"Erhobener Zeigefinger" statt Unterstützung
(München) - Kurz vor den Sommerferien flatterten noch zwei Schreiben des Kultusministeriums auf die Schreibtische der Grund-, Mittel- und Förderschulen. Voller Anweisungen, was noch alles zu tun sei, damit im September wieder ein reibungsloser "Normalbetrieb" starten könne. Statt den Schulen Unterstützungsangebote zu machen wird seitenweise angewiesen, was noch alles in die Wege geleitet werden muss:
"Brückenangebote", wenn gewünscht auch noch während der Ferien, "individuelle Diagnostik und Lernstandsfeststellung (...) bereits zum Ende des Schuljahres", "das spezifische Förderangebot (...) sichtbar im Stundenplan ausgewiesen" und viele weitere Direktiven - insgesamt auf 13 Seiten. Und wenn eine Schule auf die Idee kommen sollte, sich die Unterrichtsorganisation durch eine Zusammenlegung von Religions- und Ethikunterricht zu erleichtern, wird vorsorglich schon mal darauf hingewiesen, dass dies "nicht verfassungskonform" sei.
Es stellt sich die Frage, wann Lehrkräfte, Schulleitungen und Verwaltungsangestellte eigentlich mal Urlaub nehmen dürfen. Viele arbeiten seit Fasching durch - im Distanz- und Präsenzunterricht und in der Notbetreuung. Daneben Fortbildungen zur Handhabung von Videotools, Online-Lernplattformen und Padlets.
Auch die Frage, wie sie alle Schüler*innen erreichen können, treibt viele Kolleg*innen um. Dazu das Ministerium: "Der Einrichtung von Möglichkeiten zur Unterstützung von Schülerinnen und Schülern mit besonderen Bedarfen, z. B. aufgrund von inklusiver Beschulung, wegen schlechter Deutschkenntnisse, aus Risikogruppen oder aus bildungsfernen Elternhäusern kommt eine besondere Bedeutung zu." Hilfestellungen? Fehlanzeige!
Anstatt die Beschäftigten an den Schulen immer mehr in die Überlastung zu treiben, sollte sich das Ministerium schleunigst an die Erledigung der eigenen Hausaufgaben machen:
- Es gibt immer noch keine nennenswerte professionelle Unterstützung der Schulen durch medizinische und sicherheitstechnische Fachkräfte, obwohl dies das Arbeitssicherheitsgesetz seit 1972 vorschreibt und in Zeiten der Pandemie wichtiger denn je ist. Stattdessen werden nun Lehrkräfte zur Infektionsschutz- und virologischen Beratung eingesetzt.
- Kolleg*innen müssen den Distanzunterricht immer noch mit ihren privaten Geräten bewerkstelligen. Fragen zum Datenschutz interessieren hier nur am Rande.
- Es ist bis heute nicht gelungen, ein funktionierendes Videokonferenztool in die nicht-kommerzielle Lernplattform mebis zu integrieren. Stattdessen muss hier der Microsoftkonzern mit allen weitgehend ungeklärten Datenschutzfragen einspringen.
Aus Sicht der GEW sollte das Kultusministerium die unterrichtsfreie Zeit nutzen, um diese großen Aufgaben endlich anzugehen und nicht die Kolleg*innen durch immer neue Anweisungen auch in den Ferien unter Druck zu setzen.
Quelle und Kontaktadresse:
Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Landesverband Bayern
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