"Entscheidend für die Bindung von Beschäftigten an das Unternehmen sind die Arbeitsinhalte"
(Berlin) - "Der Arbeits- und Fachkräftemangel ist eine enorme Herausforderung für uns Personaldienstleister und eine echte Bedrohung für den Wirtschaftsstandort Deutschland", betonte BAP-Präsident Sebastian Lazay in seiner Eröffnungsrede der Fachkonferenz für Personaldienstleister "ARBEIT & PERSONAL" in Leipzig. Laut aktueller IAB-Stellenerhebung gab es im 4. Quartal 2022 dabei bundesweit mit fast zwei Millionen offenen Stellen ein neues Allzeithoch: "Nie zuvor in der Geschichte unseres Landes waren Arbeitskräfte knapper als heute. Dass deutsche Unternehmen bereits jetzt jährlich durch den Arbeitskräftemangel fast 100 Milliarden Euro an möglicher Wertschöpfung einbüßen, zeigt die dramatischen Folgen dieser Entwicklung".
Diese Zahlen zeigten, dass der aktuelle und zukünftige Fachkräftebedarf ohne qualifizierte Zuwanderung, gerade von außerhalb der EU, nicht ansatzweise abgedeckt werden könne. Daher sei es "überhaupt nicht nachvollziehbar, dass es durch den Kabinettsbeschluss der Ampel-Regierung zur Fachkräfteeinwanderung aus Drittstaaten unserer Branche verwehrt bleibt, Fachkräfte mit Berufsausbildung außerhalb der EU für die direkte Beschäftigung in der Arbeitnehmerüberlassung zu rekrutieren. Diese Regelung ist paradox und richtet sich gegen die Interessen unseres Landes", bekräftigte Lazay. Daher müsse das gesetzliche Verbot im anstehenden parlamentarischen Verfahren gestrichen werden. Fest stehe aber auch, dass neben dem Recruiting neuer Beschäftigter zwei Faktoren immer wichtiger würden, damit Unternehmen für die Zukunft personell gut aufgestellt seien: nämlich die Personalbindung und die Personalentwicklung durch Qualifizierung.
Beide seien gerade für Führungskräfte von immenser Bedeutung. Denn "die Entwicklung einer beruflichen Perspektive für Beschäftigte, beispielsweise durch entsprechende Qualifizierungsangebote, sind eindeutig Führungsaufgabe. Wir sind gefragt, Mut zu Veränderungen zu fördern", machte Lazay deutlich. Mehr als sinnvoll sei es daher, dass beide Themen im Fokus der Konferenz stünden.
"Benefits reichen zur Personalbindung nicht aus"
"Es lässt sich nicht leugnen: die Bindung der Beschäftigten in Deutschland an ihr Unternehmen ist insgesamt schlecht", so der ernüchternde Auftakt der Keynote "Purpose in der Arbeit?! Zufriedenheit der Mitarbeitenden ist ein guter Anfang" von Stefan Wickenhäuser, Gründer und Geschäftsführer der Rethinking GmbH. Aktuelle Zahlen machten dies deutlich: 70 Prozent arbeiteten demnach nach "Quiet Quitting", 37 Prozent hätten sogar innerlich bereits gekündigt, 33 Prozent hätten keine Potentialentfaltung und die Fluktuationsrate liege bei 30%. Ein wesentlicher Faktor dafür sei, dass "die Unternehmen trotz aller gegenteiligen Beteuerungen mental noch in einem Arbeitgebermarkt und der Zeit der Fließbandaufgaben stecken". Dabei verschärften sich in der Realität aber ganz im Gegenteil die Schwierigkeiten beim Finden neuer Talente durch den Fach- und Arbeitskräftemangel, den demografischen Wandel und den Eintritt der Generation Z auf den Arbeitsmarkt.
"Umso wichtiger ist es daher, die bestehenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Unternehmen zu halten", betonte Wickenhäuser. Dabei sei es ein Irrglaube, dass Benefits entscheidend für die optimale Bindung der Beschäftigten seien. "Obstkorb, Kickertisch, Arbeit im Home Office, Dienstwagen und Angebote zur Gesundheitsförderung sind schön und gut. Aber sie reichen nicht aus, denn sie haben eines gemein: sie haben nichts mit der Arbeitsinhalten zu tun. Und diese sind es, die entscheidend für die Bindung der Beschäftigten an ihr Unternehmen sind." Daher müsse der Mensch mit seinen individuellen Stärken und Schwächen im Mittelpunkt des Handelns von Arbeitgebern stehen. Wesentliche Faktoren seien dabei gelebte Wertschätzung und Vertrauen, stärkenorientierte Arbeit, klare Verantwortung, individuelle Flexibilität und die Schaffung eines Rahmens für intrinsische Motivation. Wickenhäuser bekräftigte, dass "all dies zwar banal klingt, aber die Umsetzung ungeheuer wichtig und grundsätzlich auch für jedes Unternehmen möglich ist". Für Personaldienstleister sei der Faktor der Personalbindung dabei eine besondere Herausforderung. Denn sie müssten dafür sorgen, dass ihre Beschäftigten sich nicht nur mit dem Zeitarbeitsunternehmen selbst verbunden fühlten, sondern auch mit dem Kundenbetrieb. Für alle Unternehmen, egal in welcher Branche, gelte: "Maßnahmen zur Personalbindung zahlen sich gleich mehrfach aus. Sie senken die Häufigkeit von Kündigungen, Quiet Quitting und Krankmeldungen und können Talente auf ein Unternehmen aufmerksam werden lassen."
