"EU streut Brosamen um den großen Kuchen zu sichern"
(Köln) - FIAN, die Menschenrechtsorganisation für das Recht auf Nahrung, hat die gestrige Abschlusserklärung der Ministerkonferenz der Welthandelsorganisation WTO als "entwicklungspolitische Mogelpackung" bezeichnet. Armin Paasch, Handelsexperte bei FIAN Deutschland, kritisierte die von Wirtschaftsminister Michael Glos geäußerte Absicht, in den Folgeverhandlungen "die Marktöffnungsinteressen unserer Industrie mit allem Nachdruck" zu vertreten. "Die EU hat ein paar Brosamen hingestreut, um sich im nächsten Jahr den großen Kuchen zu sichern", so Paasch. "Die Bundesregierung darf nicht auf Abkommen drängen, die zu Verletzungen sozialer Menschenrechte in Entwicklungsländern führen".
Die Einwilligung der EU, bis 2013 die Exportsubventionen für landwirtschaftliche Produkte abzuschaffen, war laut Paasch längst überfällig. Es sei blamabel, dass sie sich der Forderung der Entwicklungsländer nach einem Ende bis 2010 verweigert habe. Alle anderen vermeintlichen Zugeständnisse verlangten von der EU keinerlei Änderung ihrer bisherigen Praxis. Den beschlossenen zoll- und quotenfreien Marktzugang für die meisten Exportprodukte der ärmsten Entwicklungsländer (LDCs) gewährt die EU ohnehin schon seit 2001. Auch die Unterstützungsgelder zur Verbesserung der Infrastruktur in diesen Länder waren vor Hongkong schon längst beschlossene Sache. Mit der Abschaffung der Exportsubventionen auf Baumwolle bis Ende 2006, was vor allem die USA betrifft, wird nur ein bereits geltendes Urteil der Streitschlichtungskommission der WTO bestätigt.
Weitgehend ungelöst bleibt dagegen die Frage nach den Schutzmöglichkeiten der Entwicklungsländer gegen Billigimporte von Grundnahrungsmitteln und anderen Produkten, die für das wirtschaftliche Überleben und das Menschenrecht auf Nahrung von Millionen KleinbäuerInnen von zentraler Bedeutung sind. Auch ohne Exportsubventionen werden die EU und die USA ihre landwirtschaftlichen Produkte weit unterhalb der Produktionskosten absetzen und die lokalen Märkte von KleinbäuerInnen in Entwicklungsländer überfluten. Regelungen zum Abbau der Überschussproduktion oder zur Bindung interner Stützungen an soziale und ökologische Kriterien stehen nicht auf der Agenda.
"Im Landwirtschaftsbereich haben weder die EU noch die USA wirklich Federn gelassen", so Paasch. "Umso skandalöser ist es daher, dass für nicht-landwirtschaftliche Produkte eine Marktöffnungsformel beschlossen wurde, die in Entwicklungsländern zu Pleiten und Massenentlassungen in der Industrie, Fischerei und Forstwirtschaft führen könnte." Auch für Dienstleistungen sei ein Verhandlungsmodus beschlossen worden, der den Liberalisierungsdruck auf Entwicklungsländer stark erhöht. Vieles hänge noch von der konkreten Ausgestaltung ab. "Das Pochen von Michael Glos auf die Interessen der eigenen Industrie lässt für den weiteren Verhandlungsverlauf nichts Gutes erahnen", prognostiziert Paasch. "Das Recht auf Nahrung und andere Menschenrechte dürfen nicht den Profitinteressen europäischer Industrie- und Dienstleistungsunternehmen geopfert werden."
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