EU-Designschutznovelle zurückgezogen - GVA: Autofahrer zahlen die Zeche für die Blockade im EU-Ministerrat
(Ratingen) - Mit der Veröffentlichung im EU-Amtsblatt am 21. Mai hat die Europäische Kommission den Entwurf zur Neufassung der EU-Designrichtlinie 98/71/EG nun offiziell zurückgezogen. Eine abschließende Entscheidung über das Dossier, das u.a. die europaweite Einführung einer Reparaturklausel für sichtbare Kfz-Ersatzteile vorsah, wurde seit Dezember 2007 im EU-Ministerrat von Vertretern Frankreichs und Deutschlands blockiert. Verlierer dieser Entwicklung sind die Autofahrer, die auch weiterhin nur auf die teuren Monopolteile der Fahrzeughersteller zurückgreifen können.
Liberalisierung wäre die verbraucherfreundliche Lösung
Blech- und Glasschäden am Fahrzeug werden für Autofahrer schnell teuer, wenn sichtbare Kfz-Ersatzteile wie Motorhauben, Kotflügel, Außenspiegel, Autoglas und Scheinwerfer nur vom Fahrzeughersteller erhältlich sind. Grund dafür ist der Designschutz, der es Teileherstellern und freien Teilehändlern untersagt, diese Produkte als Ersatzteile anzubieten. Die EU-Kommission hat das Problem bereits vor langer Zeit erkannt und im Jahr 2004 eine Novelle der EU-Designschutzrichtlinie vorgelegt, die einerseits den berechtigten Interessen der Fahrzeughersteller am Designschutz ihrer Neufahrzeuge Rechnung trägt, gleichzeitig aber durch die Einführung einer so genannten Reparaturklausel den Ersatzteilmarkt für unabhängige Anbieter öffnet. Anders als beim Design von Neufahrzeugen kann es im Ersatzteilmarkt keine Formenvielfalt geben, wie GVA-Präsident Hartmut Röhl erläutert: "Ein Scheinwerfer zum Beispiel muss eine bestimmte Form haben, damit er in ein Fahrzeug verbaut werden kann. Eine Formenvielfalt ist nicht möglich, ein Designschutz im Ersatzteilbereich daher unsinnig. Hier verhilft der Designschutz einzig den Fahrzeugherstellern zu einem Monopol. Die Folge daraus sind hohe Ersatzteilpreise für die Verbraucher." Die Liberalisierung durch eine sinnvolle Begrenzung des Designschutzes wäre nach einhelliger Einschätzung von Experten aus ökonomischer, rechtlicher und verbraucherpolitscher Perspektive dringend geboten.
Breite Mehrheit im EU-Parlament pro Liberalisierung wird missachtet
Im Dezember 2007 verabschiedete das EU-Parlament mit breiter Mehrheit die Designschutznovelle. Seitdem lag das Dossier dem EU-Ministerrat zur abschließendem Entscheidung vor - und wurde von diesem durch die nationalen Regierungen gebildeten Gremium auf die lange Bank geschoben, wie GVA-Präsident Hartmut Röhl einschätzt: "Auf Druck der Regierungen der Staaten mit einer starken Lobby der Fahrzeughersteller, d.h. vor allem Frankreich und Deutschland, wurde die Verabschiedung fortlaufend verhindert. Sie wollen damit den heimischen Fahrzeugherstellern möglichst lange ein äußerst profitables Monopol für diese Produkte sichern." Röhl sieht darin einen Skandal, denn: "Die Ausbremser der Liberalisierung vor allem in Paris und Berlin treten damit den Willen von über 500 Millionen EU-Bürgern - repräsentiert durch die breite Mehrheit im EU-Parlament, die sich für die Einführung der Reparaturklausel ausgesprochen hat - förmlich mit Füßen. Wenn es um industriepolitische Interessen einzelner mächtiger Konzerne geht, wird in Paris und Berlin immer noch eine Hinterzimmerpolitik zum Nachteil der Verbraucher und entgegen den Prinzipien der Marktwirtschaft betrieben."
Rechtlicher Flickenteppich in Europa bleibt vorerst bestehen
In den letzten Jahren haben viele EU-Mitgliedstaaten von der Liberalisierungsoption im EU-Designrecht Gebrauch gemacht und die Reparaturklausel eingeführt. Aufgrund verschiedener rechtlicher Regelungen in den einzelnen Mitgliedsstaaten ist das Ergebnis jedoch ein Flickenteppich, der nur durch eine gesamteuropäische Regelung aufgelöst werden könnte. In Deutschland können die Fahrzeughersteller Dank der Position der Bundesregierung weiterhin de jure ein Monopol bei Kfz-Ersatzteilen genießen. Rudimentäre Ansätze von Wettbewerb gibt es hierzulande nur aufgrund einer unverbindlichen Erklärung von Vertretern deutscher Fahrzeughersteller, ihre Designrechte nicht wettbewerbseinschränkend wahrzunehmen. "Eine Zusage, die wiederholt gebrochen wurde und juristisch letztlich nichts wert ist.", wie GVA-Präsident Hartmut Röhl sagt. Und weiter: "Während der Vertrieb von karosserieintegrierten Ersatzteilen z.B. in Italien, Spanien, Polen, Großbritannien und Benelux als Geschäft ehrbarer Kaufmänner gilt, ist selbiger in Deutschland ein Straftatbestand." Röhl zeigt sich dennoch sicher, dass die europaweite Reparaturklausel einen neuen Anlauf nehmen wird: "Die überzeugenden Argumente für die Einführung einer Reparaturklausel, die von Verbraucherschützern und Automobilclubs sowie von Vertretern der Versicherungswirtschaft und des mittelständisch geprägten freien Kfz-Teilemarktes vorgelegt wurden und wissenschaftlich untermauert sind, werden sich letztlich durchsetzen. Die Zeit für industriepolitisch motivierte, nationale Alleingänge wird sich in einem immer stärker integrierten Europa zwangsläufig dem Ende zuneigen."
Der GVA wird gemeinsam mit seinem europäischen Dachverband FIGIEFA und weiteren Verbänden die nächsten Schritte der EU-Kommission positiv begleiten, die erneute Studien zur wirtschaftlichen und rechtlichen Bewertung des Ersatzteilmonopols der Fahrzeughersteller durchführen wird.
Quelle und Kontaktadresse:
Gesamtverband Autoteile-Handel e.V.
Alexander Vorbau, Referatsleiter, Öffentlichkeitsarbeit
Gothaer Str. 17, 40880 Ratingen
Telefon: (02102) 77077-0, Fax: (02102) 77077-17
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