Ersatzfreiheitsstrafe reformieren - aber richtig!
(Berlin/ Freiburg) - Nach geltendem deutschem Recht reicht, eine Geldstrafe wegen Schwarzfahrens nicht zahlen zu können und schon kann man im Gefängnis landen. Diese traumatisierende Grenzerfahrung ist unnötig - das Gesetz zum Sanktionsrecht gehört konsequent geändert. Der Deutsche Caritasverband tritt seit Jahren für eine Begrenzung der Tagessatzhöhe bei Empfänger*innen von Sozialleistungen ein, damit Armut und Menschen in schwierigen Lebenssituationen nicht doppelt bestraft werden.
Jede_r Siebte, der wegen Schwarzfahrens verurteilt wird und die Geldstrafe nicht zahlen kann, landet zur Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe in Haft; bei Steuer- und Abgabendelikten ist es nur jede_r 43. Das heißt, Armutsdelikte wie Schwarzfahren von Menschen mit niedrigem Einkommen führen mit besonders hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Gefängnisstrafe. Für die, die ohnehin schon mit erheblichen Lebensrisiken zu kämpfen haben, kann das Bagatelldelikt damit zu einer biographischen Zäsur werden - Abwärtsspirale inbegriffen.
Wer arm ist, steht schlechter vor dem Gesetz da
"Wir wissen, dass Geldstrafen für Menschen im Sozialleistungsbezug viel zu hoch bemessen sind. Menschen, die jeden Cent dreimal umdrehen müssen und beim Schwarzfahren erwischt werden, können die Geldstrafe realistisch kaum durch Konsumverzicht aufbringen. Armut wirkt sich bei ihnen damit strafschärfend aus", unterstreicht Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa. "Für diejenigen, denen wegen Bagatelldelikten eine Ersatzfreiheitsstrafe droht, müssen im deutschen Rechtssystem andere Lösungen gefunden werden - ein Blick in die Nachbarländer kann dabei helfen.*"
Justizsystem in eigenen Regeln gefangen
Eine Ersatzfreiheitsstrafe im Gefängnis verbüßen Menschen mit erheblichen sozialen, finanziellen und gesundheitlichen Belastungen. Ihre Situation ist oft vorher schon desolat. Oft sind sie bereits länger arbeitslos oder haben gerade ihren Arbeitsplatz verloren. Manche haben Suchtprobleme oder ihnen fehlt eine Wohnung. Sie bekommen eine Geldstrafe für Delikte, die überwiegend von Armut geprägt sind. Die Ersatzfreiheitsstrafe steht in diesen Fällen nicht in angemessenem Verhältnis zur Schuld. "Menschen im Sozialleistungsbezug können nur Geldstrafen tilgen, wenn der Tagessatz nicht höher als 1-3 EUR liegt. Durch die Ersatzfreiheitsstrafe wird die sowieso schon prekäre Situation nicht selten verschlechtert - es droht der Verlust von Arbeit, Wohnung und sozialen Beziehungen", betont Welskop-Deffaa.
"Die Ersatzfreiheitsstrafe führt zu einer großen Ungerechtigkeit, die dringend beseitigt werden muss", sagt Wolfgang Krell, Vorsitzender der Katholischen Bundes-Arbeitsgemeinschaft Straffälligenhilfe im Deutschen Caritasverband (KAGV). "Es muss aufhören, dass Menschen wegen Bagatelldelikten aus prekären Lebenssituation heraus in Haft kommen. Dies verursacht neben dem Elend und Leid bei den Betroffenen unnötig hohe Vollstreckungskosten für Ersatzfreiheitsstrafen und Überlastung des Justizvollzugs."
Die bisher im Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Überarbeitung des Sanktionsrechts vorgesehenen Änderungen reichen aus Sicht des Deutschen Caritasverbandes und seiner KAGS nicht aus. "Wir sind froh, dass die Regierung sich des Themas annimmt. Aber sie muss jetzt Nägel mit Köpfen machen", so Caritas-Präsidentin Welskop-Deffaa.
Quelle und Kontaktadresse:
Deutscher Caritasverband e.V. - Berliner Büro
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