Pressemitteilung | ZVEI e.V. - Verband der Elektro- und Digitalindustrie

Elektroschrott-Richtlinie: Lösung für Alt-Altgeräte in greifbarer Nähe, aber innovationsfeindliche Überregulierung für Neugeräte

(Frankfurt/Brüssel) – Während sich für die Entsorgung der heute zehn oder zwanzig Jahre alten Elektrogeräte sinnvolle Lösungen abzeichnen, drohen durch die europäische Elektroschrott-Richtlinie in ihrer aktuellen Fassung für künftige Gerätegenerationen steigende Preise und neue Handelsbarrieren. „Mit besonderer Sorge sieht die europäische Elektroindustrie dabei die Tendenz zu einer innovationsfeindlichen Überregulierung durch überzogene Recyclingziele und die geplanten Stoffverbote.“ Diese Befürchtung äußerten Branchenvertreter am Rande der aktuellen Beratungen im Umweltausschuss und im Industrieausschuss des Europäischen Parlaments. Allein die über 130 im Industrieausschuss gestellten Änderungsanträge zu den zwei Richtlinien mit insgesamt 27 Paragraphen sprächen hier eine deutliche Sprache. Neu aufgeflammt sei auch die Diskussion um eine Beteiligung der Industrie an den Kosten der haushaltsnahen Sammlung. Dies würde die gesamte bisher erreichte Annäherung in Frage stellen.

„Die Richtlinien zur Rücknahme von Altgeräten und zu Stoffverboten in elektrotechnischen und elektronischen Geräten gehen beide von einem statischen Verständnis unserer Industrie aus“, begründet Gotthard Graß, Geschäftsführer des Zentralverbandes Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI) e.V.. „Wenn aber heute zum Beispiel tragbare Kassettenrecorder nach vielleicht zehn Jahren entsorgt werden, dann übernimmt wahrscheinlich ein MP3-Player dessen Funktionen und in der Zwischenzeit haben sich zahlreiche Kunden tragbare CD-Player gekauft.“ Dennoch favorisieren die Richtlinien die Wiederverwendung von Baugruppen oder ganzen Geräten.

„Der europäische Gesetzgeber verkennt damit nicht nur die technologische Dynamik, die in den kommenden Jahren eher noch zunehmen wird“, so Graß: „Er läuft auch Gefahr, die falschen Weichen für den Umweltschutz zu stellen.“ In praktisch allen Bereichen der Elektroindustrie gehe der Trend zur Miniaturisierung, zum Ersatz von Hardware durch Software und zu umweltgerechteren Lösungen. So sei es zum Beispiel bei Elektro-Hausgeräten gelungen, den Stromverbrauch oder den Verbrauch von Wasser und Waschmittel glattweg zu halbieren: Kein umweltbewusster Mensch werde zum Beispiel die Lebensdauer einer 20 Jahre alten Waschmaschine durch eine aufwändige Wiederaufarbeitung künstlich verlängern, wenn er zugleich auf die besseren Verbrauchseigenschaften verzichten muss.

Recyclingquoten zu hoch
Nachdrücklich spricht sich der ZVEI deshalb gegen die unrealistischen und umweltfeindlichen Recyclingquoten in der sogenannten WEEE-Richtlinie aus. „Während die Verwertungsquoten von bis zu 90 Prozent die öffentliche Aufmerksamkeit auf sich ziehen, liegt das eigentliche Problem bei den vorgesehenen Recyclingzielen von 50 bis 75 Prozent“, erläutert ZVEI-Umweltexperte Otmar Frey. Denn diese Recyclingquoten legen die Art der Verwertung fest und schließen die energetische Verwertung aus: Damit wäre die Industrie zum Beispiel gezwungen, bis zu 25 Jahre alte Kunststoffteile wiederaufzuarbeiten, die damals unter anderem noch mit Cadmium als Farbstoff und mit heute als gefährlich erkannten Flammschutzmitteln versehen wurden.“ Der Wiedereinsatz dieser Materialien und Stoffe stünde nicht nur im Gegensatz zu allgemeinen Zielen des Umweltschutzes, sondern auch ganz konkret zu den Vorgaben der Richtlinie zu Beschränkungen bestimmter gefährlicher Stoffe (ROS). „Die Wege der Verwertung müssen offen bleiben“, betont Frey.

Keine generellen Stoffverbote!
Auch wendet sich der ZVEI gegen das von der EU-Kommission vorgeschlagene unspezifische Verbot bestimmter Inhaltsstoffe. Solange Blei zum Beispiel bei Lötverbindungen in Leistungshalbleitern, in Elektrokeramiken, Dickschichtfilmen oder für Hochzuverlässigkeitsverbindungen nicht ersetzt werden kann, dürfe seine Verwendung nicht generell verboten werden. Auch eine detaillierte Auflistung von Ausnahmen helfe wegen heute noch nicht absehbarer Innovationen, die oftmals auch mit konkreten Umweltvorteilen verbunden sind, nicht weiter. „Selbst wenn wir heute Blei in immer mehr Anwendungen ersetzen, wehren wir uns gegen ein nicht begründetes generelles gesetzliches Verbot: Mit dem groben Besen werden dann auch nicht ersetzbare Komponenten und Anwendungen mit konkretem Umweltnutzen vom Markt gefegt,“ stellt Frey fest.

