Ein kollektives Missverständnis - in 6 Tagen 6 Pfund abnehmen
(München) - Unverdrossen tappen Ungezählte immer wieder in die Frühlings-Diätfalle, manche tun es gelegentlich, viele sogar ganzjährig und trotzdem werden die Deutschen ständig dicker. Rund 2 Milliarden Euro jährlich geben Verbraucher hierzulande für Light- und Diätprodukte aus, Tendenz steigend bei den Umsätzen der Industrie und auch beim Übergewicht. Steckt da etwa ein grundlegender Fehler im System?
Statistik eines schwer wiegenden Problems
Laut Ernährungsbericht 2004 der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) e.V. sind mehr als 55 Prozent der bundesdeutschen Frauen und 65 Prozent der Männer übergewichtig. Der Datenvergleich eines seit 1984 bundesweit durchgeführten Gesundheitssurveys weist deutlich auf das gewichtige Problem hin. Demnach blieb der Anteil der Präadipösen mit einem Body-Mass-Index (BMI) von 25-29,9 in den letzten zwei Jahrzehnten etwa gleich, aber jeder fünfte Erwachsene ist bei steigender Tendenz (BMI ab 30) bereits adipös. Richard Cameron, Chef der US-Gesundheitsbehörden, erklärte kürzlich: Fettleibigkeit ist der Terror von innen, und die Weltgesundheitsorganisation (WHO) bezeichnet Übergewicht und Adipositas als eine der größten Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. Sie sind ursächlich für das Entstehen chronischer Krankheiten wie Diabetes, Bluthochdruck, Hormon- und Fettstoffwechselstörungen, Herz-Kreislaufleiden, verschiedene Krebserkrankungen, Osteoporose und psychosoziale Beschwerden mitverantwortlich. Allerdings steht bei den Diätwilligen weniger die Gesundheit, sondern das Wunschgewicht im Mittelpunkt. Dabei wird vergessen, dass der Misserfolg bei kurzfristigen Diätversuchen nach dem medienwirksamen Motto: In sechs Tagen sechs Pfund runter, zu 95 Prozent garantiert ist. Die Hoffnung, endlich eine bequeme Abnehm-Methode zu finden, überlagert die Einsicht: Hau-Ruck-Diäten machen dick!
Lässt sich das menschliche Genom überlisten?
Bis vor rund 7000 Jahren führten unsere Vorfahren als Jäger und Sammler ein beschwerliches Leben. Jede Nahrungsbeschaffung setzte Muskelkraft und Ausdauer voraus. War ein Mammut erlegt, wurde üppig geschlemmt und der Überschuss der Völlerei in Fettdepots angelegt, um ein Überleben in Hungerzeiten zu ermöglichen. Dieser biologische Regelmechanismus ist seit der Steinzeit bis heute in unseren Genen festgeschrieben, obwohl Kühlschrank und Supermarkt die körpereigene Vorratshaltung überflüssig machen. Trotzdem speichert der Organismus ein reichhaltiges Energieangebot in Form von Fettpostern für Notzeiten unverändert weiter und verteidigt diese hartnäckig. Wird durch eine Diät das Nahrungsangebot reduziert, wirkt dies auf den Stoffwechsel wie eine Bedrohung. Er schaltet auf halbe Kraft, drosselt den Grundumsatz und verliert Wasser und Muskulatur. So wird innerhalb einer kurzfristigen Diätphase das Gewicht zwar verringert, aber die Fettzellen bleiben unangetastet. Wird wieder normal gegessen, bleibt der Stoffwechsel noch eine Weile bei der langsamen Gangart und die Gewichtszunahme verläuft durch den Jojo-Effekt erstaunlich schnell. Selbst wenn im Februar 2001 das menschliche Genom nahezu vollständig entziffert werden konnte, ist das Geheimnis der Regelmechanismen und Informationsflüsse im Buch des Lebens noch längst nicht gelüftet. Darum müssen wir uns wohl oder übel den genetisch geprägten Gegebenheiten beugen.