"Weiterbildung ist der beste Weg, um verdeckte Potenziale der Beschäftigten zu entdecken"
Personalentwicklung durch Qualifizierung ist ein innovatives und förderliches Geschäftsfeld für Personaldienstleister. Darin waren sich die Expertinnen und Experten in der von Moderatorin Ines Dauth geleiteten anschließenden Talkrunde "Stärker im Verbund: Wie finde ich Partner für die Qualifizierung?" einig. Marc Schüpferling, Leiter Unternehmensentwicklung und Mitglied der Geschäftsführung beim BAP-Mitgliedsunternehmen add-on Personal & Lösungen, stellte dabei den 2021 gegründeten Qualifizierungsverbund Personaldienstleistung in der Region Nürnberg mit mittlerweile 14 beteiligten Personaldienstleistern vor. Dieser habe sich "zu einem absoluten Leuchtturmprojekt entwickelt und ist ein Musterbeispiel dafür, wie durch das Zusammenspiel motivierter Personaldienstleister, örtlicher Weiterbildungsträger und unterstützender Institutionen ein leistungsstarker Qualifizierungsverbund entstehen kann. Gemeinsam geht es besser!". Ein zentraler Partner sei dabei die Bundesagentur für Arbeit (BA). Deren Leiterin der Koordinierenden Stelle Zeitarbeit, Petra Füller, erläuterte, dass die BA die Entwicklung von Beschäftigten durch Weiterbildung durch Qualifizierungsgelder in Höhe von 80-100 Prozent der Kosten unterstütze. "Zudem übernimmt die BA eine koordinierende Funktion für interessierte Personaldienstleister. Wir prüfen, ob am Unternehmenssitz ein regionaler Verbund existiert oder ob der bereits bestehende bundesweite Qualifizierungsverbund eine Alternative darstellen könnte". Welche Leistungen im Verbund die Stiftung flexible Arbeitswelt beisteuern kann, darüber informierte der Vorsitzende, Wilhelm Oberste-Beulmann, die Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Neben einer gewissen finanziellen Unterstützung sei sie vor allem als ideeller Mittler bei Qualifizierungsmaßnahmen tätig und knüpfe Kontakte zu weiteren Partnern wie den IHKs und lokalen Handwerkskammern. Einig waren sich die Expertinnen und Experten darin, dass die Bedeutung der Personalentwicklung durch Qualifizierung gar nicht hoch genug eingeschätzt werden könne. Denn "sie ist der beste Weg, um verdeckte Potenziale der Beschäftigten zu entdecken und diese durch gezielte Qualifizierungsmaßnahmen zu Fachkräften weiterzubilden."
Intensive Diskussionsrunden in den Best-Practice-Sessions
Gemeinsam vertieft wurden die Themen Personalbindung und Personalentwicklung der Beschäftigten abschließend in zwei Best-Practice-Runden mit den Expertinnen und Experten, in denen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu Teilgebenden wurden. Im Best-Practice mit Stefan Wickenhäuser rund um die Bindung der Beschäftigten an die Unternehmen wurde deutlich, dass es eine enorme Herausforderung für alle Arbeitgeber sei, den oftmals sehr unterschiedlich ausgeprägten Bedürfnissen ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gerecht zu werden und diese in den Vordergrund zu stellen, wie die Praxisbeispiele verschiedener Personaldienstleister zeigten. Durchaus unterschiedliche Auffassungen gab es in der intensiven Diskussion zur Frage, welche Auswirkungen der zunehmende Eintritt der Generation Z auf den Arbeitsmarkt habe und wie ihr Arbeitswillen eingeschätzt werde. Wickenhäuser betonte hier, dass gerade mit Blick auf die bestmögliche Integration der Generation Z in die Unternehmen die Individualisierung wichtiger denn je sein werde.
Im Best-Practice zur Qualifizierung zeigten sich u.a. die sehr unterschiedlichen Erfahrungen bei der Resonanz, die Personaldienstleister mit dem Angebot von Weiterbildungsmaßnahmen von ihren Beschäftigten erfahren haben. Auch wichtige Fragen rund um die finanzielle Unterstützung der BA bei Qualifizierungsmaßnahmen konnten hier ebenso ausführlich diskutiert werden wie die Frage, wie Unternehmen vorgehen sollten, in deren Region bisher kein Qualifizierungsverbund existent ist, dem sich Interessenten anschließen können.
Den Abschluss der Fachkonferenz bildete eine kurze Abschlussrunde, in der Ines Dauth im Dialog mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern die Ergebnisse der Best-Practice-Runden zusammenfasste.
Quelle und Kontaktadresse:
Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister e.V. (BAP)
Pressestelle
Universitätsstr. 2-3a, 10117 Berlin
Telefon: (030) 206098-0, Fax: (030) 206098-70