Erschreckend hohe Fehlerquote bei Geschwindigkeitsmessungen
(Frankfurt am Main) - Die überwiegende Mehrheit der Bußgeldverfahren, die Geschwindigkeitsüberschreitungen betreffen, sind mangelhaft - das beweist eine dem Automobilclub von Deutschland (AvD) vorliegende Studie der VUT. Die "Verkehr-Unfall-Technik-Sachverständigengesellschaft mbH" hat in den vergangenen zwei Jahren insgesamt 1810 Ordnungswidrigkeits-Vorgänge untersucht. Bei den zugrunde liegenden Messungen wurden sowohl Video- als auch Radargeräte und Laserpistolen verwendet. (Die Auswertung erfolgte im Sinne der Anforderungen an ein standardisiertes Messverfahren*.)
Nach Ansicht des AvD sind die Ergebnisse ernüchternd: Ohne Mängel waren lediglich 14,98 Prozent der untersuchten Fälle. In mehr als 80 Prozent entdeckten die Sachverständigen der VUT Fehler - technische oder formale, mehr oder minder schwerwiegende. Die Bandbreite reicht von unvollständigen Verfahrensakten über unkorrekten Messgeräteaufbau bis hin zu Fahrzeugverwechslungen. In 5 Prozent der Fälle waren die Mängel so gravierend, dass kein Bußgeldbescheid hätte erlassen werden dürfen. Denn die Messergebnisse waren nachweislich falsch bzw. waren "geblitzten" Autofahrern falsche Messwerte zugeordnet worden.
"Diese Zahlen sind erschreckend hoch", findet AvD-Verkehrsrechtsexpertin Dorothee Lamberty und weist darauf hin, "dass nach ständiger Rechtssprechung ein standardisiertes Messverfahren eben auch nur dann gegeben ist, wenn das Messgerät vom Bedienungspersonal standardmäßig - das heißt in geeichtem Zustand, seiner Bauartzulassung entsprechend und gemäß der vom Hersteller vorgegebenen Bedienungsanleitung - eingesetzt wird. Und dies nicht nur bei der eigentlichen Messung sondern auch bei dem der Messung vorausgehenden Gerätetest." Auch das eingesetzte Auswertepersonal muss vollumfänglich prüfen, ob bei der Messung alle Anforderungen erfüllt wurden. Hieran mangelt es in der täglichen Praxis aus Sicht des AvD jedoch noch viel zu häufig, was nicht zuletzt auch an einer weit verbreiteten Technikgläubigkeit des eingesetzten Mess- und Auswertepersonals liegen mag. Hier gilt es, das eingesetzte Personal umfassend zu schulen und für vorhandene Problemfelder zu sensibilisieren.
"Um betroffene Autofahrer überhaupt in die Lage zu versetzen, im Bußgeldverfahren die dem Vorwurf zugrunde liegende Messung zu prüfen, ist im nächsten Schritt unerlässlich, dass die Messakten entsprechend vollständig sind und Beweismittel vorgelegt werden, die plausibel sind", erläutert AvD-Juristin Lamberty. "Solange dies - was die Untersuchung und die vorgelegten Zahlen der der VUT GmbH belegen - jedoch nicht gewährleistet ist und nichts desto trotz in den entsprechenden Verfahren Bußgeldbescheide erlassen werden, wird der Betroffene aufgrund einer nicht zu 100 Prozent geklärten Beweislage bestraft." Das darf aus Sicht des AvD im standardisierten Messverfahren nicht sein und führt in der Konsequenz letztlich zu einer Umkehr der Beweislast. Das hält der Automobilclub von Deutschland für inakzeptabel und vor allem unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten für mehr als bedenklich. Vielmehr sollte der Betroffene spätestens im Widerspruchsverfahren durch Vorlage einer vollständigen Messakte und Vorlage aller Beweismittel in die Lage versetzt werden, den erhobenen Vorwurf prüfen zu können.
Solange sich aufgrund einer unvollständigen Aktenführung und einer entsprechend unvollständigen Beweissituation Zweifel an einer ordnungsgemäß durchgeführten Messung aufdrängen, wird die notwendige Akzeptanz der Bürger im Hinblick auf - sicherlich notwendige und sinnvolle - Geschwindigkeitskontrollen nach Ansicht des AvD nicht erreicht werden können. Erfolgreiche Verkehrssicherheitsarbeit setzt jedoch die Akzeptanz und Einsicht der von den Kontrollmaßnahmen betroffenen Personen dringend voraus.
* Definition "standardisierte Messverfahren":
Nach dem BGH (BGHSt 39,291) sind standardisierte Messverfahren solche Messverfahren, die menschliche Handhabungsfehler, wie z. B. Zielungenauigkeiten, erkennen und bei denen möglichen systemimmanente Ungenauigkeiten durch den vorgeschriebenen Toleranzabzug ausreichend Rechnung getragen wird. Nicht erforderlich ist, dass die Messung in einem vollautomatisierten, menschliche Handhabungsfehler praktisch ausschließenden Verfahren getätigt wird; vielmehr genügt ein durch Normen vereinheitlichtes (technisches) Verfahren, bei dem die Bedingungen seiner Anwendbarkeit und sein Ablauf so festgelegt sind, dass unter gleichen Voraussetzungen gleiche Ergebnisse zu erwarten sind.
Quelle und Kontaktadresse:
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