Den Jojo-Effekt austricksen
Das Phänomen, rasch ab- und erneut zuzunehmen, könnte Sisyphos erfunden haben. Werden grundlegende Vorgaben beachtet, ist Abnehmwilligen der Jojo-Effekt zu ersparen, denn nur ein langfristiges Konzept verspricht dauerhaften Erfolg. Dazu gehören neben einer Minderung des Energieangebots durch angepasste Ernährung vor allen Dingen körperliche Bewegung und eine Veränderung des Verhaltens. Realistisch ist eine Minderung des Körpergewichts um 5-10 Prozent im Verlauf von 6-12 Monaten. Schließlich entstand das Übergewicht auch nicht binnen weniger Tage. Viele Untersuchungen zeigen, dass gerade diese Maßnahme äußerst schwierig ist, da es den Abnehmwilligen in der Regel mit der Gewichtsreduktion nicht schnell genug geht. Sie sind zwar zu einer kurzen Diätphase bereit und deshalb ist von Seiten des Arztes viel Überzeugung notwendig, dass nur eine langfristige Veränderung des Lebensstils dauerhaften Erfolg verspricht. Eine Gewichtsreduktion ist in der Schwangerschaft, Stillzeit und bei Essstörungen sowie schweren Allgemein- oder psychiatrischen Erkrankungen nicht geboten.
Vorschläge für die langfristige Gewichtsreduktion
Als Goldstandard für einen dauerhaften Erfolg zur Minderung des Körpergewichts wird eine hypokalorische Mischkost empfohlen, die das Energieangebot gegenüber der sonst üblichen Ernährung um 500 800 kcal pro Tag reduziert. Diese fettarme Mischkost enthält komplexe Kohlenhydrate mit hohen Anteilen von Ballaststoffen, die Sättigung bewirken. Lebensmittel mit niedriger Energiedichte wie Gemüse, Hülsenfrüchte und Vollkornprodukte sind dazu angetan. Kalorienfreie Getränke wie Mineralwässer, Kräuter- und Früchtetee (mindestens 2 Liter am Tag) füllen den Magen und halten den Stoffwechsel in Schwung. Außerdem bieten sich kleinere Portionen auf möglichst kleinen Tellern an, um die so genannte passive Überkonsumption zu vermeiden. Die Einschränkung von Fastfood sollte zur Selbstverständlichkeit werden. Außerdem ist in jüngster Zeit auch die proteinbetonte Reduktionskost als Alternative im Gespräch. Diese Diät zeichnet sich im Wesentlichen dadurch aus, dass mindestens 20-30 Prozent der gesamten Energiezufuhr durch Eiweißsubstanzen erfolgt (Fleisch, Geflügel, fettarmer Käse). Im Gegenzug ist die Aufnahme von Kohlenhydraten auf etwa 30-40 Prozent der Energiezufuhr reduziert. Durch einen festen Rhythmus der Mahlzeiten mit Pausen von vier Stunden wird das Insulin abgesenkt und die Fettverbrennung angeregt. In der Zwischenzeit kann man Wasser, Schwarzen Tee und auch einmal eine Tasse Kaffee zu sich nehmen. Durch zusätzliche körperliche Aktivität wird die stoffwechselaktive Muskelmasse erhalten und der Energieverbrauch erhöht. Um 2000 kcal pro Woche zu verbrauchen und damit die Fettzellen zu reduzieren, wird Bewegung von mittlerer Intensität (60-80 Prozent der maximalen Herzfrequenz) für etwa 30-60 Minuten an 5-7 Tagen pro Woche empfohlen. Dazu eignen sich schnelles Gehen, Schwimmen und Radfahren. Wichtig ist eine Sportart, die Freude bereitet.
Der Berufsverband der Frauenärzte rät, eine medikamentöse Therapie zur Gewichtsabnahme keineswegs auf eigene Faust auszuprobieren, sondern jede dieser Maßnahmen im Arzt-Patienten-Gespräch abzuklären. Nur langfristig mit viel Geduld und Disziplin ist dem Übergewicht zu Leibe zu rücken, denn die von vielen sehnsüchtig erwartete Wunderpille gibt es nicht.
Quelle und Kontaktadresse:
Berufsverband der Frauenärzte e.V. (BVF)
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