Pressemitteilung | Bauindustrieverband Niedersachsen-Bremen e.V. - Geschäftsstelle Bremen

Ende der Talfahrt noch nicht erreicht

(Hannover) - In einem Pressegespräch anlässlich der Jahreshauptversammlung des Verbandes der Bauindustrie für Niedersachsen am 12. März 2004 in Hannover prognostizierte Verbandspräsident Michael Munte, dass der Tiefpunkt der baukonjunkturellen Entwicklung im Jahr 2004 und damit das Ende der Talfahrt noch nicht erreicht sei. Bundesweit seien die Bauinvestitionen im vergangenen Jahr nach einem Minus von 5,9 Prozent im Jahr 2002 nochmals um 3,4 Prozent geschrumpft. Der konjunkturelle Rückgang habe in den vergangenen Jahren zu einem deutlichen Abbau der personellen Kapazitäten geführt. Das niedersächsische Bauhauptgewerbe, das 1995 noch etwa 125000 Beschäftigte verzeichnet hätte, sei auf etwa 80000 Beschäftigte zurückgegangen.

Munte betonte, dass die Deutsche Bauwirtschaft trotz ihrer konjunkturellen Talfahrt nach wie vor einer der bedeutendsten Wirtschaftszweige sei. Die jährlichen Bauinvestitionen lägen immer noch deutlich über der 200 Milliarden Euro-Grenze. Etwa 55 Prozent aller Investitionen würden in Deutschland im Baubereich getätigt. Hieraus folge auch, dass eine positive Entwicklung der Gesamtwirtschaft ohne eine Stärkung der Bauwirtschaft nicht möglich sei. Die Politik forderte Munte auf, die unzweifelhaft vorhandenen Ansätze für einen Konjunkturaufschwung für eine Verbesserung der Rahmenbedingungen der Bauwirtschaft zu unterstützen und alles zu unterlassen, was die Ansätze für einen positiven Verlauf der Baukonjunktur beeinträchtigen könnte. In diesem Zusammenhang müsse der Gesetzgeber den steuerpolitischen Irrweg in Form der Einführung einer Mindestbesteuerung korrigieren. Die Verweigerung von zeitnahen Verlustverrechnungen werde ansonsten im Baubereich eine neue Insolvenzwelle auslösen.

Verbandspräsident Munte setzte sich für eine Stärkung der Investitionskraft der öffentlichen Hand ein. Insbesondere die Kommunen benötigten wieder eine stabile Einnahmebasis. Nur dann könne der dramatische Rückgang der kommunalen Investitionstätigkeit gestoppt und der schleichende Verfall der kommunalen Infrastruktur aufgehalten werden.

Auch aufgrund der politischen Fehlentscheidungen der Bundesregierung bei der Verkehrsinfrastrukturfinanzierung sei eine weiter krisenhafte Entwicklung der Bauwirtschaft zu befürchten. Daher muss nach Meinung Muntes kurzfristig die aus dem Mautdesaster resultierende Problematik bei den Verkehrswegeinvestitionen gelöst werden. Der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages habe zwar die Haushaltssperre über Verkehrswegeinvestitionen für das laufende Jahr aufgehoben. Des Weiteren seien aber die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um die Einnahmeausfälle aus der Maut zu kompensieren.

Die Bundesrepublik Deutschland dürfe sich eine Absenkung des Niveaus der Verkehrswegeinvestitionen nicht leisten, da ansonsten die Verkehrswegeinfrastruktur zu einem Engpassfaktor für das wirtschaftliche Wachstum in Deutschland würde. Schon jetzt hätten, so Munte, die überregionalen Verkehrswege durch unterlassene Unterhaltungsmaßnahmen und aufgeschobene Instandhaltungsinvestitionen dramatisch an Modernität eingebüßt. Die bevorstehende EU-Osterweiterung werde neue Verkehrsströme in das schon jetzt überlastete deutsche Verkehrsnetz leiten. Die Bundesrepublik Deutschland werde deshalb nicht daran vorbeikommen, Investitionsmittel nicht nur für den Erhalt des vorhandenen Netzes, sondern auch für dessen bedarfsgerechten Ausbau bereitzustellen.

Im Zusammenhang mit der öffentlichen Investitionstätigkeit wiederholte Munte die Forderung der Deutschen Bauindustrie, bei den öffentlichen Haushalten zu einer Umschichtung zu mehr Investitionsorientierung zu gelangen. Darüber hinaus müsse die Politik verstärkt private Mittel zur Herstellung und Betrieb von Infrastruktur und Hochbauten einsetzen. Die positiven Erfahrungen aus anderen Ländern mit der privat-öffentlichen Finanzierung müssten endlich auch in Deutschland flächendeckend umgesetzt werden.

