EU-Agrarpolitik zwischen Midterm Review und EU-Osterweiterung / Wissenschaftliche Akademietagung von Bauernverband und Andreas Hermes Akademie
(Berlin) - Viele offene Fragen prägten den Auftakt der zweitägigen Wissenschaftlichen Akademietagung vom Deutschen Bauernverband (DBV) und der Andreas Hermes Akademie am 10. Oktober in Bonn-Röttgen. Mit dem Midterm Review der EU-Kommission werden viele Beschlüsse der Agenda 2000, die bis zum Jahr 2006 einen kalkulierbaren Rahmen für Europas Bauern schaffen sollte, schon wieder in Frage gestellt. "Viele Auswirkungen der Kommissionsvorschläge sind noch nicht im einzelnen bekannt", erklärte der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Gerd Sonnleitner, zu Beginn der Tagung. Vom Gespräch mit einer Reihe renommierter Agrarwissenschaftler erhoffen sich der Berufsstand und die Andreas Hermes Akademie Antworten für die Betriebe der Bauern wie für die Politik des Verbandes.
Der Zeitpunkt für die Diskussion sei gut gewählt, sagte Sonnleitner vor über 100 Teilnehmern. Es gebe eine Reihe von agrarpolitischen "Baustellen", auf denen sich die Aktivitäten nach den Wahlen in Deutschland und anderen europäischen Staaten wieder beschleunigen dürften. Er warnte davor, überstürzte Entscheidungen mit noch nicht zu Ende gedachten Auswirkungen zu treffen. Im Zentrum aller Debatten stehe der Midterm Review, untrennbar verbunden mit der Osterweiterung der EU, den angelaufenen WTO-Agrarverhandlungen und der Entwicklung der internationalen Agrar- und Energiemärkte.
Sonnleitner benutze dieses Bild: Es sei richtig, dass die Gemeinsame Agrarpolitik eine Renovierung brauche. Dazu bedürfe es sorgfältiger Planung, Diskussion und Überprüfung des Finanzierungskonzepts. Aber es sei falsch, von akuter Einsturzgefahr auszugehen. Weder gebe es europaweit massiven Widerstand gegen die Gemeinsame Agrarpolitik, noch sei das finanzielle Fundament instabil. Die europäischen Agrarmärkte seien im Großen und Ganzen im Gleichgewicht - die Zeiten von Getreide-, Rindfleisch-, Magermilchpulver- und Butterbergen gehörten der Vergangenheit an. Auch im Jahre 2002 würden wahrscheinlich wieder 2 Milliarden Euro im EU-Agrarhaushalt nicht ausgeschöpft und in die Haushalte der Mitgliedsstaaten zurückfließen.
Agrarkommissar Fischler sei deshalb nicht klug beraten gewesen, aus der Halbzeit-Bilanz eine grundlegende Reform bereits zum 1. Januar 2004 machen zu wollen. Ohne Zweifel sei es richtig, die EU-Agrarpolitik auch an den Kriterien der Agenda 21 zu überprüfen und so nicht nur die Folgen ihrer sozialen oder ökonomischen Wirkung abschätzbar zu machen, sondern auch ihrer Folgen für Tier, Natur und Umwelt. Aber gerade dieser Ansatz offenbare, dass sich die europäische Agrarpolitik im weltweiten Vergleich durchaus wacker geschlagen habe. Das ändere nichts an der Notwendigkeit von Korrekturen, die allein schon aus der EU-Osterweiterung erwachsen.
Aber diese Korrekturen müssten sehr sorgfältig in den europäischen und internationalen Kontext gestellt werden. Sie sollten von vorneherein als Einstiegsdatum den 1. Januar 2007 haben. Die jetzige Phase der Agenda 2000 sei die erste mehrjährige Rahmenregelung der Gemeinschaft und - wie sich zeige - selbst unter Einbeziehung der neuen Mitgliedsländer ab 2004 solide finanziert. Wenn es mit den Erweiterungsverhandlungen gelinge, rechtzeitig die Eckwerte einer neuen europäischen Finanzstruktur ab 2007 festzulegen, werde das dringlich notwendige Fundament für eine wirklich solide konstruierte Reform der Agrarpolitik geschaffen. Das gelte selbstverständlich noch sehr viel mehr für die Einzelheiten der Reformvorschläge.
Mit diesen Fragen und ihren konkreten Auswirkungen beschäftigten sich Wissenschaftler unter anderem: Ist es richtig, mit der Entkoppelung der Ausgleichzahlungen jegliche Bindung zur Produktion aufzugeben? Was bedeutet das für einzelne Produktionsbereiche, die innerlandwirtschaftliche Einkommensverteilung, die Folgen für den Strukturwandel oder auch die Aufrechterhaltung der Produktion in den von der Natur benachteiligten Gebieten? Zusammen mit den Modulationsvorschlägen und Cross Compliance sind erhebliche Auswirkungen auf den Boden- und Pachtmarkt, aber auch die bestehenden Agrarumweltprogramme zu erwarten. Wie steht es um die internationale Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Landwirtschaft? Nicht weniger inhaltsschwer ist die Frage: Wie soll unter diesen Voraussetzungen die dringlich notwendige Endbürokratisierung und Entschlackung der Gemeinsamen Agrarpolitik erreicht werden? Und was ist mit den mengengeregelten Märkten bei Zucker, Kartoffelstärke und Milch?
Die Ergebnisse der Diskussionen werden in der nächsten Ausgabe des DBV-Pressedienstes veröffentlicht.
Quelle und Kontaktadresse:
Deutscher Bauernverband e.V. (DBV)
Godesberger Allee 142-148
53175 Bonn
Telefon: 0228/81980
Telefax: 0228/8198205