Kompromiss beim historischen Abfall in Sicht
Klare Fortschritte, aber auch weiterhin ungelöste Probleme, sieht die Industrie dagegen bei der Finanzierung der Entsorgung von Alt-Altgeräten, also von Geräten, die lange vor Inkrafttreten der Richtlinie verkauft wurden und deren Hersteller zum Teil nicht mehr existieren. Die Kosten für die Entsorgung dieses sogenannten historischen Abfalls soll nach den Vorstellungen des Berichterstatters für den Umweltausschuss des Europäischen Parlamentes, Karl-Heinz Florenz, kollektiv zwischen allen existierenden Herstellern entsprechend ihrem aktuellen Marktanteil geteilt werden. Außerdem sollen die Hersteller diese Entsorgungskosten beim Verkauf von Neuprodukten getrennt und für den Endverbraucher sichtbar auf den Rechnungen ausweisen können. „Mit diesen richtungsweisenden Vorschlägen würde auch in Deutschland die Tür aufgestoßen für einen Konsens zwischen Politik und Unternehmen“, kommentiert ZVEI-Geschäftsführer Graß. Grundvoraussetzung sei jedoch, dass die Organisation und Finanzierung der haushaltsnahen Sammlung der Altgeräte durch die Kommunen unangetastet bleibe.

„Für die heute bereits im Markt befindlichen langlebigen Gebrauchsgüter, wie Kühlschränke, Waschmaschinen oder Fernseher, die zum Teil bis zu 20 oder 25 Jahre halten, sind Entsorgungslösungen nur durch eine Zusammenarbeit aller Anbieter darstellbar. Dies ist die einhellige Auffassung aller beteiligten Branchen“, erläutert Frey. „Die Industrie soll eine kostspielige Leistung erbringen, für die letztlich der Endverbraucher bezahlen muss.“ Wenn die Kosten für die Entsorgung des aktuellen Gerätebestandes auf den Rechnungen getrennt ausgewiesen werden, sorge dies für die notwendige Transparenz beim Verbraucher.

Hohe Kostenbelastung der Industrie
Derzeit fallen nach ZVEI-Schätzungen in Deutschland im Durchschnitt rund eine Million Tonnen Elektronikschrott pro Jahr an. Von dieser Gesamtmenge sind gut 55 Prozent Elektro-Hausgeräte, wie Waschmaschinen, Kühlschränke und Geschirrspüler, rund 25 Prozent Fernseher, Audio- und Videogeräte sowie rund 20 Prozent PCs, Telefone und andere IT-Geräte.

Die Kosten für die Entsorgung liegen bei den überwiegend ins Gewicht fallenden größeren Geräten bei 20 DM für eine Waschmaschine und rund 50 DM für einen Fernseher oder einen Kühlschrank. Einschließlich der Abholung der Geräte bei den Kommunen liegen die Gesamtkosten für ein bundesweites Entsorgungssystem für diese Geräte in der Anfangsphase bei drei bis vier Mrd. DM pro Jahr. Die EU-Kommission geht von sehr viel niedrigeren Kosten aus: Nach Einschätzung des ZVEI unterstellt sie hierbei jedoch unrealistisch niedrige Entsorgungskosten und nimmt an, dass nur vier Kilogramm Altgeräte je Einwohner und Jahr gesammelt werden. Die Berechnungen des ZVEI auf Basis der verkauften Neugeräte und der allgemein bekannten Informationen zum Ersatz- und Zusatzbedarf - gerade bei den mengenmäßig besonders gewichtigen Elektro-Hausgeräten und traditionellen Geräten der Unterhaltungselektronik - lassen dagegen ebenso wie die Schätzungen der EU-Kommission ein jährliches Abfallaufkommen von rund einer Million Tonnen allein in Deutschland erwarten. Dies entspräche mehr als dem Doppelten der von der Kommission angenommenen Mindestmengen pro Einwohner.

Rückstellungsbedarf wird Bilanzen verhageln
Eine realistische Einschätzung der zu entsorgenden Mengen ist nicht zuletzt für die Ertragslage der betroffenen Unternehmen wesentlich. So hätten führende Unternehmen der deutschen Automobilindustrie in den letzten Tagen angekündigt, auf Grund der EU-Altautorichtlinie dreistellige Millionenbeträge für die Entsorgung der Altfahrzeuge zurückzustellen. Für die deutsche Elektroindustrie zeichne sich mit der Elektroschrottrichtlinie ein Rückstellungsbedarf von 20 bis 30 Mrd. DM ab. Dies ist ein Vielfaches der Vorsteuergewinne der hauptsächlich betroffenen Hersteller von elektrotechnischen Gebrauchsgütern.

Quelle und Kontaktadresse:
Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI) e.V. Stresemannallee 19 60596 Frankfurt Telefon: 069/63020 Telefax: 069/6302317

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