EU-Kommission veröffentlicht Versuchstierzahlen: Deutschland erneut trauriger Spitzenreiter
(Bonn) - Deutschland ist zum zweiten Mal in Folge EU-weit das Land, in dem zuletzt die meisten Tiere zu wissenschaftlichen Zwecken verwendet wurden. Das geht aus einem jetzt von der EU-Kommission veröffentlichten Bericht1 für das Jahr 2020 hervor. Der Deutsche Tierschutzbund kritisiert, dass Deutschland zu wenig unternimmt, um die Zahl der Versuchstiere zu reduzieren und um Tierversuche durch leidfreie Methoden zu ersetzen.
"Die Statistik attestiert unserem Land erneut einen bitteren ersten Platz. Trotz immenser Fortschritte in der Entwicklung von Alternativmethoden sind Tierversuche nach wie vor an der Tagesordnung, Jahr für Jahr sterben unzählige Tiere durch Methoden, die sowohl gesellschaftlich als auch wissenschaftlich nicht mehr zeitgemäß sind", kommentiert Tilo Weber, Fachreferent für Alternativmethoden zu Tierversuchen beim Deutschen Tierschutzbund. "Der geringe Rückgang bei den aktuellsten Zahlen ist den Lockdowns im Frühling 2020 zu verdanken, als viele Versuchsreihen abgebrochen wurden, aber sicher nicht einer besseren Politik - im Grunde hat sich nichts bewegt. Die Bundesregierung muss das EU-Ziel zur Reduktion von Tierversuchen endlich ernsthaft angehen und dafür die Strategie vorlegen, die sie auch im Koalitionsvertrag verspricht!"
Fast ein Fünftel aller Verwendungen allein in Deutschland
Die in der Statistik aufgeführten Gesamtzahlen für die EU-Mitgliedstaaten sowie Norwegen verharren trotz abgebrochener Versuchsreihen in 2020 auf hohem Niveau: Insgesamt zählt die Kommission 8.054.930 Verwendungen von Tieren zu Forschungs- und Versuchszwecken in 2020 im Vergleich zu 8.715.224 in 2019. Über 7.9 Millionen Tiere wurden dabei erstmalig benutzt, fast 117.000 Tiere wurden erneut verwendet. Mit 1.536.834 Verwendungen (19,1 Prozent der Gesamtzahl) liegt Deutschland beim Tierverbrauch zum zweiten Mal in Folge auf Platz 1 - vor Frankreich mit 18,8 Prozent und Norwegen mit 17,5 Prozent. Zusätzlich wurden in Deutschland 360.806 Tiere nicht direkt in Versuchen, sondern zur Schaffung und Erhaltung genetisch veränderter Tierlinien verwendet. Dies ist mehr als die Hälfte der in der gesamten EU plus Norwegen dafür eingesetzten 686.628 Tiere. Am häufigsten wurden Mäuse (4.014.571) und Fische (2.222.069) verwendet, aber auch Primaten (7.316), Hunde (19.412) und Katzen (3.959). Fast 800.000 Tiere erlitten den höchsten Grad an Schmerzen, Leiden, Ängsten und Schäden. Keine Berücksichtigung in den EU-Zahlen finden die zur Organ- und Gewebeentnahme getöteten Tiere sowie die Überschusstiere.
EU-Kommission und Bundesregierung müssen handeln
Anfang des Jahres hatten über 1,2 Millionen EU-Bürgerinnen und -Bürger mit einer vom Deutschen Tierschutzbund unterstützten Bürgerinitiative ein Europa ohne Tierversuche gefordert. Die EU-Kommission muss nun auf diese reagieren. Der Tierschutzbund sieht aber auch die Bundesregierung in der Pflicht: Bis zu einem Komplettausstieg müsse die Förderung von tierleidfreien Ersatzmethoden massiv ausgeweitet und zumindest schwerbelastende Tierversuche und Versuche an nichtmenschlichen Primaten sofort verboten werden.
Quelle:
1: "Summary Report on the statistics on the use of animals for scientific purposes in the Member States of the European Union and Norway in 2020"
Quelle und Kontaktadresse:
Deutscher Tierschutzbund e.V.
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