"Energiewende bei 10 Millionen Eigentumswohnungen so nicht machbar"
(Münster/Berlin) - Das Gebäudeenergiegesetz (GEG) ist ein wichtiger Schritt, um die Energiewende voranzubringen, insbesondere in Bestandsgebäuden, in denen sich rund 10 Millionen Eigentumswohnungen befinden. "Doch das GEG ist so, wie es jetzt beschlossen ist, in der Praxis nicht umsetzbar", kritisiert der BVI Bundesfachverband der Immobilienverwalter e. V., dessen Mitglieder mit rund 15 Prozent einen beträchtlichen Teil der Eigentumswohnungen in Deutschland betreuen. Auf der Münsteraner Verwalterkonferenz am 18. und 19. Januar 2024 forderte der Verband, das Gesetz für Bestandsgebäude vorerst auf Eis zu legen und so zu überarbeiten, dass es praktikabel sei.
"Natürlich müssen Deutschlands Bestandsgebäude energetisch auf Vordermann gebracht werden - das ist unbestritten", betonte BVI-Präsident Thomas Meier auf dem Verbandstreffen. "Doch so, wie das GEG aktuell gestaltet ist, ist die Energiewende im Bestandsbau praktisch nicht machbar." Nun räche sich, dass die Politik Gesetzesbeschlüsse fasse und offenbar erst im Nachgang analysiere, ob und wie diese in der Praxis funktionierten. Umso wichtiger sei es für die Immobilienverwalter, genau jetzt den Finger in die Wunde zu legen und aufzuzeigen, woran es hakt.Die Erfahrung der rund 800 Verbandsmitglieder zeige, dass im GEG zu viele Detailfragen ungeklärt, Fristen zu kurz und viele Wohnungseigentümer mit der Finanzierung völlig überfordert seien. Kurz: "Die aktuellen gesetzlichen Vorgaben eignen sich nicht dazu, Sanierungen vernünftig und kosteneffizient zu realisieren", mahnte Meier, seit über 20 Jahren BVI-Präsident und Mitherausgeber zahlreicher Fachpublikationen.
Unzureichende Handlungsoptionen
Am Beispiel Gasetagenheizung, die in großen Mehrparteienhäusern weit verbreitet ist, verdeutlichte der BVI-Präsident, welche Unsicherheiten das Gesetz birgt: Ist nur eine von zehn Gasetagenheizungen in einem Gebäude irreparabel defekt, sind Hausverwalter gesetzlich dazu verpflichtet, den Austausch der kompletten Heizungsanlage unter Berücksichtigung von Fristen zu planen. Ein Anschluss ans Fernwärmenetz ist für Bestandsgebäude aktuell noch selten verfügbar. Holzpellets scheiden in der Regel aus, weil meist der Platz für das Pelletlager fehlt. Und die viel gepriesenen Wärmepumpen ziehen hohe Kosten nach sich, weil sie in der Regel Fußbodenheizungen und umfangreiche Dämmmaßnahmen erfordern, um effizient zu funktionieren. Außerdem sind Wärmepumpen in Innenstadtlagen schwer unterzubringen. Und weiter mit Gas heizen - mit Thermen, die H2-ready sind? Diese Option lehnen viele Wohnungseigentümer als zu unsicher ab, denn eine funktionierende Wasserstoffversorgung wird auf absehbare Zeit kaum verfügbar sein.
Zu kurze Fristen
Was die Planung ebenfalls erschwert, ist laut BVI die unzureichende Verzahnung des GEG mit der kommunalen Wärmeplanung. Deren Ergebnisse liegen je nach Größe der Kommune normalerweise erst 2026 oder 2028 vor. "Allein daran sieht man, dass die Regierung das Pferd komplett von hinten aufgezäumt hat", monierte Verbandschef Thomas Meier. "Statt die kommunale Wärmeplanung und die energetische Bestandsaufnahme, die für Mitte 2024 geplant ist, abzuwarten und daraus praktikable Strategien für Bestandsgebäude abzuleiten, hat die Politik ohne ausreichende Expertise aus der Praxis neue gesetzliche Vorgaben verfasst."
Auch seien Fristen viel zu eng gesetzt. So sind Hausverwaltungen verpflichtet, bis Ende des Jahres für alle Wohnungen mit Gasetagenheizungen eine detaillierte Datenerhebung vornehmen zu lassen. Nach Ansicht des Verbands geht diese Frist - wie bereits die Pflicht zum hydraulischen Abgleich gezeigt hat - in Anbetracht des Fachkräftemangels schlicht an der Realität vorbei. "Insgesamt gibt es so viele handwerkliche Mängel in der Gesetzgebung", sagte der BVI-Präsident, "dass Immobilienverwalter die nötigen Sanierungen im Bestand kaum managen können. Die Politik macht den Verwalter zum zahnlosen Tiger der Energiewende."
Hohe Kostenlast
Was der Verband auf der Verwalterkonferenz ebenfalls kritisiert, ist die mangelnde Finanzierbarkeit von Sanierungsprojekten. Laut Studien kommen je nach angestrebtem Effizienzstandard im Bestand zwischen 600 und mehr als 1.000 Euro pro Quadratmeter auf die Wohnungseigentümer zu. "Bei einer Wohnfläche von 65 m2 entstehen schnell Kosten von 40.000 bis 60.000 Euro. Dafür reicht die Rücklage, die Wohnungseigentümer für Modernisierungen üblicherweise bilden, selten aus", betonte Meier. Auch eine Finanzierung gestalte sich angesichts steigender Kapitalmarktzinsen schwierig, vor allem für ältere Menschen - zumal durch die Haushaltskrise des Bundes eine verlässliche Förderung wohl für längere Zeit kaum zu erwarten sei.
Einen finanziellen Ausgleich fordert der BVI auch für Deutschlands Immobilienverwalter, denn sie müssten neben ihrem "Brot-und-Butter-Erwerb" jetzt als Manager der Energiewende für ihre Wohnungseigentümergemeinschaften immer mehr zusätzliche Aufgaben übernehmen. Eine angemessene Verwaltervergütungsverordnung müsse diesen Mehraufwand finanziell und rechtssicher klar regeln - so wie es im Gesetzesentwurf des GEG ursprünglich vorgesehen war. Derzeit müssen sich Hausverwalter ihr Honorar für die Mammutaufgabe "Energiewende" bei den Wohnungseigentümergemeinschaften buchstäblich erstreiten.
GEG von Grund auf überarbeiten
"Das GEG ist von vorne bis hinten nicht zu Ende gedacht", fasste Meier in Münster zusammen. Vernünftig wäre es laut BVI, die Umsetzung in Hinblick auf die 10 Millionen Eigentumswohnungen auszusetzen und das Gesetz mit Experten aus der Praxis von Grund auf neu aufzusetzen. Alles andere koste nur unnötig viel Geld und bremse die Energiewende im Gebäudebestand massiv aus.
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