Bei der Beurteilung der Branchenentwicklung kam Munte zu dem Ergebnis, dass der Wohnungsbau den höchsten Anteil an der Bautätigkeit habe und insofern entscheidend sei für die Baunachfrage insgesamt. Der gravierende Rückgang der Fertigstellungszahlen in den vergangenen Jahren sei vor allem im Geschosswohnungsbau entstanden und dort in erster Linie durch die Einschränkungen der Wohnungsbauförderung bzw. neu eingrenzende gesetzliche Bestimmungen verursacht worden. Da der Eigenheimwunsch in der deutschen Bevölkerung nach wie vor ungebrochen sei, sah Munte im Bereich des Wohnungsbaus Chancen für ein leichtes Anziehen der Wohnungsbaukonjunktur. Dies seien jedoch Vorzieheffekte im Zusammenhang mit der Kürzung der Eigenheimzulage. Munte betonte, dass selbst bei einem Anziehen der Gesamtzahl der fertig gestellten Wohnungen im Jahr 2004 auf etwa 290000 der mittelfristige Bedarf von 350000 bis 400000 Einheiten deutlich unterschritten würde.

Die Entwicklung des Wirtschaftsbaus leide zum einen unter der gesamtwirtschaftlichen Stagnation, zum anderen aber auch unter dem nach wie vor angeschlagenen Vertrauen privater Investoren in den Investitionsstandort Bundesrepublik Deutschland. Immerhin trage sich ein Vierteil aller deutschen Industrieunternehmen im Jahr der EU-Osterweiterung mit dem Gedanken, die Produktion in den nächsten drei Jahren ganz oder teilweise ins Ausland zu verlagern. Entscheidend für die mittelfristige Entwicklung des Wirtschaftsbaus ist es nach Worten des Verbandspräsidenten, inwieweit die seit Mitte 2003 allmählich wieder optimistischeren Geschäftserwartungen und Lageeinschätzungen der Unternehmen auch deren Investitionsbereitschaft verbessere.

Im Hinblick auf die bevorstehende Erweiterung der Europäischen Union führte Munte aus, dass die deutschen Bauunternehmen die siebenjährige Übergangsfrist, während der die Freizügigkeit der Arbeitnehmer und die Dienstleistungsfreiheit für die neuen Mitgliedsstaaten eingeschränkt seien, intensiv nutzen müssten, um sich auf den zukünftig weiter verschärfenden Wettbewerb vorzubereiten. Da dieser Wettbewerb angesichts der immensen Arbeitskostenunterschiede nicht über die Löhne gewonnen werden könne, müssten die Unternehmen der Bauwirtschaft die Produktivität der Arbeitskräfte und die Qualität der Bauausführung konsequent steigern. In diesem Zusammenhang sei die Forderung zu erheben, auch in Deutschland ein Qualifizierungssystem einzuführen, wie es in nahezu allen anderen EU-Mitgliedsstaaten bereits vorhanden sei. Durch ein solches System würden Bauunternehmen bereits vor Markteintritt auf Fachkunde, Wirtschaftlichkeit, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit geprüft.

Nach Meinung der Niedersächsischen Bauindustrie ist die Reform der sozialen Sicherungssysteme mit Mut weiterzuführen. Gerade arbeitsintensive Branchen wie die Bauwirtschaft brauchten eine Entlastung bei den Lohnnebenkosten. Ansonsten würden die inländischen Firmen im Wettbewerb mit den europäischen Konkurrenten auf einem erweiterten europäischen Baumarkt nicht bestehen können.

Eine weitere wichtige Aufgabe der Politik sah Verbandspräsident Munte in der Zurückdrängung illegaler Betätigung im Baubereich. Nach seiner Meinung sei mit dem steuerlichen Abzugsverfahren ein wichtiger Schritt getan worden, durch die die Betätigung illegal arbeitender Firmen am Baumarkt zurückgegangen sei. Weitere Maßnahmen seien allerdings erforderlich. Die geplanten neuen Regelungen zur Bekämpfung der Schwarzarbeit gingen teilweise zwar in die richtige Richtung, seien allein aber nicht ausreichend.

Quelle und Kontaktadresse:
Verband der Bauindustrie für Niedersachsen e.V. Eichstr. 19, 30161 Hannover Telefon: 0511/348340, Telefax: 0511/3480711

NEWS TEILEN: