EugH kippt Weservertiefung
(Berlin) - Der Europäische Gerichtshof hat mit Urteil vom 01.07.2015 eine mit Spannung erwartete Entscheidung in Sachen "Weservertiefung" getroffen. Dem Urteil zufolge gelten die in der EU-Wasserrahmenrichtlinie vorgesehenen Verpflichtungen zur Verbesserung und zur Verhinderung der Verschlechterung auch für konkrete Vorhaben wie etwa die Vertiefung eines schiffbaren Flusses.
Die Richtlinie steht daher der Genehmigung eines solchen Vorhabens entgegen, wenn es eine Verschlechterung des Zustands des betreffenden Wasserkörpers herbeiführen kann und keine Ausnahme eingreift.
Der EuGH hat somit den Plänen zur Vertiefung der Weser in ihrer jetzigen Form eine Absage erteilt. Der EuGH hatte vorliegend über eine Vorlage des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) zu entscheiden. Im zugrunde liegenden Sachverhalt hatte der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e. V. (BUND) vor dem BVerwG die von der zuständigen Bundesbehörde erteilte Genehmigung für die Vertiefung verschiedener Teile der Weser angefochten. Ziel der Weservertiefung ist es, größeren Containerschiffen die Durchfahrt zu den Häfen von Bremerhaven, Brake und Bremen zu ermöglichen. So ist vorgesehen, die Fahrrinne der Außenweser vom offenen Meer bis Bremerhaven um bis 1,16 Meter und die Fahrrinne der Unterweser von Bremerhaven flussaufwärts bis Brake um bis einen Meter zu vertiefen. Ferner soll die Fahrrinne der Unterweser von Brake flussaufwärts bis Bremen vertieft werden.
Nach Ansicht des BVerwG haben die fraglichen Vorhaben neben den unmittelbaren Auswirkungen des Ausbaggerns in bestimmten Bereichen der Weser weitere hydrologische und morphologische Folgen für die betroffenen Flussabschnitte. So würden die Strömungsgeschwindigkeiten sowohl bei Ebbe als auch bei Flut zunehmen, die Tidehochwasserstände würden höher und die Tideniedrigwasserstände niedriger, der Salzgehalt in Teilen der Unterweser würde zunehmen, die Brackwassergrenze in der Unterweser würde stromaufwärts verschoben und schließlich würde die Verschlickung des Flussbetts außerhalb der Fahrrinne zunehmen.
Da das BVerwG Zweifel hat, ob die EU-WRRL für das Genehmigungsverfahren dieses konkreten Vorhabens gilt oder ob sie sich darauf beschränkt, bloße Zielvorgaben für die Bewirtschaftungsplanung aufzustellen, hat es sich an den EuGH gewandt. Es möchte ferner wissen, welche Kriterien gegebenenfalls für die Prüfung des Vorliegens einer Verschlechterung des Zustands eines Wasserkörpers im Sinne der Richtlinie maßgebend sind.
Entscheidung:
Mit Urteil vom 01.07.2015 (Az.: C-461/13) hat der EuGH festgestellt, dass das Endziel der WRRL darin besteht, durch eine konzertierte Aktion bis Ende 2015 einen "guten Zustand" aller Oberflächengewässer in Europa zu erreichen. Die Umweltziele, zu deren Erreichung die Mitgliedsstaaten verpflichtet sind, umfassen zwei Verpflichtungen - nämlich die Verpflichtung, eine Verschlechterung des Zustands aller Oberflächenwasserkörper zu verhindern (Verschlechterungsverbot), und die Verpflichtung, diese Wasserkörper zu schützen, zu verbessern und zu sanieren. Unter Berücksichtigung des Wortlauts, der Ziele und der Struktur der Richtlinie ist der EuGH der Auffassung, dass es sich dabei nicht nur um programmatische Verpflichtungen handelt, sondern dass sie auch für konkrete Vorhaben gelten.
Der EuGH hat daher dem BVerwG geantwortet, dass die Mitgliedsstaaten vorbehaltlich der Gewährung einer Ausnahme verpflichtet sind, die Genehmigung für ein konkretes Vorhaben zu versagen, wenn es eine Verschlechterung des Zustands eines Oberflächenwasserkörpers verursachen kann oder wenn es die Erreichung eines guten Zustands (auch eines guten chemischen Zustands) zu dem nach der Richtlinie maßgeblichen Zeitpunkt gefährdet.
Auf die Frage, ab wann eine "Verschlechterung des Zustands" eines Oberflächenwasserkörpers gegeben ist, hat der EuGH geantwortet, dass eine solche Verschlechterung vorliegt, sobald sich der Zustand mindestens einer Qualitätskomponente im Sinne des Anhangs V der Richtlinie um eine Klasse verschlechtert, auch wenn diese Verschlechterung nicht zu einer Verschlechterung der Einstufung des Oberflächenwasserkörpers insgesamt führt. Ist jedoch die betreffende Qualitätskomponente im Sinne von Anhang V bereits in der niedrigsten Klasse eingeordnet, stellt jede Verschlechterung dieser Komponente eine "Verschlechterung des Zustands" eines Oberflächenwasserkörpers dar.
Anmerkung:
Der EuGH hat mit der vorliegenden Entscheidung klargestellt, dass es sich bei dem aus der EU-Wasserrahmenrichtlinie abzuleitenden Verschlechterungsverbot nicht nur um einen Programmsatz handelt, sondern dass diese Verpflichtung auch für konkrete Einzelvorhaben gilt. Mithin ist bei Maßnahmen an Oberflächengewässern immer zu prüfen, ob eine konkrete Verschlechterung des Gewässerzustands zu besorgen ist.
Das EuGH-Urteil zur "Weservertiefung" hatte sich bereits abgezeichnet, nachdem ein EU-Gutachter sich im Oktober 2014 für strenge Gewässerschutzregeln ausgesprochen hatte. Das Einzelvorhaben muss nun erneut beim BVerwG verhandelt werden. Dieses hat insbesondere zu prüfen, inwieweit eine mögliche Ausnahme vom Anwendungsbereich des Verschlechterungsverbots vorliegen könnte. Insoweit bleibt die abschließende Entscheidung des BVerwG abzuwarten.
Quelle und Kontaktadresse:
Deutscher Städte- und Gemeindebund e.V. (DStGB)
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