Einfluss von Unternehmen auf Hungerbekämpfung wächst rasant / Regulierung der Privatwirtschaft darf kein Tabu sein
(Berlin/Köln) - Der Hunger in der Welt ist menschengemacht. Mitverursacher ist paradoxerweise auch die globale Lebensmittel- und Agrarindustrie. Darauf haben das evangelische Hilfswerk Brot für die Welt und die Menschenrechtsorganisation FIAN am Mittwoch in Berlin hingewiesen. Bei der Vorstellung des "Jahrbuchs zum Recht auf Nahrung 2012" forderten Vertreter beider Organisationen die Politik auf, die lokalen Produzenten ins Zentrum einer nachhaltigen Strategie zur Hungerbekämpfung zu stellen. Das aktuelle Jahrbuch widmet sich der Frage "Wer kontrolliert die Welternährung?"
Mehr als 20 Expertinnen und Experten kommen in dem Bericht zu dem Schluss, dass es schon heute möglich wäre, alle Menschen auf der Welt zu ernähren. "Rein rechnerisch hätte heute jeder Mensch 30 Prozent mehr Nahrung zur Verfügung als noch vor 40 Jahren", berichtete FIAN-Agrarreferent Roman Herre: "Stattdessen untergräbt gerade die Lebensmittel- und Agrarindustrie in vielen Fällen das Recht auf Nahrung." Die Konsequenz: Knapp 900 Millionen Menschen müssen hungern.
"Wir beobachten, dass privatwirtschaftliche Unternehmen und Finanzinvestoren immer stärker Einfluss auf die Ernährung nehmen", sagte Carolin Callenius von Brot für die Welt. Das gehe von der Auswahl von Saatgut und Düngemitteln über die Vermarktung und Weiterverarbeitung bis zum Produkt. Besonders auffällig werde dies bei der Ernährung von Müttern und Kindern: Statt auf lokal verfügbare Lebensmittel, setze die Industrie auf nährstoffangereicherte Produkte, so Callenius.
Ein aktuelles Beispiel dafür, wie die Hungerbekämpfung von Privatwirtschaftsinteressen dominiert wird, ist die G8-Initiative zur Ernährungssicherheit in Afrika. "Hier haben die reichsten Staaten zusammen mit großen internationalen Konzernen Strategien erarbeitet, die einzig den Interessen der Konzerne dienen", sagte Herre. Kern der Initiative ist es, in Ländern wie Äthiopien oder Mosambik die Landwirtschaft der internationalen Saatgut-, Agrar- und Finanzindustrie zu öffnen. "Landraub und dem Export von Nahrungsmitteln in reiche Länder wird so der Boden bereitet", so Herre weiter.
Eindrücklich erläuterte Fon Nsoh, Projektleiter des Brot für die Welt-Partners COMINSUD (Community Initiative for Sustainable Development) aus Kamerun die Ursachen der Hunger- und Nahrungsmittelkrise in seinem Land: "Ausländische Geldgeber haben in Kamerun riesige Summen in die Agrarindustrie investiert. Auch der Staat sowie Forst- und Bergbauunternehmen beanspruchen viele tausend Hektar Land. Dafür vertreiben sie die lokale Bevölkerung von ihren Äckern."
Positiv bewerten die Autoren des von Brot für die Welt und FIAN mit herausgegebenen Jahrbuchs die "Leitlinien für verantwortliche Regulierung von Eigentum, Besitz und Nutzung von Land, Wald und Fischressourcen" der Vereinten Nationen sowie die "Maastricht Prinzipien zu Extraterritorialen Verpflichtungen". "Die Politik muss die Regeln für global agierende Konzerne auf dieser Basis neu gestalten", forderten Callenius und Herre, "nur so kann die Zivilgesellschaft die Kontrolle über die natürlichen Ressourcen zurückgewinnen."
Quelle und Kontaktadresse:
FIAN e.V. Internationale Menschenrechtsorganisation für das Recht auf Nahrung
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