Deutschland sind elf Prozent der Bevölkerung von Armut betroffen. Ein wesentlich höheres Armutsrisiko bestand meist für Arbeitslose, allein Erziehende (vor allem Frauen), allein lebende ältere Menschen (ebenfalls vorwiegend Frauen) und kinderreiche Familien.
Im vorgelegten Bericht werden sechs Handlungsschwerpunkte für die kommenden Jahre festgelegt. Hierzu gehören die Förderung von Investitionen in aktive Arbeitsmarktmaßnahmen, der Ausbau von Sozialschutzsystemen, der Zugang sozial benachteiligter Personen zu angemessenem Wohnraum und Gesundheitsdienstleistungen sowie konzertierte Maßnahmen zur Verhinderung von Schulabbrüchen. Die Beseitigung von Kinderarmut muss Priorität haben, die Anstrengungen zur Bekämpfung der Armut und sozialen Ausgrenzung von Zuwanderern und ethnischen Minderheiten sind zu verstärken.
Der Erfolg der Sozial- und Arbeitsmarktpolitik der Bundesregierung wird auch nach diesen Vorgaben zu bewerten sein. Die NAK fordert mit Blick auf die aktuellen Reformvorhaben der Regierung eine entschieden verbesserte Transparenz bei Gesetzgebungsverfahren und eine wirksame Beteiligung der Verbände und Betroffenenorganisationen am Prozess der politischen Meinungs- und Willensbildung. Die Nationale Armutskonferenz (NAK) und die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege sind zur Mitarbeit bereit.
Nähere Informationen:
- Der Gemeinsame Bericht ist abrufbar unter
http://www.europa.eu.int/comm/employment_social/soc-prot/soc-incl/com_2003_773_jir_de.pdf
- Zur Inclusion-Strategie der Europäischen Union http://www.eapn.org/inclusion/strategy_en.htm
- Der deutsche Aktionsplan ist abrufbar unter http://www.bmgs.bund.de/deu/gra/themen/sicherheit/nat_aktionsplan/
- Die Stellungnahme der nak zum deutschen Aktionsplan
http://www.nationale-armutskonferenz.de/publications/Aktionsplan/Stellungbagfwnak-nap-august-endg2.pdf
Quelle und Kontaktadresse:
Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege e.V.
Bettina Neuhaus, Pressereferentin
Oranienburger Str. 13 - 14, 10178 Berlin
Telefon: 030/240890, Telefax: 030/24089134